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Israel: Was der Hamas-Angriff für den Nahen Osten bedeutet


Wer profitiert vom Krieg in Israel?
Die Schlinge zieht sich zu

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 09.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Massive Explosionen in Gaza: Auch am Montag gehen die heftigen Kämpfe zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas weiter. (Quelle: Reuters)

Nach dem Angriff der Hamas befindet sich Israel im Krieg. Die blutigen Schandtaten der Islamisten könnten einen Flächenbrand in der Region auslösen.

Der Schock sitzt tief. Wie konnte es so weit kommen? Die israelische Armee wurde überrumpelt, als am Samstag Terroristen der islamistischen Hamas einen Großangriff starteten. Tausende Raketen flogen auf israelische Städte, bewaffneten Kämpfern gelang es, die Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen zu überwinden. Eine Grenze, die mit ihren Wachtürmen und einem Netz aus Zäunen und Mauern als besonders gut gesichert galt. In Israel verfielen die Terroristen in einen Blutrausch.

Die Kämpfer der Terrorgruppe drangen in israelische Ortschaften ein, stürmten Gebäude, erschossen wahllos Zivilisten. Selbst vor Kindern machten die Terroristen keinen Halt. Und damit nicht genug: Zusammen mit der Terrororganisation Islamischer Dschihad will die Hamas 130 Menschen in den Gazastreifen verschleppt haben. Die Geiseln sind ein besonderer Schock für Israel, denn für ihre Befreiung wird die israelische Armee dort nun wahrscheinlich eine Bodenoffensive starten müssen.

Es ist wahrscheinlich, dass die Hamas das Blutvergießen für ihre politischen Zwecke missbrauchen wird. Mord und Totschlag sind am Ende immer ein Nährboden für Terroristen – ein Teufelskreis, der im Nahen Osten seit Jahrzehnten undurchdringlich erscheint. Ohne den blutigen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bräuchte es die Hamas nicht. Deswegen wird die Terrorgruppe immer wieder versuchen, den Nahostkonflikt eskalieren zu lassen.

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Jetzt bricht also die Hölle los. Israel und die Hamas sind im Krieg, aber die Terrorgruppe zündelt eben nicht nur in Israel. Der Großangriff könnte am Ende einen Flächenbrand in der Region auslösen und die Morde der Hamas sind in jedem Fall ein massiver Rückschritt für den Frieden im Nahen und Mittleren Osten.

Der Nahe Osten ist ein Pulverfass, und die Gefahr eines größeren Krieges ist zurück. Unabhängig davon, wie dieser Krieg ausgehen wird, haben die Schurken schon jetzt gewonnen, denn am Ende profitiert nur eine Macht von der aktuellen Eskalation.

Hamas existiert nur für den Kampf gegen Israel

Die menschenverachtenden Taten der Islamisten folgen einem Kalkül. Die Hamas weiß, dass sie einen Krieg gegen die hochgerüstete israelische Armee nicht gewinnen kann. Sie weiß, dass Israel mit einer militärischen Operation antworten wird. Luftangriffe, eine Bodenoffensive in Gaza. Zivilisten sterben auf beiden Seiten.

Es ist zynisch, dass von diesen Eskalationen in der Vergangenheit immer die Terrorgruppe profitierte. Immer wenn Menschen in diesem Konflikt zu Tode kamen, erhielten die radikalen Kräfte danach mehr Zulauf. Die Islamisten legen ihre Waffendepots im Schutz von Wohngebieten an. Kommen bei israelischen Angriffen Zivilisten zu Tode, machen die Palästinenser nicht die Hamas dafür verantwortlich, sondern Israel.

Eine perfide Strategie, die der Terrorgruppe nach jedem Krieg weitere Kämpfer bescherte. Die radikale Ideologie der Islamisten fällt auf einen Nährboden, der auch durch die Siedlungsstreitigkeiten und den Territorialkonflikt von Misstrauen getränkt ist. Er ist eine Keimzelle für diesen Terrorismus.

Das erklärt die Motivation der Hamas für ein derartiges Mordkommando. Doch ohne internationale Unterstützung könnte die Organisation ihre blutigen Eigeninteressen gar nicht durchsetzen.

Terrorakt gegen den Frieden

In erster Linie steht dabei der schiitische Halbmond im Fokus, obwohl die radikalislamistische Hamas eigentlich sunnitisch geprägt ist. Zum schiitischen Halbmond zählen der Iran, Irak, Syrien und der Libanon. Besonders die iranische Führung macht kein Geheimnis aus ihrer Verachtung für Israel. Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei bezeichnete Israel als "Krebsgeschwür", und die iranische Führung feierte den Terrorakt der Hamas als den Beginn des palästinensischen Befreiungskampfes.

Aber der Iran ist nicht der einzige Hamas-Unterstützer in der arabischen Welt. Irak, Kuwait und Katar wiesen Israel die Schuld an der Gewalt zu. Auch Demonstranten im Irak, im Libanon, in Syrien und im Jemen schwenkten palästinensische Flaggen.

Traditionell gibt es einige Staaten im Nahen und Mittleren Osten, die an der Seite der Palästinenser stehen möchten. Doch Experten sind sich einig darüber, dass vor allem die Rückendeckung aus Teheran es der Hamas ermöglicht, einen derartigen Terrorangriff durchzuführen. Schließlich unterstützt der Iran die Hamas sowohl finanziell als auch mit Waffen.

Die Gründe der iranischen Unterstützung für Islamisten im Kampf gegen Israel sind vielfältig: Vor diesem Angriff der Terroristen verbesserte die israelische Regierung ihre Beziehungen zu einigen arabischen Ländern. Darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko, Bahrain und der Sudan. Nach vielen Jahrzehnten erbitterter Feindschaft lag sogar ein Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien in Reichweite. Die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei hatten sich ebenfalls verbessert.

Das wollte der Iran offenbar nicht zulassen.

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Hamas spaltet muslimische Welt

Dieser Prozess, der ausgerechnet unter US-Präsident Donald Trump von den USA forciert wurde, hätte nicht nur die Lage im Nahen und Mittleren Osten entspannt, sondern auch den Iran isoliert. Aus Perspektive Teherans wäre es ein Bündnis seiner Erzfeinde gewesen, die zudem gute Beziehungen zu den Amerikanern pflegen.

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Doch der Friedensprozess hat mit der aktuellen Krise einen schweren Rückschlag erlitten. Während sich die Vereinigten Arabischen Emirate diplomatisch ausdrückten und einen Waffenstillstand forderten, scheint die Führung in Riad aufseiten der Hamas zu stehen. "Das Königreich erinnert an seine wiederholten Warnungen vor den Gefahren einer Eskalation der Lage infolge der anhaltenden Besatzung", gibt das saudische Außenministerium Israel eine Mitschuld an dem Angriff.

König Salman gilt als Verfechter der palästinensischen Sache, aber Staaten wie Saudi-Arabien und auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sehen sich als Vorkämpfer aller Muslime. Damit möchten sie ihre Position als Regionalmacht festigen; deshalb stellen sie sich nicht an die Seite Israels.

Am Ende wird der Terrorangriff der Hamas dazu führen, dass sich Israel und die muslimische Welt erneut weiter voneinander entfernen. Es profitiert der Iran, der in den kommenden Tagen das Leid der Palästinenser für seine politischen Zwecke instrumentalisieren wird.

Video | Polizist erschießt israelische Touristen
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Quelle: t-online

Iran und Russland profitieren

Genau darauf spielten US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an, als sie in ihren Reaktionen auf den Angriff der Hamas weitere Akteure warnten, die Situation für ihre Zwecke zu nutzen. Biden sagte, dies sei "nicht der Moment für irgendeine feindliche israelfeindliche Partei, diese Angriffe zu ihrem Vorteil auszunutzen". "Die Welt schaut hin", betonte der US-Präsident. Die Amerikaner schickten einen Flugzeugträger und Kriegsschiffe in das östliche Mittelmeer.

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Eine klare Warnung an den Iran und an die islamistische Hisbollah im Libanon, die bereits Raketen auf Stellungen der israelischen Armee auf den Golanhöhen schoss. Wenn die US-Marine nun Präsenz in der Reaktion zeigt, wird es unwahrscheinlich, dass die Hamas militärische Unterstützung aus anderen Ländern erhält. Ein Flächenbrand damit auch.

Die Terroristen der Hamas werden am Ende wahrscheinlich die Opfer ihrer eigenen Ideologie und die Bauernopfer für den Iran und dessen Waffenbrüder sein. Zu diesen Waffenbrüdern gehört auch Russland. Sollte der Iran in die Planung des Hamas-Angriffes verwickelt gewesen sein, ist denkbar, dass Teheran politische Unterstützung aus Moskau bekommt.

Das Bündnis zwischen Russland und dem Iran hat sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verbessert. Die iranische Führung liefert eine große Anzahl von Shahed-Drohnen an Russland, die in der Ukraine schwere Schäden anrichtet. Kremlchef Wladimir Putin profitiert gleich doppelt vom Krieg im Nahen Osten: Einerseits lenkt der Hamas-Angriff den Westen vom Ukraine-Krieg ab. Andererseits macht der Kreml den Westen für die aktuelle Krise verantwortlich, weil er die Region vernachlässigt habe.

Putin hat zwar nie eine anti-israelische Politik verfolgt, trotzdem unterhält Russland Beziehungen zur Hamas. Die russische Reaktion zeigt nun, welche Priorität Moskau zurzeit setzt – das Bündnis mit dem Iran. Denn der Kreml stärkt keineswegs der israelischen Führung den Rücken, sondern ruft lediglich zu einer Deeskalation auf. Israel hat dagegen kaum eine Wahl. Es wird nach den Verschleppungen durch die Hamas wohl in den Gazastreifen einrücken müssen, der Konflikt wird noch blutiger werden. Davon profitieren die Mächte, die im Hintergrund die Fäden in der Hand halten – und die diese Eskalation ebenso befeuert haben. Auch das kennt der Nahe Osten aus seiner Geschichte.

Verwendete Quellen
  • wsj.com: Iran Helped Plot Attack on Israel Over Several Weeks (engl.)
  • politico.eu: Iran’s support for Hamas fans suspicion it’s wrecking Israel-Saudi deal (engl.)
  • theconvesation.com: The Israel-Hamas war: No matter who loses, Iran wins (engl.)
  • edition.cnn.com: Israel at war with Hamas after unprecedented attacks (engl.)
  • n-tv.de: Iran lobt Terrorgruppe Hamas für brutalen Angriff
  • tagesschau.de: Gemischte Reaktionen aus arabischer Welt
  • sueddeutsche.de: Chamenei nennt Israel "Krebsgeschwür"
  • welt.de: Biden sichert Israel "unumstößliche" Unterstützung zu
  • Nachrichtenagenturen dpa, rtr, afp
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