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Omid Nouripour: Kündigung des Iran-Atomabkommnens wäre verheerend


Omid Nouripour zum Iran-Abkommen
"Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist hoch"

t-online, Lukas Latz

09.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Omid Nouripour: Der grüne Außenpolitiker will das Atomabkommen mit dem Iran auf jeden Fall retten.Vergrößern des BildesOmid Nouripour: Der grüne Außenpolitiker will das Atomabkommen mit dem Iran auf jeden Fall retten. (Quelle: Andreas Arnold/dpa-bilder)
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Donald Trump wird das Atomabkommen mit dem Iran möglicherweise kündigen. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour betont hingegen im Interview dessen Wichtigkeit – ungeachtet negativer Effekte.

t-online.de: Es scheint, als wären die Proteste im Iran weitgehend abgeebbt. Ist das auch Ihre Beobachtung?

Omid Nouripour: Ja, aber die Unzufriedenheit ist nicht weg und sie ist sehr berechtigt. Das sage nicht nur ich, das sagt auch der iranische Staatspräsident Hassan Rohani im iranischen Parlament. Es muss in dem Land weiterhin um Korruptionsbekämpfung, um die Senkung der Arbeitslosigkeit und um die Lösung anderer sozioökonomischer Probleme gehen. Aber auch um die ausbleibenden politischen und persönlichen Freiheiten.

Wird es künftig häufiger Proteste im Iran geben?

Das ist schwer vorherzusehen und hängt davon ab, ob das Regime die Repressionen verschärft. Der Messengerdienst Telegram, über den sich die Menschen organisieren, ist an vielen Orten ja immer noch abgestellt. Facebook und Twitter sind im Iran seit 2009 weitgehend gesperrt. Demonstranten müssen sich beim nächsten Mal neue Wege suchen, um sich zu organisieren. Aber ich bin da zuversichtlich, Not macht bekanntermaßen erfinderisch und die Menschen im Iran sind sehr kreativ.

Die Proteste gingen ja vor allem in den Provinzen los. Bislang dachte man, dass dort vor allem die Unterstützer der islamisch-konservativen Kräfte leben. Wie passt das zusammen?

Ich glaube, dass die ersten Kundgebungen im Maschhad noch von den konservativen Hardlinern orchestriert wurden, um den liberalen Staatspräsidenten Rohani zu schwächen. Aber dann bekamen die Hardliner um den geistlichen Führer Ali Khamenei, der im iranischen Staatssystem noch über dem Präsidenten steht, Muffensausen. Denn er hat gesehen, wie es die unzufriedenen Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft auf die Straße treibt. Die Hardliner stellten ihre Aktionen dann ein.

Sehen Sie die Gefahr, dass der Iran ähnlich instabil werden könnte wie andere Länder in der Region?

Ihre Frage impliziert, dass wir ein Problem mit Leuten haben könnten, die demonstrieren gehen. Das sollten wir nicht haben. Destabilisierung im Iran geht nicht von Protesten aus. Problematischer ist die unverhältnismäßige Reaktion des Staates auf die friedlichen Proteste.

Wie beurteilen Sie Trumps Reaktion auf die Proteste im Iran? Nutzt es den Demonstrierenden, wenn er sie per Twitter unterstützt?

Trumps Unterstützung für die Protestierenden ist bigott. Wenn er es gut meint mit den Iranern, sollte er nicht über militärische Optionen im Iran reden. Für einen US-Präsidenten, der ein pauschales Einreiseverbot für Iranerinnen und Iraner verhängt, haben die Menschen keine Sympathien. Die meisten Staatsbürger des Landes dürfen seit letztem Jahr nicht mehr in die USA einreisen.

Zwischen dem 11. und dem 17. Januar muss Trump entscheiden, ob er die Sanktionen gegen den Iran, die aktuell ausgesetzt sind, wieder einführt. Wie wird er sich entscheiden?

Eine Entscheidung von Trumps Weißem Haus zu prognostizieren, ist ungefähr so schwierig wie die Machtkämpfe in der iranischen Staatsführung hervorzusehen. Das ist beides extrem undurchsichtig und unberechenbar. Aber nach der Rhetorik der letzten Tage und Monate kann es nicht überraschen, dass der US-Präsident das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen wird.

Was wären die Folgen einer Aufkündigung?

Das wäre verheerend. Denn das Abkommen ist gerade für die Sicherheit in Europa von hoher Bedeutung. Es hat vor allem ein Ziel: Nämlich die Ausbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten zu verhindern. Das Atomabkommen gewährleistet Inspektionen, die verhindern sollen, dass die Zentrifugen im Iran nach Belieben laufen und das Land in beliebigen Mengen Uranium anreichert. Wenn Trump es aufkündigt, könnte es passieren, dass die Verträge auch von allen anderen Seiten aufgekündigt werden. Dann würde der Iran die Inspektoren aus dem Land schmeißen und das Atomprogramm wieder aufnehmen. Da gibt es keine Möglichkeit der Kontrolle mehr. Wir können es uns nicht leisten, dass das wieder passiert.

Dennoch ist das Abkommen umstritten.

Ja. Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist hoch. Das iranische Regime hat jetzt mehr Geld zur Verfügung und es gibt dieses Geld für Milizen aus, die in Syrien an der Seite von Diktator Baschar al-Assad kämpfen. Das ist im Übrigen auch ein Grund, warum die Leute im Iran auf die Straße gehen. Weil der Iran sein Geld für eine aggressive Außenpolitik ausgibt und nicht für den Arbeitsmarkt im Iran selbst.

Was muss getan werden, wenn Trump den Nukleardeal aufkündigt?

Dann muss sich Europa eben mit Russland und China zusammensetzen und sehen, wie man das Atomabkommen trotzdem rettet. Auch wenn das keine besonders schöne Vorstellung ist.

Wie beurteilen Sie die Iran-Politik der Europäer in den letzten Wochen?

Die Europäer haben sich ja weitgehend einen Maulkorb verpasst, weil sie nicht den gleichen Fehler machen wollten wie Trump, der die Proteste so lautstark unterstützt. Die Hälfte der Proteste haben sie geradezu verschlafen. Das darf auch nicht passieren.

Was hätte man denn anders machen sollen?

Während der ersten drei Tage ist aus den Hauptstädten Europas kein Wort gefallen. Man hatte wohl Angst, so ungeschickt zu handeln wie Trump. Aber das Schweigen war falsch. Denn selbstverständlich muss man es nicht so machen wie Trump. Wir verlieren jedoch enorm an Glaubwürdigkeit, wenn wir nicht über die selbstverständlichen Rechte der Demonstrierenden sprechen. Nach drei Tagen ist das dann endlich zum Glück noch passiert. Man hätte aber auch darüber sprechen müssen, was der repressive Umgang mit den Protesten für die Wirtschaftsbeziehungen bedeutet. Das ist leider nicht passiert.

Am Donnerstag kommt der iranische Außenminister nach Brüssel. Was sollen ihm seine EU-Kollegen sagen?

Einerseits müssen sie klarmachen, dass wir in Europa zum Atomabkommen stehen und es auf jeden Fall retten wollen. Egal, was Trump macht. Andererseits müssen sie klarmachen, dass wir in Europa sicher nicht einfach nur zugucken werden, wie der Iran willkürlich mit den Grundrechten seiner Bürger umgeht. Sogar in der iranischen Verfassung gibt es ein verbrieftes Recht auf Versammlungsfreiheit. Die EU sollte die iranische Regierung schärfer als bisher daran erinnern.

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