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Attentat auf Wolfgang Schäuble: Warum saß der CDU-Politiker im Rollstuhl?


CDU-Politiker saß im Rollstuhl
Wie sich Wolfgang Schäuble für seinen Attentäter einsetzte


Aktualisiert am 27.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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Wolfgang Schäuble nach dem Attentat auf ihn im Jahr 1990. (Quelle: imago stock&people via www.imago-images.de)

1990 war das Schicksalsjahr für Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker wurde Opfer eines Attentats. Zuvor hatte er sich für den Täter eingesetzt.

Mehr als 30 Jahre lang saß Wolfgang Schäuble im Rollstuhl. An seiner beispiellosen politischen Karriere sollte ihn das nicht hindern. Schäuble bekleidete hohe Staatsämter und saß so lang wie kein anderer Politiker als Abgeordneter im Bundestag. Mehr über sein Leben lesen Sie hier.

Doch warum war Schäuble eigentlich auf seinen Rollstuhl angewiesen? Die Antwort auf diese Frage geht auf den 12. Oktober 1990 zurück – den Tag, der das Leben des CDU-Politikers nachhaltig prägen sollte.

Attentat im Wahlkampf

Schäuble nahm an jenem Freitag an einem Wahlkampftermin im Gasthaus "Brauerei Bruder" im badischen Oppenau teil. Der damalige Innenminister unter Bundeskanzler Helmut Kohl galt als Zukunft der CDU, sollte "Kronprinz" Kohls werden. In der Gaststätte in seinem Wahlkreis hatte er eine gut anderthalbstündige Rede zum Bundestagswahlkampf 1990 gehalten und war bereits auf dem Weg zum Ausgang. Dann fielen Schüsse.

Um 22.04 Uhr schoss ein Mann in einer schwarzen Lederjacke aus einem Revolver von hinten auf den damals 48-jährigen Schäuble. Die erste Kugel traf den Politiker rechts am Kopf und zerstörte seinen Kiefer. Der zweite Schuss traf Schäuble etwa 20 Zentimeter tiefer, das Projektil durchschlug den dritten Brustwirbelkörper. Reste des Geschosses verblieben im Rückenmarkskanal.

Video | Ein Leben für die Politik: Wolfgang Schäuble ist tot
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Quelle: dpa

Der Attentäter schoss noch ein drittes Mal – da war jedoch Schäubles Leibwächter Klaus-Dieter Michalski zur Stelle. Er versuchte, dem Angreifer die Waffe aus der Hand zu schlagen und wurde dabei selbst getroffen. Die Kugel verletzte ihn an der Hand und Bauchwand.

Attentäter wähnte sich als Opfer einer Verschwörung

Nach der Tat konnten Leibwächter den Schützen namens Dieter Kaufmann bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Kaufmann hatte sich vor der Tat als Drogendealer verdingt und mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen. Nachdem er in Spanien mit 20 Kilogramm Haschisch erwischt wurde, setzte sich Wolfgang Schäuble als Abgeordneter des Wahlkreises, aus dem Kaufmann kam, dafür ein, dass der spätere Attentäter seine Haft in Deutschland verbringen konnte. 1988 wurde Kaufmann in Freiheit entlassen.

Bei der Vernehmung des Schützen wurde der Polizei schnell klar, dass Kaufmann nicht schuldfähig war. Er weihte die Beamten in seine geheimen Erkenntnisse ein: Ihnen zufolge wurden die Bürger "elektrischen Wellen" und "Lauttechnik" ausgesetzt, um sie zu foltern; außerdem würden ihnen "elektrolytisch erhebliche Schmerzen" zugefügt, unter anderem "im Zwölffingerdarm und im Kopf". Kaufmann sagte weiter aus, "der Staat" habe "auch versucht, mich sexuell zu erregen". Einer der Drahtzieher dieser vermeintlichen staatlichen Repression war aus Sicht von Kaufmann Wolfgang Schäuble.

Im Prozess wurde Kaufmann aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie für schuldunfähig erklärt und auf unbefristete Zeit in eine Klinik eingewiesen, aus der er im Jahr 2004 entlassen wurde. Er starb schließlich 2019 im Alter von 65 Jahren.

Schäuble-Attentäter nutzte Jagd-Munition

Ein grausames Detail des Attentats war die Munition, die Dieter Kaufmann für seinen Angriff verwendete. Er hatte seinen Revolver der Marke Smith & Wesson mit sogenannter Fangschussmunition geladen. Diese wird eigentlich von Jägern verwendet, um angeschossenes Wild aus nächster Nähe zu töten.

Schäuble brach am Tatort unter einem Plakat zusammen, das seinen Auftritt in dem Gasthaus ankündigte. Rettungskräfte brachten den in Lebensgefahr schwebenden CDU-Politiker umgehend in die Universitätsklinik Freiburg. Dort kämpften sie die ganze Nacht um sein Leben.

Der CDU-Mann überlebte, blieb jedoch von diesem Tag an sein Leben lang vom dritten Brustwirbel abwärts gelähmt. Seitdem war der Politiker, der trotz seiner körperlichen Einschränkung die deutsche Politik nachhaltig prägen sollte, auf seinen Rollstuhl angewiesen. Lesen Sie hier, was eine Querschnittslähmung für Betroffene bedeutet.

Altkanzler Kohl besuchte Schäuble noch im Krankenhaus

Dass Schäuble den Angriff überhaupt überstand, wurde nach dem Attentat auf die gute körperliche Verfassung des damaligen Bundesinnenministers zurückgeführt. Schäuble sei in weit besserer Konstitution als manch anderer Politiker gewesen, weil er sich stets körperlich betätigt habe, schrieb der "Spiegel" rund eine Woche nach dem Attentat. Der damals 48-Jährige "hat sich, von Jugend an, nebenbei immer sportlich betätigt – als Bergwanderer, Radfahrer, Tennisspieler und Mittelfeldspieler in der Fußballmannschaft des Deutschen Bundestages", berichtete das Nachrichtenmagazin.

Im Krankenhaus besuchte ihn schon einen Tag nach dem Attentat der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl. "Hier lernt man das Beten", erklärte Kohl damals. Beide Männer sollen damals bei dem Treffen mit den Tränen gekämpft haben.

Nicht das einzige Attentat im Wahlkampf 1990

Der Politiker ließ sich von dem Anschlag auf sein Leben nicht beirren. Nach seiner Genesung nahm er die politische Arbeit wieder auf. Von 1991 bis 2000 hatte er den Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag inne. Zwischen 1998 und 2000 war er CDU-Vorsitzender. Von 2005 an bis 2017 begleitete er als Bundesinnenminister und Bundesfinanzminister in drei Legislaturperioden die Kanzlerschaft Angela Merkels, danach war er Präsident des Deutschen Bundestags. Schäuble verstarb am 26. Dezember 2023. Mehr zum Leben von Wolfgang Schäuble lesen Sie hier.

Das Attentat auf Wolfgang Schäuble war übrigens nicht das einzige im Bundestagswahlkampf von 1990. Am 25. April jenen Jahres wurde der damalige Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine, Opfer eines Messerangriffs in Köln. Eine geistig verwirrte Frau attackierte den Politiker mit einem Fleischermesser. Auch Lafontaine überlebte.

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