Gabriel rudert zurück SPD will doch noch stärkste Kraft werden
Die SPD liegt in den Umfragen 13 bis 18 Prozentpunkte hinter der Union. Glaubt sie selbst noch daran, dass das aufzuholen ist? Vizekanzler Gabriel lässt im Interview erst Zweifel daran aufkommen – und räumt diese später dann wieder aus. Kanzlerkandidat Schulz reagiert gelassen. Doch Koalitionsoptionen ohne die Union bieten sich der SPD derzeit noch nicht.
Die SPD könne noch stärkste Kraft im Bundestag werden, sagte Außenminister Sigmar Gabriel gegenüber dpa und "Spiegel". "Die letzten Wochen und Monate haben doch gerade gezeigt, dass auch die SPD die Chance hat, vor CDU und CSU zu liegen", sagte der frühere SPD-Chef am Donnerstag
Zuvor hatte eine andere Äußerung von ihm für Irritationen gesorgt: "Eine große Koalition ist deshalb nicht sinnvoll, weil damit die SPD nicht den Kanzler stellen kann", sagte er am Mittwochabend. Das impliziert, dass die SPD nicht stärkste Kraft im Parlament wird. Diese Interpretation sei allerdings "Unsinn", hieß es in einer Erklärung der SPD-Zentrale im Namen Gabriels.
Kanzlerkandidat Martin Schulz reagierte auf die Äußerungen ebenfalls gelassen. "Wo ist das Drama?", fragte Schulz in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Gabriel habe nur "eine Banalität ausgesprochen", nämlich, dass Schulz nur Kanzler werden könne, wenn Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) abgelöst werde.
Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Schulz liegen in den Umfragen 13 bis 18 Prozentpunkte hinter der Union. Die Sozialdemokraten kommen auf 22 bis 24 Prozent, die Union auf 37 bis 40 Prozent. Am 24. September wird gewählt.
Bislang keine Koalitionsoptionen abseits der GroKo
Eine Neuauflage der großen Koalition hält Spitzenkandidat Schulz für unwahrscheinlich. "Ich habe den Eindruck, die Union will diese große Koalition nicht fortsetzen. Ich glaube, wir auch nicht." Sein Ziel sei es, die jetzt amtierende Bundesregierung abzulösen und Kanzler zu werden.
Nach den derzeitigen Umfragen gibt es aber keine Koalitionsoption, bei der die SPD den Kanzler stellen könnte. Weder ein Bündnis mit Linken und Grünen noch eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen kommen auf eine Mehrheit.
Der Linken sprach Gabriel in dem "Spiegel"-Interview die Regierungsfähigkeit ab, warf ihr innere Zerrissenheit vor und Teilen der Partei AfD-Nähe, Linkspopulismus und Antisemitismus. "Mit einer Partei, die in Wahrheit zwei Parteien sind, und die in sich Positionen zulässt, die auch die AfD einnimmt, zu Europa zum Beispiel und zum Euro, da wird das nix", sagte er.
Linken-Chef Bernd Riexinger attestierte Gabriel Resignation. "Wie sollen eigentlich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten vor Ort die Wähler mobilisieren, wenn ihre Parteispitze die Wahl schon drei Wochen vor dem Wahltag verloren gibt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Cem Özdemir. "Im Gegensatz zur SPD haben wir den Wahlkampf nicht aufgegeben."