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US-Wissenschaftler gegen Trump: "Verteidigt die Wahrheit"


US-Wissenschaftler gegen Trump
"Verteidigt die Wahrheit"

Von spiegel-online
20.02.2017Lesedauer: 4 Min.
Wissenschaftler demonstrieren auf der Straße in Boston gegen Donald Trump.Vergrößern des BildesWissenschaftler demonstrieren auf der Straße in Boston gegen Donald Trump. (Quelle: dpa-bilder)
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Aus Boston berichtet Nina Weber

Ein Klimaskeptiker als Chef der Umweltbehörde, ein Präsident, der Fakten verdreht: Auf der großen US-Wissenschaftskonferenz AAAS fragen sich amerikanische Forscher bang, wie es für sie weitergehen soll.

Die Stimmung auf der jährlich stattfindenden Konferenz der US-amerikanischen Wissenschaftsgesellschaft AAAS war schon mal besser. Vor einem Jahr etwa feierten die Teilnehmer die ersten Messungen von Gravitationswellen, die bis dahin nur theoretisch beschrieben waren. Eine Jahrhundert-Entdeckung, jubelten Physiker. Man sprach über die Faszination des Weltalls, über menschliche Neugier, über Nobelpreise.

Dieses Jahr steht die Konferenz im Zeichen der Ernüchterung. Nicht wegen der Gravitationswellen, sondern wegen Donald Trump. Die dominierenden Themen sind das vom US-Präsidenten verhängte, inzwischen gestoppte Einreiseverbot, alternative Fakten, der Maulkorb für Wissenschaftler in US-Behörden, die Sorge um die künftige Forschungsfinanzierung und ein Protestmarsch, der "March on Science", am 22. April in Washington.

"Weckruf für Wissenschaftler"

Ganz besonders bewegt die Forscher eine Personalie: Seit Freitag ist Scott Pruitt Chef der US-Umweltbehörde EPA, die er zuvor als Justizminister von Oklahoma regelmäßig verklagt hatte. "Die Öl-, Gas- und Kohle-Industrie übernimmt die EPA", sagt Naomi Oreskes, Wissenschaftshistorikerin an der Harvard University. Sie nimmt an, dass Pruitt die Aktivitäten der EPA deutlich einschränken wird, zumindest in Bezug auf alle Klimawandel-Themen und erneuerbare Energien. Allein schon die Signalwirkung sei schrecklich. Die Industrie müsse immer entscheiden, auf was sie setzt. Kohle galt schon als tot. Aber gilt das noch, wenn ein Klimaskeptiker die EPA führt?

"Es geht hier gar nicht grundsätzlich um Trump, sondern um die Industrie, die die EPA seit vielen Jahren bekämpft", sagt Oreskes. Es sei nicht neu, dass Unternehmen massiven Druck auf die Umweltbehörde ausüben.

Immerhin einen positiven Aspekt kann sie der aktuellen Lage abgewinnen. "Es ist ein Weckruf für Wissenschaftler, die zu lange dachten, es sei nicht nötig, dass sie selbst ihre Forschungsergebnisse kommunizieren. Wir müssen den Menschen erklären, was wir machen und warum es wichtig ist."

Beim Abschied von fossilen Brennstoffen und dem Umsteigen auf erneuerbare Energien etwa haben aus ihrer Sicht auch die Demokraten versäumt, die Botschaft zu vermitteln, dass Wind- oder Solarenergie Jobs schaffen, die auch vor Ort bleiben.

Forscher fürchten harte finanzielle Einschnitte

Wie es mit der Forschung unter Trump weitergeht? John Holdren, wissenschaftlicher Berater von Präsident Obama, befürchtet harte finanzielle Einschnitte. Wenn Trump Steuern senken, den Militäretat erhöhen, in Infrastruktur investieren und gleichzeitig die Krankenversicherung Medicare nicht anrühren wolle, müsse er an anderen Stellen sparen. Forschung und Entwicklung zählten in solchen Situationen immer zu den ersten Opfern, sagt Holdren.

Nur ein Bereich brauche sich nicht zu sorgen, ist man sich in Boston einig: die militärische Forschung. Auch die National Institutes of Health würden irgendwie durchkommen - weder Demokraten noch Republikaner mögen Krebs und Diabetes, scherzt Robert Cook-Deegan von der Arizona State University. Aber in allen anderen Bereichen wird es eng, befürchten viele Teilnehmer. Gerade die Grundlagenforschung werde es schwerer haben als bislang.

Wer wird Trumps Wissenschaftsberater?

Immer wieder werden Beispiele genannt, wie nützlich die Grundlagenforschung ist, wie die von purer Neugier getriebene Wissenschaft die Menschheit auch ganz praktisch vorangebracht hat. GPS etwa wäre in seiner Genauigkeit nicht existent ohne Einsteins Theorien.

Wer Holdrens Job in der Trump-Regierung übernimmt, steht noch nicht fest. Es sei normal, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein wissenschaftlicher Berater ernannt sei, sagt AAAS-Präsidentin Barbara Schaal. Nicht normal sei dagegen, dass es bisher keinerlei Diskussionen oder Gerüchte gebe, wer den Posten bekomme. "Dass man noch gar nichts darüber gehört hat, ist beunruhigend", so Schaal. Die Wissenschaftler haben Sorge, dass ihre Stimme in Zukunft nicht mehr gehört wird, dass sie bei wichtigen Gesprächen nicht mehr mit am Tisch sitzen.

Das, so sind sich alle einig, wäre nicht bloß schlecht für die Wissenschaft, sondern für die Gesellschaft insgesamt. "Wir brauchen Daten, um kluge Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen Wissenschaft, um mit neuem Wissen Probleme lösen zu können", sagt Jane Lubchenco von der Oregon State University. Sie fürchtet, dass politische Entscheider künftig nicht mehr die besten Forschungsergebnisse bekämen - weil Wissenschaftler in Behörden Angst hätten, sich offen zu äußern.

"Alternative Fakten gibt es nicht"

Schaal spricht in ihrer Eröffnungsrede einen weiteren Punkt an, der die Forscher beunruhigt. Sie nennt fünf Frauen, die einen renommierten Preis für junge Wissenschaftlerinnen in Entwicklungsländern gewonnen haben, und bittet die Preisträgerinnen aufzustehen. Am Ende stehen nur vier. Die fünfte, Rania Mokhtar, lebt im Sudan. Zwar wurde Trumps Einreiseverbot inzwischen gerichtlich gekippt, aber es ist der Grund für ihre Abwesenheit. Wissenschaft sei international, sagt Schaal. Ideen müssen Grenzen überschreiten können. Und Menschen ebenso.

Dass auch ein US-Präsident nicht alles verändern kann, beruhigt die Forscher. Bei den erneuerbaren Energien etwa passiert vieles auf Ebene der Bundesstaaten, dort wird weiter in Wind- oder Solarenergie investiert. Doch Bundesstaaten haben begrenzte Budgets, sagt Holdren. Neue Erdbeobachtungsatelliten ins All zu schicken etwa können sie sich allein nicht leisten.

Immer wieder blitzt der Widerstandsgeist auf, den ein Präsident, der Fakten nach seinem Geschmack zurechtbiegt, weckt. "So etwas wie alternative Fakten gibt es nicht", stellt Klimaforscherin Rosina Bierbaum klar. "Verteidigt die Wahrheit."

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