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Kanzleramtsneubau: Nicht nur Olaf Scholz baut sich für Hunderte Millionen ein Domizil


Viel Steuergeld
Nicht nur der Kanzler baut sich ein Millionen-Domizil

  • Johannes Bebermeier
  • Annika Leister
Von Johannes Bebermeier, Annika Leister

08.04.2023Lesedauer: 6 Min.
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Gut 800 Millionen Euro teuer: Der Anbau des Kanzleramts inklusive Helikopterlandeplatz.Vergrößern des Bildes
Gut 800 Millionen Euro teuer: Der Anbau des Kanzleramts inklusive Helikopterlandeplatz. (Quelle: Schultes Frank Architekten)

Der "Protz-Bau" von Olaf Scholz steht in der Kritik. Doch die Erweiterung des Kanzleramts ist nur eines von vielen Großprojekten des Bundes. Für die Steuerzahler wird es richtig teuer.

Es waren deutliche Worte des Finanzministers, gerichtet an seinen Chef: "Entbehrlich" sei der teure Erweiterungsbau des Kanzleramts, sagte Christian Lindner Mitte März, in Zeiten von mehr Homeoffice und "ortsflexiblem Arbeiten". Der Kanzler werde "missvergnügt" sein, dass er das sage. "Aber das ist mein Job!"

Seitdem liefern sich das Kanzleramt und das Finanzministerium Wortgefechte. Und mancher fragt sich: Müssen Bürogebäude der Bundesregierung wirklich so groß und teuer sein?

Denn die Erweiterung des Kanzleramts ist nur eines von vielen Bauprojekten, die der Bund gerade in Berlin und dem zweiten Regierungssitz Bonn plant. Wieder andere sind längst in Bau. Manchmal, um Ersatz zu schaffen für alte Gebäude, oft aber schlicht, um die zusätzlichen Mitarbeiter unterzubringen, die der Bund in seinen Ministerien und Ämtern einstellt.

Denn es werden immer mehr: Allein in der letzten Amtsperiode Angela Merkels kamen im Kanzleramt und den Bundesministerien 2.500 Stellen hinzu, sodass mehr als 25.000 Mitarbeiter direkt für die Regierung arbeiteten. Und als wäre das nicht längst genug, macht die Ampelkoalition genau da weiter: Schon in ihrem ersten Regierungsjahr genehmigte sie sich mehr als 700 weitere Beamtenstellen.

Mehr Leute heißt für den Berliner und Bonner Behördenapparat noch immer mehr Büros. Selbst wenn der Bauplatz knapp ist. Selbst nachdem die Coronapandemie das Arbeiten drastisch verändert hat. Und selbst wenn sonst immer gesagt wird, es müsse gespart werden.

Die Liste der Bauprojekte ist deswegen lang – und teuer: Mindestens 2,1 Milliarden Euro sind nach Recherchen von t-online derzeit verplant. Hinzu kommen weitere geplante Großbauten, deren Kosten noch nicht offen kommuniziert werden.

Trotzdem halten bislang alle Häuser, die neu bauen wollen, an ihren Projekten fest, wie t-online erfahren hat. Obwohl in vielen Fällen nicht mal ganz klar ist, wer in den Büros eigentlich arbeiten soll. An den Planungen haben die hitzigen Diskussionen um die Erweiterung des Kanzleramts jedenfalls nichts geändert.

Scholz will bauen, Lindner zweifelt

Der schon jetzt geräumige Amtssitz von Kanzler Olaf Scholz soll weiter wachsen. Ein halbrundes, sechsstöckiges Bürogebäude und weitere Gebäude sind auf der gegenüberliegenden Seite der Spree geplant, so hatte es schon Angela Merkel beschlossen.

Entstehen sollen hier unter anderem 400 Büros, eine Kantine, eine Kita, neun Wintergärten, eine 250 Quadratmeter große neue Wohnung für den Kanzler sowie ein Hubschrauberlandeplatz in 23 Metern Höhe. Eine zusätzliche Fußgängerbrücke soll die Erweiterung mit dem eigentlichen Dienstsitz verbinden. Und das alles für rund 800 Millionen Euro.

Einen "Protz-Bau" nannte die "Bild" das Projekt kürzlich, und eben auch der Bundesfinanzminister zweifelte an Sinn und Zweck. Scholz nicht, er will die Erweiterung haben. Bis 2028 sollen die neuen Gebäude stehen.

Doch auch für Christian Lindners Bundesfinanzministerium ist ein Erweiterungsbau geplant. Er würde ebenfalls enorme Summen verschlingen: Für 600 bis 800 Millionen Euro soll er Mitarbeiter aus sechs verteilten Gebäuden am Ministeriumssitz in der Wilhelmstraße zusammenführen. Ob die Erweiterung auch wirklich kommt? Das stellte Lindner nun zumindest infrage.

Sind die Pläne damit aber auch wirklich vom Tisch? Man wird sehen, heißt es dazu sinngemäß aus dem Finanzministerium. "Im Zuge der aktuellen Haushaltsverhandlungen werden alle Vorhaben der Bundesregierung auf ihre Darstellbarkeit im Bundeshaushalt überprüft", sagte ein Sprecher t-online. "Dies umfasst auch die Prüfung der Vorhaben des Bundesfinanzministeriums."

Die Prüfungen liefen allerdings noch, heißt es. Zugleich appelliert das Finanzministerium an die anderen Ressorts der Bundesregierung: Alle Planungen "aus der Zeit vor der Pandemie" sollten "sinnvollerweise überprüft" werden.

Ein Übergangsquartier für den Bundespräsidenten

Dazu zählt mit dem Schloss Bellevue auch der Dienstsitz des Bundespräsidenten. Der wird inklusive des nahegelegenen Verwaltungsgebäudes grundsaniert. Frank-Walter Steinmeier und seine Mitarbeiter müssen währenddessen raus, so sehen es die Planungen vor, für mindestens fünf Jahre.

Vorerst wird deshalb nur für die Zwischennutzung des Stabs des Bundespräsidenten neu gebaut. Auf rund 9.700 Quadratmetern Nutzfläche sollen 160 Büros mit 240 Arbeitsplätzen entstehen. Inklusive repräsentativer Empfangsräume und einer Küche, die die Staatsgäste des Bundespräsidenten bewirten soll.

Knapp 113 Millionen Euro sind bisher im Bundeshaushalt 2023 für das Projekt vorgesehen. Es dürften noch einige Millionen mehr werden. Das zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, das BBR, will die Gesamtkosten in diesem Frühjahr veröffentlichen.

Was das Amt nicht beantworten kann, ist die Frage, wer eigentlich in die neuen Büros einziehen soll, wenn der Bundespräsident wieder im Schloss Bellevue sitzt. Durch die "zentrale Lage im Regierungsviertel" sei eine Nachnutzung durch "oberste Bundesbehörden" vorgesehen, heißt es nur. Sprich: Irgendein Ministerium wird die Büros schon brauchen können.

Deutlich eindeutiger ist das Bundesamt, wenn es darum geht, ob der Bau wegen der Sparbemühungen der Bundesregierung hinterfragt worden sei: "Ein Stopp des Projekts stand nicht zur Debatte."

Mehr Platz fürs Umweltministerium

Aus dem Umweltministerium hingegen heißt es zumindest, dass regelmäßig geprüft werde, ob die Neubaupläne "neu bewertet werden müssen". Bislang lautet das Urteil jedoch: nicht wirklich. Ab dem Frühjahr 2024 soll eine Erweiterung für das Ministerium gebaut werden. Kosten: rund 240 Millionen Euro.

Das Stammhaus an der Stresemannstraße in der Nähe des Potsdamer Platzes bietet dem Ministerium zufolge trotz "Doppel- und Mehrfachbelegungen" inzwischen zu wenig Arbeitsplätze. Deshalb sollen nebenan auf 29.600 Quadratmetern Nutzfläche Büroplätze entstehen. Im Großraum, neudeutsch "Open-Space-Bereich", soll "ein modernes, flexibles Arbeiten mit Mehrfachbelegung" möglich werden.

Wie sich das für das Umweltministerium gehört, soll der Neubau eine Vorbildrolle beim nachhaltigen Bauen einnehmen. Bis 2027 soll ein Gebäude in Holzhybrid-Bauweise entstehen, das die bestmögliche Zertifizierung im Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen erreichen soll: Gold. In die Fassade integrierte Fotovoltaik-Paneele sind da nur ein Bestandteil.

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Allein für die Mitarbeiter des Umweltministeriums wäre der Bau dann aber doch etwas zu groß. Geplant ist, dass auch Mitarbeiter des Abgeordnetenhauses von Berlin dort arbeiten sowie weitere "noch nicht festgelegte Nutzer". Dem Ministerium zufolge könnten das Angestellte anderer Ministerien sein. Wer genau? Das ist auch bei diesem Bau noch unklar.

Mega-Campus in der alten Hauptstadt

Bei einem weiteren Großprojekt plant man schon fleißig, obwohl offenbar noch nicht mal klar ist, wie viele Arbeitsplätze benötigt werden: Für die Mitarbeiter des Gesundheits-, des Arbeits- und Landwirtschaftsministeriums in Bonn sollen auf einem Gelände im Stadtteil Duisdorf nach bisherigen Plänen gleich zwölf Neubauten errichtet werden. Auch andere Bundesbehörden, die zurzeit noch zur Miete wohnen, könnten "künftig" dort untergebracht werden, heißt es vom BBR.

Der "Behördencampus Rochusstraße" soll um Gebäude herum wachsen, die bereits von den Ministerien genutzt werden. Insgesamt sollen so auf 90.000 Quadratmetern neue Büros entstehen. Das Projekt ist damit eines der größten in Planung – und wegen seines Standorts Bonn vielleicht eines der absurdesten. Schließlich wollte die damalige Bundesbauministerin Barbara Hendricks 2015 die teure Pendelei zwischen alter und neuer Hauptstadt noch beenden und alle Ministerien nach Berlin verlegen.

Davon kann jetzt nicht mehr die Rede sein. Der Rahmenplan, der die Neubauten inklusive Dachbegrünung und Fotovoltaik vorsieht, wurde bereits vom Rat der Stadt Bonn beschlossen. Das BBR aber betont, der Bebauungsplan sei noch in Arbeit. Die Zahl der Neubauten und die Größe der neuen Büroflächen würden sich daraus sowie aus den "noch zu aktualisierenden Behördenbedarfen" ergeben.

Ähnlich hält man es bei den Kosten, nicht einmal eine Schätzung will das BBR bislang nennen. Bei der gewaltigen Fläche dürfte der Bau aber kaum unter einem dreistelligen Millionenbetrag zu realisieren sein.

Immerhin: Da die Planung noch in den Kinderschuhen steckt und die Bedarfe unklar sind, könnte es hier Potenzial geben, zu verkleinern. Sofern die Verantwortlichen auf die Mahnungen des Finanzministers hören wollen.

Kostenexplosion beim neuen Besucherzentrum

Bei einem anderen Projekt hat die Politik vielleicht gar nicht mehr die Wahl, sondern ist zur Umplanung gezwungen. Dem neuen Besucherzentrum für den Bundestag droht nach jahrelanger Planung das Aus.

Schon jetzt explodieren die Kosten des Projekts, dessen Baustart eigentlich für 2025 avisiert war. Ursprünglich sollte es 150 Millionen Euro kosten, inzwischen schätzt das BBR die Kosten auf 200 Millionen Euro. Tendenz steigend.

Denn wie die "Berliner Zeitung" zuletzt berichtete, muss die Planung grundlegend überprüft und vielleicht ganz verworfen werden. Der Grund: Die Glasfassaden des Baus erfüllen nicht die Vorgaben für Energieeffizienz.

Eigentlich soll der Bau aus Glas und Säulen die wenig ansprechenden Container ersetzen, in denen Besucher zurzeit empfangen werden. Das neue Besucherzentrum sieht neben Eingangsbereich und Sicherheitskontrollen auch Seminarräume und Gastronomie vor. Über einen Tunnel soll das Gebäude mit dem Bundestag verbunden werden, inklusive Lichtinstallation des dänischen Künstlers Olafur Eliasson.

Das war's noch lange nicht

Am Ende der Liste kostspieliger Bauprojekte ist man aber auch damit noch nicht angelangt. So soll etwa an der Berliner Wilhelmstraße der Südteil des sogenannten Postblocks bebaut werden, wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die BImA, auf Nachfrage von t-online mitteilt.

In direkter Nähe zu Lindners geplantem Neubau soll laut Ausschreibung für die Architekten bis 2030 ein weiteres Ministerialgebäude mit rund 26.000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen. Kosten: rund 200 Millionen Euro. Aber für wen wird da eigentlich gebaut? "Ein endgültiger Nutzer steht zurzeit noch nicht fest", heißt es von der BImA.

Noch dazu sind viele bestehende Bauten der Ministerien marode und müssen dringend saniert werden. Auch das wird teuer: Mit einer Kostenobergrenze von rund 98 Millionen Euro wird etwa gerade ein Gebäude des Bundesarbeitsministeriums in der Berliner Taubenstraße saniert.

Und ausgerechnet das Haus von Bundesbauministerin Klara Geywitz muss grundlegend energetisch auf Stand gebracht werden. Laut BImA muss das Gebäude deswegen komplett geräumt werden. Eine Bleibe für die Zwischenunterbringung ist noch nicht gefunden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an die Ministerien, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung sowie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
  • Bundeshaushalt 2023
  • brr.bund.de: Bauprojekte in Planung und Wettbewerb
  • tagesschau.de: Ampel will 758 zusätzliche Beamtenstellen
  • stern.de: Droht neuer Ampel-Zank? Finanzminister Lindner hält geplanten Anbau des Kanzleramtes für "entbehrlich"
  • tagesschau.de: Lindner stellt Neubau für Finanzministerium infrage
  • berliner-zeitung.de: Kostenexplosion beim Bau des Bundestagsbesucherzentrums
  • wettbewerbe-aktuell.de: Neubau eines Bundesministeriums und eines Wohnungsbaus auf dem Postblockareal Süd
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