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Donald Trumps erstes Jahr: Der enthemmte Präsident


Donald Trumps erstes Jahr
Der enthemmte Präsident

Von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 27.12.2017Lesedauer: 5 Min.
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US-Präsident Donald Trump: Hektisch, sprunghaft, voller Widersprüche.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump: Hektisch, sprunghaft, voller Widersprüche. (Quelle: Carlos Barria/File Photo/reuters)

Donald Trump hat als US-Präsident mit allen Konventionen gebrochen – sein erstes Amtsjahr gleicht einer Reality Show. Doch abseits des Spektakels hat er die Nation mit wichtigen Weichenstellungen bereits verändert.

Dieser Artikel ist Teil unseres Jahresrückblicks. Hier finden Sie alle unsere Jahresrückblicke und Ausblicke auf 2018.

Das Jahr unter Donald Trump hat die Amerikaner geschlaucht. Als Meinungsforscher kürzlich im Auftrag der „Washington Post“ die Bürger nach ihrer Einschätzung von 2017 fragten, gaben sie keine Antwortmöglichkeiten vor, sondern ließen diese mit einem Wort ihrer Wahl antworten. Am zweithäufigsten fiel den Befragten das Wort „verrückt“ ein. Am häufigsten sprachen sie von „Chaos“.

Der Präsident gab in seinem ersten Jahr seinem Land den Takt vor: Hektisch, sprunghaft, voller Widersprüche, ohne Scheu vor Eskalation und Spaltung agierte Trump und dominierte damit die Agenda. Selbst professionellen Politikbeobachtern fällt ein eindeutiges Fazit seines Jahres schwer.

Ein US-Präsident wie kein zweiter

Am deutlichsten zeigt sich, dass Trump als Präsident tatsächlich mit so gut wie allen Konventionen gebrochen hat. Einen US-Präsidenten wie Trump gab es bislang noch nicht. Er täuschte also diejenigen, die gehofft hatten, dass sich der Wahlsieger noch dem Amt beugen werde.

Klar wird das bereits in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft: Trump hält am 20. Januar nicht wie üblich eine versöhnliche Antrittsrede, nein, er klagt das Establishment in Washington an, beschreibt einen Niedergang des Landes, den er mit einer „America First“-Politik beenden wolle. Seinem Pressesprecher gibt er auf, das Märchen zu verbreiten, dass ihm dabei das größte Publikum aller Amtseinführungen zugeschaut habe. Sean Spicer macht sich damit zum Gespött. Aus diesen Tagen stammt auch das Schlagwort der „alternativen Fakten“, mit denen eine Trump-Beraterin die Unwahrheiten schönreden will.

Politik als Reality Show

Mit solchen Attacken auf Wahrheit und Medien aus den ersten Tagen geht es monatelang weiter. „Fake News“ wird weltweit zum Kampfbegriff. Das Weiße Haus macht Schlagzeilen mit Falschbehauptungen, mit internen Rivalitäten und als Hofstaat eines Sonnenkönigs: Politik als Reality Show, in der wie bei Trumps TV-Hit „The Apprentice“ alle um die Gunst des Chefs buhlen und regelmäßig jemand vom Hof gejagt wird.

Ende Juli der Höhepunkt des Chaos und ein Neuanfang: Stabschef Reince Priebus und Sprecher Spicer gehen, ein neuer Kommunikationschef namens Anthony Scaramucci hält sich nur zehn Tage. Der neue Stabschef John Kelly wirft kurz darauf auch den nationalistischen Chefberater Steve Bannon raus.

Kelly ist einer von mehreren Ex-Generälen, denen Trump nun vertraut. Er soll Ordnung ins Weiße Haus bringen. Kelly beschränkt den Zugang zum Oval Office, setzt weitere Mitarbeiter vor die Tür und will dafür sorgen, dass Trump nicht mehr so viele Falschnachrichten und Verschwörungstheorien zugetragen werden. In Insider-Berichten klingt sein Job wie der eines Babysitters.

Doch auf Twitter zeigt sich Trump weiter ungehemmt narzisstisch, verbreitet Morgen für Morgen Attacken auf alte und neue Gegner. Er teilt Falschbehauptungen, Selbstlob sowie Ankündigungen, hinter denen ein Politikwechsel stecken könnte. Damit hält Trump sein Land und die Welt in Atem. Die Politik des Weißen Hauses wirkt sprunghaft, ist schwer zu entschlüsseln.

Trumps radikale Agenda

Was im Chaos untergeht, sind grundlegende Veränderungen des Landes, die Trump eingeleitet hat. Per Erlass macht er den Weg für große Öl-Pipelines frei, verkleinert Naturschutzgebiete, verfügt in mehreren Anläufen einen Einreisestopp für Bürger aus mehreren islamischen Ländern.

Langfristig Wirkung entfalten werden auch Trumps Personalien. Auf wichtige Posten im Bereich Umweltschutz setzt er Klimawandelzweifler und Regulierungsgegner. Im April bestätigt der Senat seinen erzkonservativen Kandidaten für den Supreme Court. Jetzt hat das mächtige Gericht wieder eine konservative Mehrheit. Trump ernennt ebenfalls mehr Bundesrichter als jeder Amtsvorgänger im ersten Amtsjahr – die meisten von ihnen stramm konservativ und auf Lebenszeit ernannt.

Sonst gelingt Trump bei der Zusammenarbeit mit dem Kongress nicht viel, obwohl seine Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit haben. Mit einem seiner Kernversprechen, die Krankenversicherung Obamacare abzuschaffen, scheitert er im Juli. Trump muss erst lernen, um die Stimmen seiner Senatoren zu werben.

Steuergeschenk an die Unternehmen

Besser läuft es erst Ende des Jahres mit dem zweiten Prestigeprojekt, der Steuerreform. Für Trump ist sie der größte Erfolg, für das Land folgenreich: Sie senkt die Abgaben für Unternehmen extrem und unbefristet, auch Trump persönlich profitiert, während kleinere Entlastungen für die Mittelschicht und Arbeiter zeitlich begrenzt werden. Die Reform reißt ein Loch von 1,5 Billionen US-Dollar in die Staatskasse.

Doch auch in erfolgreichen Phasen bleibt Trumps Lage stets heikel. Kaum eine Woche vergeht ohne Schlagzeilen in der Russland-Affäre. Daran ändert auch der Rauswurf von FBI-Chef James Comey nichts. Enge Mitarbeiter Trumps sowie sein Sohn und Schwiegersohn sind in den Fokus des Sonderermittlers geraten. Trump selbst konnte bislang offenbar nichts nachgewiesen werden, im Wahlkampf mit der russischen Regierung paktiert zu haben. Doch auch die Frage, ob Trump die Untersuchungen behindert hat, ist selbst Gegenstand der Ermittlungen geworden.

Trump lässt sich dafür feiern, dass die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt und der „Islamische Staat“ in Irak und Syrien besiegt scheint. Doch das führt interessanterweise nicht dazu, dass seine Beliebtheitswerte steigen. Trump hat die geringste Zustimmung aller Präsidenten im ersten Amtsjahr. Die Werte liegen meist zwischen 35 und 40 Prozent, aber sie bleiben stabil.

Trump schweigt zu Rassismus

In entscheidenden Momenten kann Trump nur bei seiner Basis punkten. Im August kommt es bei einem Aufmarsch von Rassisten im Unistädtchen Charlottesville zu Gewaltszenen, wie man sie lange auf Amerikas Straßen nicht gesehen hat. Trump bekommt nur eine halbherzige Verurteilung jener Rassisten, die Schwarze und Latinos aus dem Land jagen wollen, über die Lippen. Die Mehrheitsgesellschaft ist entsetzt. Für die Rassenbeziehungen war 2017 ein schlechtes Jahr, sagen 82 Prozent in der „Washington Post“-Umfrage.

In der Außenpolitik macht Trump Ernst mit seiner Absage an den Multilateralismus. Er verlässt den Handelspakt TPP im Pazifikraum, kündigt den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen an – die USA wären als weltweit einziger Staat nicht dabei. Auch seine Kritik, dass die Nato-Partner nicht genug zahlten, erhält er aufrecht. Den international gefeierten Atom-Deal mit dem Iran redet Trump bislang nur schlecht, Taten sind noch keine gefolgt.

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Trumps Provokationen gegen Nordkoreas Diktator Kim Jong Un lassen im August die Angst vor einem Krieg steigen. Für Vermittlungsversuche seines Außenministers Rex Tillerson hat der Präsident nur Spott übrig.

Auch im Nahost-Konflikt prescht Trumps Regierung vor. Die einseitige Anerkennung von Jerusalem als Israels Hauptstadt löst im Dezember weltweit Protest aus. Amerika hat sich 2017 international isoliert – sein Wahlversprechen „America first“ hat Trump eingelöst.

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