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Mit Gabriel ändert sich der Ton im Auswärtigen Amt


Künftiger Außenminister
Mit Gabriel ändert sich der Ton im Auswärtigen Amt

spiegel-online, Severin Weiland

25.01.2017Lesedauer: 4 Min.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein Nachfolger in spe Sigmar Gabriel während einer Sitzung des Bundeskabinetts.Vergrößern des BildesAußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein Nachfolger in spe Sigmar Gabriel während einer Sitzung des Bundeskabinetts. (Quelle: dpa-bilder)
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Sigmar Gabriel verzichtet auf die SPD-Kanzlerkandidatur und wechselt vom Wirtschafts- ins Außenministerium. Das könnte die Tonlage in der Außenpolitik verändern.

Der Coup sorgte auch im Auswärtigen Amt für Aufsehen. Sigmar Gabriels Verzicht auf die Kanzlerkandidatur zugunsten von Martin Schulz und den sogleich angekündigten Wechsel vom Wirtschaftsministerium auf den Platz des Chefdiplomaten am Werderschen Markt hatte kaum jemand auf der Rechnung.

Intern waren im Amt in den vergangenen Wochen drei personelle Optionen zur Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier durchgespielt worden: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, Ex-EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und - eher sehr theoretisch - eben auch Sigmar Gabriel. Wie die meisten politischen Beobachter rechneten die Diplomaten zuletzt mit: Martin Schulz.

Gabriel wird nun zumindest bis zum Herbst dieses Jahres die außenpolitischen Geschicke der Republik führen, bis zur Bundestagswahl. Am Freitag schon soll er im Parlament in seinem neuen Amt vereidigt werden, seinen bisherigen Posten im Wirtschaftsministerium übernimmt SPD-Kollegin Brigitte Zypries. So hat es Fraktionschef Oppermann in einem Schreiben an die SPD-Abgeordneten angekündigt.

Ein Wechsel der Charaktere

Mit Gabriel dürfte ein neuer Tonfall ins Auswärtige Amt einziehen. Der transatlantische Koordinator der Bundesregierung, Jürgen Hardt (CDU), kommentierte den Wechsel mit einer ironischen Wendung: "Die diplomatischen Fähigkeiten sind uns bisher zwar verborgen geblieben, ich bin aber sicher, dass er auch in diesem Feld reüssiert."

Der Wechsel zu Gabriel ist auch ein Wechsel der Charaktere und Politikstile: Statt des abwägenden und diplomatisch agierenden Frank-Walter Steinmeier, der am 12. Februar durch die Bundesversammlung zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden soll, schlüpft mit dem bisherigen Vizekanzler nun ein forscher SPD-Politiker in die Rolle des Chefdiplomaten.

Gabriel ist ein Sozialdemokrat, der robust seine Meinungen vertritt und den Streit nicht scheut. Das kann im politischen Geschäft manchmal dienlich sein. Die Kehrseite sind oft einsame Entscheidungen, mit denen er seine Partei wiederholt überraschte.

Wird das auch für den Außenminister Gabriel gelten?

Zuletzt hatte er als Wirtschaftsminister vor und auf Auslandsreisen mitunter das offene Wort gepflegt, nicht immer zur Freude Steinmeiers - mit dem er ein distanziertes und schwieriges Verhältnis pflegt. Vor seiner Iran-Reise im Sommer vergangenen Jahres hatte er "Spiegel Online" ein Interview gegeben, in dem er unter anderem gefordert hatte, Teheran solle das Existenzrecht Israels anerkennen.

"Ein normales, freundschaftliches Verhältnis zu Deutschland wird erst dann möglich sein", sagte Gabriel. Inhaltlich war er damit zwar auf der Linie der Bundesregierung, aber die unverblümte Wortwahl sorgte vor allem in den konservativen Kreisen der Führung im Iran für Verstimmung. Und auch im Auswärtigen Amt runzelte mancher die Stirn, hielt sich aber mit Kommentierungen zurück. Was folgte, war eine von diplomatischen Verstimmungen überschattete Reise. Irans Parlamentspräsident sagte ein Treffen mit Gabriel ab; der oberste Justizchef des Landes erklärte, er hätte "solch einer Person nicht erlaubt, ins Land zu kommen".

In Erinnerung blieb auch Gabriels Besuch in Ägypten. Nachdem er mit dem Staatsoberhaupt und früheren General Abdel Fattah el-Sisi gesprochen hatte, sagte er in der anschließenden Pressekonferenz einen Satz, der in Deutschland für Diskussionen sorgte: "Ich finde, Sie haben einen beeindruckenden Präsidenten." Prompt wurde ihm von der Opposition in Deutschland unterstellt, sich mit dem autoritären Präsidenten gemein gemacht zu haben. Dabei hatte er sich intern gegenüber el-Sisi für mehr Meinungsfreiheit und für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt.

Herausforderung und Wagnis

Gabriels Wechsel ins neue Amt ist Herausforderung und Wagnis zugleich: Auf dem neuen Posten kann er sich als Garant der europäischen Idee profilieren. Problematisch dürfte es werden, wenn Gabriel im Wahlkampf das Amt nutzt, um sich von Angela Merkel auch außenpolitisch abzusetzen. In Erinnerung bleibt, wie er sich als Umweltminister im Bundestagswahlkampf 2009 an der Kanzlerin der damaligen Großen Koalition abarbeitete. Er warf Merkel vor, sich "an die Macht zu schleichen", kritisierte ihre Atompolitik.

Mit dem Außenamt wird eine solche Gangart schwerlich zu vereinbaren sein. Interner Streit in der Regierung kann sich auf dem diplomatischen Parkett rasch zu kleineren oder auch größeren Krisen auswachsen. Gabriel selbst sagte am Dienstagabend, jedes "Vibrieren" in der deutschen Außenpolitik führe zu erdbebenartigen Ausschlägen in anderen Teilen Europas. Heißt: Er will sich mit Merkel abstimmen.

Daran wird er nun gemessen werden, die Aufgaben sind groß. Gabriel (und Merkel) stehen außenpolitisch schwierige Zeiten bevor: der Brexit, die Wahlen in Frankreich, die Ukraine-Krise, die EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland.

Und schließlich ist mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump ein Mann auf die internationale Bühne getreten, dessen außenpolitischen Ziele weitgehend im Dunkeln liegen. Berlin muss versuchen, mit der neuen Regierung in Kontakt zu kommen. Gut möglich, dass Gabriel den voraussichtlich neuen US-Außenminister Rex Tillerson Mitte Februar auf dem G-20-Außenministertreffen in Bonn kennenlernt. Es wird ein erster Testfall sein. "Wir müssen uns warm anziehen", hatte Gabriel nach der Inaugurationsrede von Trump erklärt.

Ob solche markanten Sätze künftig auch von einem Außenminister Gabriel zu hören sind?

Welche Rolle er im neuen Amt einnehmen wird, wie er die Themen angeht und kommuniziert - das wird eine der spannenden Fragen in den kommenden Monate sein. Immerhin hat er nun ein Amt, dessen Minister die Deutschen mögen - meistens. Steinmeier jedenfalls kam zuletzt auf hohe Popularitätswerte in den Umfragen. Weit vor der Kanzlerin.

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