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Bundestagswahl 2017: Sebastian Blume will als Direktkandidat ins Parlament


Berliner Direktkandidat
"Das Spalterische geht mir auf den Keks"

t-online, Marc von Lüpke

20.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Sebastian Blume kandidiert in Berlin als unabhängiger Direktkandidat für den Bundestag.Vergrößern des BildesSebastian Blume kandidiert in Berlin als unabhängiger Direktkandidat für den Bundestag. (Quelle: Marc von Lüpke, t-online.de)
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Andere haben einen Parteiapparat, Sebastian Blume hat nur sich selbst. Mehr als 1000 Plakate hat er in Berlin plakatiert, um sein großes Ziel zu erreichen: Als Parteiloser am 24.09. in den Bundestag einzuziehen.

Fehlenden Mut kann man Sebastian Blume nicht vorwerfen. "Ich will am 24. September in den Bundestag!", sagt der Bewerber für den legendären Wahlbezirk Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost. Viermal holte der Grüne Christian Ströbele dort ein Direktmandat, dieses Jahr tritt der 78-jährige nicht mehr an. Gleich 18 Kandidaten - unter anderem von CDU, SPD, Grünen, AfD und Linkspartei - wollen Ströbeles Erbe antreten. Und Sebastian Blume.

Während die Kandidaten der Parteien alle auf einen großen Apparat zurückgreifen können, zieht Blume ganz allein in den Wahlkampf. "Das meiste mache ich selbst", erklärt der 31-jährige in einem Lokal am Boxhagener Platz in Friedrichshain. "Gelegentlich helfen mir auch Freunde." An der Brust trägt er einen großen Ansteckbutton mit der Aufschrift "Wählt Blume", um sich seinen Wählern bekannt zu machen.

Prügel angedroht

Mehr als 1000 Plakate hat er mittlerweile in Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg aufgehängt. Mehr als eine Woche war er dafür mit Fahrrad und Anhänger unterwegs. Auf seiner Tour erfuhr er sowohl Zustimmung als auch Ablehnung von den Anwohnern. Einer drohte ihm sogar Prügel an, wenn er sein Plakat aufhängen würde.

Blume hat exotische Forderungen in seinem Wahlprogramm. Restaurants, die ihren Gästen auch vegane und vegetarische Speisen anbieten, möchte er mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent belohnen. Zum Schutz der Umwelt. Und noch ein Aspekt der Gastronomie ist ihm wichtig: "Es muss doch möglich sein, dass ein Muslim und ein Hindu gemeinsam in einem Lokal essen können. Der eine darf kein Schweinefleisch essen, der andere kein Rind. Im Sinne der Religionsfreiheit finde ich, dass jedes Restaurant über die Mehrwertsteuer gefördert werden muss, wenn es Gerichte für alle Glaubensgruppen anbietet."

Erscheinung wie ein Alternativer

Seinen Wahlkampf finanziert Blume aus eigener Tasche. Er selbst bezeichnet sich als "Ideengeber": Mensch, Natur und Technik will er mit seinen Konzepten in Einklang bringen. Seine äußere Erscheinung erinnert an einen Alternativen, wie es so viele davon in Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg gibt. Die langen Haare zum Dutt gebunden, gehalten von einem Haarband in Form einer Blume, dazu ein Ziegenbart, sowie ein weites Hemd. Viele Passanten würden ihn auf den ersten Blick bei den Grünen oder der Linken verorten.

Stattdessen macht Blume sein ganz eigenes Programm. "Mehr Geschmack im Gemüse" fordert er durch die Ausweitung des Mikrofarmings, die schwarze Mülltonne gehört aufgrund moderner Recyclingverfahren für ihn abgeschafft: "Nichts muss mehr verbrannt werden". Die Energieversorgung soll dezentralisiert werden und eine Nationaldenkmalschutzbehörde hat seiner Meinung nach über deutsche Erinnerungsorte zu wachen. Dazu will Blume mehr Bäume gepflanzt sehen für ein besseres Stadtklima, das Lehramt soll abgeschafft werden. Und vor allem sollen die Länder der Dritten Welt mehr beachtet werden.

Parteiprogramme sind unbefriedigend

Wie kommt aber ein junger Mann dazu, sein eigenes Wahlprogramm auszuarbeiten? "Ich bin politisch interessiert und habe verschiedene Ideen zur Gestaltung unserer Zukunft“, erklärt Blume. "Gute Inhalte und Lösungen für dringende Probleme finde ich aber häufig nicht in den Parteiprogrammen wieder. Deshalb war es mein Anliegen, bestimmte Punkte zu fordern."

Wie zum Beispiel den Ausbau der Solartechnik. "Die Solarzelle kostet nur noch ein Euro pro Watt“, so Blume. "Das ist richtig billig, bei Eigenmontage könnte ein Haushalt auf vier Euro Stromrechnung pro Monat kommen ohne in irgendeiner Form abspecken zu müssen. Darauf will ich aufmerksam machen." Man merkt Blume die Begeisterung für seine Interessensgebiete an.

"Nur die Stellen, die mich interessieren"

Stellt sich wiederum die Frage, woher der gebürtige Leipziger sein Wissen bezieht. Blume hat Informatik studiert und arbeitet mittlerweile für eine gemeinnützige Organisation an Berliner Schulen. "Ich benutze verschiedene Quellen im Internet und lese viele Artikel aus Fachzeitschriften, aber nur in seriösen Quellen", betont er. "Ich lese mir auch Dissertationen durch.“ Nach ein paar Augenblicken ergänzt Blume: "Natürlich nur die Stellen, die mich interessieren."

Rechnet sich Blume als parteiloser Einzelbewerber aber tatsächlich Chancen aus? Immerhin hat er viel Zeit und Geld in den Wahlkampf gesteckt. Plakate entworfen und aufgehängt, Flyer gedruckt, eine Homepage ins Netz gestellt und Videos dafür gedreht. "Es wird wohl eine Überraschung werden", sagt Blume. "Mich freut es, wenn die Leute meine Flyer entgegen nehmen und manchmal kommt es sogar vor, dass mich die Menschen später wiedererkennen. Gefühlt ist es mittlerweile jeder zweite, dem ich im Wahlkampf begegne. Einige sagen auch, dass sie gut finden, was ich mache."

"Ich will versöhnend agieren"

Falls ein Wunder geschieht und Blume in den Bundestag einzieht, hat er schon konkrete Vorstellungen. Als Parteiloser will er sich möglicherweise einer der anderen Fraktionen anschließen, um im Petitionsausschuss mitarbeiten zu können und damit mit den Bürgern in seinem Wahlkreis in engem Kontakt zu bleiben. Die harte Auseinandersetzung ist seine Sache nicht: "Mein politisches Anliegen ist es, ein bisschen mehr Positives und Konstruktives in die politische Diskussion reinzubringen, statt sich immer zu doll zu streiten. Ich will versöhnend agieren, das Spalterische geht mir eher auf den Keks."

Berlin Friedrichshain – Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost ist der umstrittenste Wahlkreis in Deutschland. Neben den Kandidaten der großen Parteien trifft Blume auch auf anderweitige Konkurrenz. Mit dem Kabarettisten Serdar Somuncu will die Satireformation "Die Partei" hier ebenfalls ein Direktmandat holen.

"Ich finde das süß"

Auf Somuncu, der nur selten seinen Wahlkreis heimsucht, ist Blume bislang noch nicht bei seinen Wahlkampftouren gestoßen, auf zahlreiche andere Kandidaten schon. Cansel Kiziltepe von der SPD hat Blume seine Forderungen erklären können, berichtet er. Die Reaktion der Mitbewerberin war laut Blume eindeutig: "Ich finde das süß".

Falls die Berliner Wähler das ebenso sehen, hat Sebastian Blume möglicherweise eine Chance am 24. September. Den Bürgern in seinem Wahlbezirk möchte er auf dem Stimmzettel Orientierung bieten: "Ich bin auf Zeile 27 zu finden."

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