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Neue Nationale Sicherheitsstrategie in Deutschland: Das ändert sich nun


Neue Nationale Sicherheitsstrategie
Das ändert sich nun für die Menschen in Deutschland

Von Patrick Diekmann

14.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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"Frieden und Freiheit fallen nicht vom Himmel": Die Koalition stellt die neue Sicherheitsstrategie vor. (Quelle: Reuters)

Deutschland hat nun eine Nationale Sicherheitsstrategie, die das Land besser vor nationalen und internationalen Krisen schützen soll. Aber was steckt in dem Papier? Ein Überblick.

Endlich. Nach langem Hin und Her hat sich die Bundesregierung auf eine Nationale Sicherheitsstrategie geeinigt. Für Deutschland ist es das erste Papier dieser Art und es kommt in einer Zeit, in der die inneren und äußeren Bedrohungen wachsen: Russlands Ukraine-Krieg, ein drohender Konflikt mit China, Terror, politischer Extremismus oder die Klimakrise, durch die Naturkatastrophen wie Dürren, Brände oder Hochwasser häufiger auftreten werden.

Die Bundesregierung hat viele Monate um Antworten gerungen, doch am Mittwoch haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und drei weitere Ministerinnen und Minister die neue Strategie vorgestellt. Baerbock sagte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, "dass Frieden und Freiheit nicht vom Himmel fallen". Die Herausforderungen für die Sicherheit Deutschlands zögen sich durch alle Lebensbereiche.

Aber wird die vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie diesen Ansprüchen gerecht? Ein Überblick:

Warum brauchte Deutschland eine Nationale Sicherheitsstrategie?

Es herrscht große Unruhe in der Welt. Pandemien, Naturkatastrophen durch die Klimakrise und Kriege haben auch Auswirkung auf das Zusammenleben in Deutschland. Für die Bundesrepublik ging es bei der Ausarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie um die Widerstandskraft der deutschen Gesellschaft. Es geht um Energiesicherheit, dass Deutschland weiter mit Medikamenten versorgt wird und um militärische Aspekte, etwa wie die Bundesrepublik zur Sicherheit in Europa und im Nato-Bündnis beitragen kann.

Allgemein will die Bundesregierung mit einer "Politik der Integrierten Sicherheit" auf die Herausforderungen einer instabiler werdenden Weltordnung reagieren. Dafür sei die neue Nationale Sicherheitsstrategie der Kompass, heißt es im Vorwort von Bundeskanzler Scholz. "Ihr Ziel ist klar: Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu wahren und unseren Beitrag zur Sicherheit Europas zu leisten."

Was steckt in der Sicherheitsstrategie?

Die Themen des Papiers sind vielfältig. Sie reichen von der Landes- und Bündnisverteidigung über den Schutz von technischen Infrastrukturen und die Cyber- und Weltraumsicherheit bis hin zur Rohstoff-, Energie- und Ernährungssicherheit.

Weitere Kernbereiche sind die Zivilverteidigung und der Bevölkerungsschutz, die Entwicklungspolitik, der Schutz vor fremder Einflussnahme und Spionage sowie der Umgang mit der Klimakrise und mit Pandemien. Einbezogen werden sollen Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger. Besonderen Fokus legt die Bundesregierung auch auf die Sicherheit von Lieferketten in einer globalisierten Welt.

Demnach sollen vor allem viele nationale Akteure in ein Sicherheitskonzept eingebunden werden. Aber auch internationale Absprachen dienen der deutschen Sicherheit. Die Strategie werde "nur funktionieren, wenn wir sie europäisch und transatlantisch verankern", betonte Baerbock. "Denn das macht uns stark." Ein sicheres und handlungsfähiges Europa und eine starke Nato bedeuteten auch, dass die Fähigkeiten unter den Verbündeten interoperabel seien müssten und miteinander wirken könnten. Auch die Zusammenarbeit mit Ländern in Afrika müsse gestärkt werden.

"Oberste Aufgabe deutscher Sicherheitspolitik ist es sicherzustellen, dass wir in unserem Land im Herzen Europas auch künftig in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können", heißt es in dem Papier. Dazu bekenne sich Deutschland unverrückbar zur Nato und EU und stärke die Bundeswehr, indem im langjährigen Durchschnitt zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investiert würden. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung solle gegen illegitime Einflussnahme verteidigt, die Abhängigkeit bei Rohstoffen und Energie durch Diversifizierung der Lieferbeziehungen abgebaut werden.

Trotzdem bleibt Deutschland auch auf Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen. Scholz betont, die Sicherheitsstrategie müsse auch dafür sorgen, dass Deutschland damit weiter sicher und dauerhaft versorgt werde. Dabei müsse es eine enge europäische Zusammenarbeit mit den Förderländern geben. Er lobte in diesem Zusammenhang ein Abkommen der EU mit Chile zum Abbau von Lithium, das festlegt, dass die erste Verarbeitungsstufe des Rohstoffs in Chile vollzogen werde. Im Übrigen könne es hierbei nicht nur um eine Zusammenarbeit mit Demokratien geben.

Was bedeutet das für die deutsche Bevölkerung?

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie soll die Sicherheit in Deutschland steigern und gleichzeitig möglichst viele Menschen in das Konzept einbinden. Das heißt: Es geht erst einmal darum, in der deutschen Bevölkerung ein Bewusstsein für die Gefahren zu fördern, um gesellschaftlich eine größere Widerstandsfähigkeit herzustellen.

Das übergeordnete Ziel des Papiers ist auch, dass in Krisenfällen keine Panik entsteht und damit Notlagen noch verschlimmert werden können. Die Botschaft der Bundesregierung: Deutschland ist vorbereitet. Das heißt, dass in Katastrophenfällen Alarmketten funktionieren sollen und dass Ernstfälle in unterschiedlichen Bereichen auch trainiert werden müssen.

Es geht aber auch darum, dass die Menschen in Deutschland ein Stück weit zur Sicherheit des ganzen Landes beitragen können. Zum Beispiel beim Sparen von Rohstoffen wie Wasser, fossilen Brennstoffen oder bei der individuellen Sicherheit im digitalen Raum. Dabei geht es auch für Unternehmen darum, ihre Betriebsgeheimnisse sicherer zu machen, vor allem vor chinesischen und russischen Hackern.

Baerbock sprach von einer Sicherheitsstrategie "unserer gesamten Gesellschaft". Denn viele Maßnahmen, etwa die IT-Sicherheit öffentlicher Einrichtungen, müssten vor Ort getroffen werden. Die Innenministerinnen und Innenminister der Länder hatten in den vergangenen Monaten mehrfach vergeblich eine Beteiligung an der Erarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie eingefordert.

Was bedeutet das für die Bundeswehr?

Die Bundesregierung setzt auf eine Stärkung der Bundeswehr. Man werde "sich entschlossen gegen jede militärische Aggression oder Einschüchterungsversuche gegen uns oder unsere Verbündeten zur Wehr setzen", heißt es in dem Grundsatzpapier. "Die Bundeswehr bleibt der Garant für die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands."

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Zu einer wirksamen Verteidigung gehöre eine glaubhafte Abschreckung mit dem Ziel zu verhindern, dass es überhaupt zu einer bewaffneten Auseinandersetzung komme, heißt es in dem Papier. Das transatlantische Bündnis müsse in der Lage und entschlossen sein, allen militärischen Bedrohungen entgegentreten zu können – nuklear, konventionell, aber auch in der Cyberverteidigung und hinsichtlich der Bedrohungen, die sich gegen deutsche Weltraumsysteme richten. Und: "Solange es Nuklearwaffen gibt, ist der Erhalt einer glaubwürdigen nuklearen Abschreckung für die Nato und für die Sicherheit Europas unerlässlich."

Integrierte Sicherheit erfordere Investitionen "in unsere Zukunft". "Im Lichte der Zeitenwende müssen wir dabei in besonderem Maße in unsere Wehrhaftigkeit und Verteidigungsfähigkeiten investieren. Zunächst auch durch das neu geschaffene Sondervermögen Bundeswehr werden wir im mehrjährigen Durchschnitt unseren Zwei-Prozent-BIP-Beitrag zu den Nato-Fähigkeitszielen erbringen", heißt es in der Strategie. Die Bundesregierung werde ihre militärische Präsenz im Bündnisgebiet zum Schutz der Partner weiter ausbauen und verstetigen, auch um als "militärischer Anlehnungspartner" dienen zu können.

Was fehlt in der Nationalen Sicherheitsstrategie?

Über das mehr als 70 Seiten starke Papier war monatelang beraten worden. Im Zuge dessen gab es auch ein Kompetenzgerangel zwischen dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt. Der Nationale Sicherheitsrat, der zunächst angedacht war, fehlt nun in dem Papier. Das habe auch damit zu tun, dass sich Scholz und Baerbock über dessen Führung nicht einig waren, munkelt man in Berlin.

Insgesamt ist die Strategie ein sehr analytisches Dokument, das die Bedrohungen für Deutschland benennt. Unklar bleibt, wie die Absichten der Bundesregierung zur Stärkung der deutschen Sicherheit strukturell und institutionell umgesetzt werden sollen. Gleiches gilt für die Finanzierung. Es fehlt außerdem eine China-Strategie, die die Bundesregierung noch nachreichen möchte. Bemängelt wird auch, dass die Bundesländer in die Entwicklung des Papiers nicht einbezogen wurden.

Auch der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat Zweifel an der Umsetzung geäußert. "Der entscheidende und der schwierigste Punkt ist regelmäßig nicht die Erarbeitung eines Dokuments, sondern seine Umsetzung", sagte Ischinger am Mittwoch im Deutschlandfunk. In einer Dreierkoalition wie jetzt im Bund werde eine gemeinsame Umsetzung "vermutlich auf der Strecke bleiben".

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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