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Schlacht in Syrien: Anzeichen für Erfolg der Rebellen in Aleppo


Armee dementiert
Anzeichen für Erfolg der Rebellen in Aleppo

Von Christian Kreutzer mit Material von AFP und AP

Aktualisiert am 07.08.2016Lesedauer: 5 Min.
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Kampf um die Militärakademie: Drohnen-Aufnahme der Rebellengruppe "Fatah ash-Sham".Vergrößern des Bildes
Kampf um die Militärakademie: Drohnen-Aufnahme der Rebellengruppe "Fatah ash-Sham". (Quelle: AFP-bilder)

Seit fast drei Wochen ist die syrische Metropole Aleppo eingeschlossen. Truppen von Diktator Baschar al-Assad und ihre russischen und iranischen Verbündeten haben 300.000 Menschen eingekesselt. Sie lassen Bomben und Granaten auf die zivilen Viertel regnen. Derweil kämpft eine von Dschihadisten geführte Allianz seit Tagen um einen neuen Korridor. Jetzt wollen sie durchgebrochen sein. Die Regierungstruppen dementieren.

Für Einwohner und Rebellen war es die Katastrophe schlechthin: Regimetruppen eroberten Mitte Juli erst die Mallah-Farmen im Norden von Aleppo. Kurz darauf nahmen sie die Castello-Road ein – die einzige Route, auf der Milizen und Zivilisten im aufständischen Osten der Stadt in die Außenwelt gelangen konnten. Seitdem ist Aleppo eingeschlossen und unter Beschuss wie einst die bosnische Hauptstadt Sarajevo in den 90er Jahren.

Kampf um die letzten Meter

Unterstützt von russischen Bombern versucht das Regime seitdem, die Oststadt in die Knie zu zwingen. Appelle von Politikern wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier oder US-Außenminister John Kerry, doch an die humanitäre Lage der Einwohner zu denken, verhallten erwartungsgemäß ungehört. Den syrischen und russischen Angreifern wirksam in den Arm zu fallen, traut sich der Westen offenbar nicht mehr.

Seit einer Woche nun nehmen Syriens Rebellen die Sache selbst in die Hand: Mehrere tausend Kämpfer aller Fraktionen haben sich seit dem vergangenen Wochenende im Süden Aleppos versammelt. Dort liefern sie sich eine Schlacht mit dem Regime, die an die Kämpfe in den Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Ihr Ziel: Nachdem im Norden alles dicht ist, wollen sie im Südwesten Aleppos einen neuen Korridor für Milizen und Zivilisten freikämpfen.

Für beide Seiten ist es eine Schlacht auf Leben und Tod, schreibt der in Aleppo lebende Journalist Mohammed al-Khatieb im Magazin "Al-Monitor". Denn beiden ginge es um die Einnahme ganz Aleppos.

Wer die Kämpfe verfolgt, ist oft aufgeschmissen: Die Rebellen verkünden Erfolge, das Regime macht sich darüber lustig und behauptet, sie seien immer noch da, wo sie schon vor Tagen gestanden hätten.

Militär verteidigt angeblich erfolgreich

So auch nach dem jüngsten Vorstoß der Rebellen. Ein Militärsprecher bestätigte der amtlichen Nachrichtenagentur Sana später, "eine große Zahl" von Kämpfern hätte die weitläufige Basis attackiert. Doch verteidigten die Regierungstruppen das Gelände. Sana berichtete weiter, der Offensive der militanten Gruppen sei eine Reihe von Autobombenanschlägen in der Gegend vorausgegangen. Angaben zu möglichen Opfern wurden nicht gemacht.

Das syrische Staatsfernsehen ergänzte später, die Armee habe die Rebellen zurückgedrängt und auch die Kontrolle über die Gebiete in der Militärakademie wiedererlangt. Die Aufständischen seien auf dem Rückzug und würden von Regierungstruppen verfolgt.

Hat sich das Blatt doch gewendet?

Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Großbritannien und die örtlichen Koordinationskomitees, die sich auf ein Aktivistennetz vor Ort stützen, zeichneten jedoch ein anderes Lagebild. Die Rebellen hätten die belagerten Gebiete im Osten Aleppos erreicht. Doch hätten dort eingeschlossene Zivilisten wegen anhaltender Luftangriffe und Bombardements noch immer keine sichere Fluchtroute, schränkte die Beobachtungsstelle ein.

Auch auf Twitter lässt sich eine Wende ablesen: Fasst man alle Informationen zusammen, die von der Frontlinie im Süden der Stadt nach außen dringen, dann waren die Anti-Assad-Kämpfer bereits Samstagmorgen nur noch einige hundert Meter von einem Durchbruch entfernt. Das zeigen selbst Grafiken von Berichterstattern, die dem syrischen Regime und seinen russischen Helfern nahe stehen:

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Grün sind auf dem Bild die von Rebellen eroberten Gebiete zu sehen. Innerhalb der gelben Linien ist das noch von den Regimetruppen gehaltene Gebiet. Selbst ohne militärische Kenntnisse sieht man, wie dicht die beiden grünen Sektoren schon beieinander liegen: Nur noch wenige hundert Meter trennen auf der Grafik die Rebellen im Innern von denen, die unter Einsatz von Panzern, Infanterie und Selbstmordattentätern von außen auf die Front drücken. Doch auch diese Distanz soll jetzt überwunden sein.

In der Bildmitte des Tweets von "Peto Lucem" ist die "Artillery Base" zu sehen – eine Militärakademie, die als Schlüsselstelle beim Durchbruch ins Innere Aleppos gilt. Sie wurde angeblich bereits am Freitag erobert. Rebellen twitterten bereits eifrig Bilder aus dem Inneren der Basis.

Versorgungsroute durchbrochen

Am Samstagnachmittag meldeten die Rebellen: Die Belagerung sei durchbrochen, der "Weg nach Aleppo frei gemacht". Noch ist die Information nicht gesichert. Die Regimetruppen könnten durch eine groß angelegte Gegenoffensive das Blatt kurzfristig noch einmal ändern. Doch ihre Chancen werden geringer.

Das weite Terrain, das die Milizen in dieser Woche unter großen Opfern erobert haben wollen, zeigt die Darstellung des gleichen Gebietes der Islamisten-Allianz "Faylaq ash-Sham" (Syrien-Legion), auch wenn sie die Lage in ihrem Sinne optimistischer darstellt. Blau ist hier der in dieser Woche eroberte Bereich:

Bereits 500 Kämpfer sollen auf beiden Seiten gefallen sein. Dazu kommen laut Aktivisten 130 tote Zivilisten. Hilfe bekommen die Angreifer aus dem Innern Aleppos: So wird der auf den Grafiken rechts der Militärakademie gelegene Stadtteil Ramusah sowohl von innen als auch von außen attackiert und soll bereits zur Hälfte erobert sein.

Besonders bedeutsam: Wäre der Belagerungsring tatsächlich geknackt, wäre auch die Versorgungsroute der Regimetruppen durchschnitten. Eine sichere Passage wäre dadurch freilich noch nicht geschaffen. Zudem sollen die syrische Spezialeinheit "Tiger Forces" im Anmarsch sein, die immer dort eingesetzt wird, wo die Lage besonders kritisch ist. So soll der Frontverlauf jetzt aussehen - gesichert ist das allerdings nicht:

Der Wermutstropfen für Beobachter: Auch wenn die Rebellen-Allianz praktisch alle kämpfenden Milizen inklusive der Freien Syrischen Armee (FSA) umfasst, ist die sogenannte "Jabhat Fatah ash-Sham" federführend bei dem Angriff – die "Front zur Eroberung Syriens". Die nannte sich bis vor einer Woche noch "Jabhat an-Nusra" (Front der Helfer) und war der offizielle Ableger von Al-Kaida in Syrien.

Von dem Terrornetzwerk hat sich Fatah ash-Sham vor Tagen losgesagt. Vermutlich ein taktisches Manöver, um nicht auch noch Angriffe von den USA auf sich zu ziehen. Das Personal ist freilich das gleiche: Hardcore-Islamisten, die zwar Todfeinde des Islamischen Staates (IS) sind, aber letztlich die gleiche Ideologie verfolgen – wenn auch deutlich weniger brutal.

Die Stimmung in der Stadt wird besser

So besteht der frühere Al-Kaida-Ableger vor allem aus Syrern und verhält sich nach Aussagen von Beobachtern in dem von ihm eroberten Gebieten deutlich weniger intolerant. Stattdessen, so heißt es, gingen sie bei der Islamisierung in ihren Gebieten behutsam vor. Mit Erfolg wie es scheint.

Was passiert, wenn Aleppo unter ihrer Führung erobert würde, kann natürlich niemand voraussagen. Doch selbst der demokratisch und säkular gesinnten FSA ist derzeit der Durchbruch wichtiger, als weitergehende Spekulationen über die Zukunft der gemeinsamen Rebellenfront.

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Ähnlich sehen es wohl die eingeschlossenen Menschen im Osten Aleppos, deren Krankenhäuser mittlerweile alle zerstört sein sollen und die nur noch schwer an Nahrungsmittel, Verbandsmaterial und Medikamente herankommen.

Dort herrscht offenbar neue Zuversicht: "Letzte Woche fragte ich mich, wie ich überleben soll und wie ich die Stadt verlassen könnte, doch nun ist die Stimmung viel besser", sagte der 46-jährige Ahmed Adna im Viertel Al-Kallasse.

Kurden erobern offenbar IS-Stadt

Und noch eine wichtige Neuigkeit gibt es aus Syrien: Im Norden soll die "Demokratischen Kräfte Syriens" (SDF), eine Allianz aus Kurden und Arabern vom "Islamischen Staat" (IS) die Stadt Manbidsch eingenommen haben, zumindest zum überwiegenden Teil. Die Schlacht um Manbidsch tobt seit Frühjahr.

Ein kurdischer Aktivist in Syrien, Mustafa Bali, sagte am Samstag der Nachrichtenagentur AP, der IS kontrolliere noch einige Gegenden in Manbidsch, unter anderem das wichtige Viertel Sarab im Nordwesten der Stadt. Es sei "eine Frage der Zeit", bis Kämpfer der Demokratischen Kräfte Syriens die Stadt einnehmen. Auf Twitter kursierten am Sonntag Videos von feiernden Menschen auf den Straßen.

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