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CDU in Hessen: Wer steckt hinter dem Erfolg?


Erfolg der CDU in Hessen
Wie haben sie das geschafft?

Von Sara Sievert

19.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Der Newcomer: Ministerpräsident Boris Rhein hat sich mit seinem Wahlerfolg in Hessen auch bundespolitisch Relevanz verschafft. Wie ist das gelungen? (Quelle: IMAGO/Eibner-Pressefoto/Florian Wiegan/imago)

In Hessen wurde die CDU glanzvoll wiedergewählt. Die Partei konnte sich deutlich verbessern und hat kaum an die AfD verloren. Dahinter stecken eine klare Strategie, ein adaptiver Kandidat – und ein Mann im Hintergrund.

Manfred Pentz lässt seinen Blick kurz durch den Raum schweifen. Dann streicht er das Sakko seines grauen Anzugs glatt, setzt sich aufrecht hin und verzieht die Mundwinkel zu einem feinen Lächeln. "Das ist doch ganz erfreulich gelaufen", sagt er – und genießt.

Pentz ist Generalsekretär der CDU in Hessen. Eigentlich ein lauter Job. In Politkreisen sagt man "Wadenbeißer" dazu. Einer, der mit steilen Thesen vorprescht, damit der Chef sich dann ausgleichend äußern kann. Aber: Pentz ist gar nicht laut. Im Gegenteil. Der Mann, der maßgeblich für den Erfolg der CDU in Hessen verantwortlich ist, wirkt eher zurückhaltend. Er arbeitet im Hintergrund, schmiedet Pläne, zieht Strippen. Dass die Lorbeeren am Ende kaum ihm, sondern vor allem seinem Ministerpräsidenten zukommen, scheint Pentz nicht zu stören.

Er sieht die Zahlen. Ist zufrieden. Sein Plan ist aufgegangen.

Pentz war im Wahlkampf Schlüsselfigur

Bei der Landtagswahl in Hessen hat die CDU 34,6 Prozent geholt. Damit hat Boris Rhein nicht nur die Wahl gewonnen, es ist ihm und seiner Partei auch gelungen, das Ergebnis im Vergleich zum letzten Mal (2018) deutlich zu verbessern (um 7,6 Prozent). Die Christdemokraten gewannen haufenweise Wählerinnen und Wähler von anderen Parteien hinzu, vor allem bei den Frauen konnten sie sich verbessern (von 28 auf 35 Prozent). Sie konnten Nichtwähler heranziehen und verloren kaum an die AfD. Gerade mal 2.000 Stimmen verloren sie an die in Teilen rechtsextreme Partei. Im Vergleich: von der SPD wanderten 20.000 Wählerinnen und Wähler zur AfD.

Das sind Zahlen, von denen die Union im Bund derzeit nur träumen kann. Obwohl die Unzufriedenheit mit der Ampel permanent wächst, verharren CDU und CSU fast konstant bei maximal 30 Prozent in den Umfragen. Und das seit fast zwei Jahren. Profiteur der Krise ist stattdessen die AfD. So dürfte der eine oder andere im Konrad-Adenauer-Haus am Abend der Landtagswahl fast sehnsüchtig nach Hessen geblickt haben. Was macht die CDU dort besser?

Zu den Schlüsselfiguren, die diese Wahl entschieden haben, gehört Manfred Pentz. Sein Erfolg lässt sich an drei Punkten skizzieren:

1. Die Kampagne: klarer Unterschied zu Volker Bouffier

Seit fast zehn Jahren ist Pentz Generalsekretär. Die meiste Zeit unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Ein auf Zahlen und Analysen basierter Wahlkampf? Wäre lange undenkbar gewesen. Wer Bouffier kennt, weiß, dass der CDU-Grande eher der Typ "aus dem Bauch heraus" ist.

Dabei hätte die CDU in Hessen eine Wähleranalyse längst bitter nötig gehabt. Das schwache Ergebnis bei der Landtagswahl 2018 löste ein starkes Beben in der gesamten Partei aus. Es war die Spätphase des Machtsystems Angela Merkels.

Aus Fehlern und Versäumnissen kann man lernen. Für diese Hessen-Wahl nahm Pentz sich früh eine Agentur. Mit der Hilfe von Polit-Strategen wurden Zahlen gesammelt. Das Ziel: neben den Stammwählerinnen und Stammwählern sollten Kernzielgruppen und Potenziale ermittelt werden. "Wir haben die Wahl gewonnen, weil es gelungen ist, deutlich über unsere Stammwählerschaft hinaus neue Potenzialwähler zu gewinnen", sagt Pentz. Ein rein konservatives Profil reiche nicht mehr aus. Die CDU müsse konservativ bei Innerer Sicherheit sein, progressiv in gesellschaftspolitischen Fragen und liberal, wenn es um Wirtschaft gehe.

Bevor die Opposition sich Themen suchen konnte, setzte die CDU sie also nach Potenzialen selbst. Bereits im März wurden die Funktionäre bei einer Klausur der Landespartei in Fulda auf den Fahrplan eingeschworen. Das Ergebnis: SPD und Grüne kamen nicht mehr hinterher.

2. Der Kandidat: möglichst "langweilig", bitte

Als es um die Nachfolge von Bouffier ging, dachte Pentz schnell an Boris Rhein. Die beiden kennen sich aus der Jungen Union. Sie verstehen sich gut, haben ein Vertrauensverhältnis. Zumal Pentz lange dabei ist. Er konnte im richtigen Moment dabei helfen, seinen Kandidaten in Stellung zu bringen. Rhein zeigte sich wiederum offen für eine "moderne" Herangehensweise im Wahlkampf. Weniger Bauchgefühl, mehr Zahlen und Analysen.

"Ein zentraler Erfolgsfaktor einer Kampagne ist, dass sich alle Beteiligten konsequent an die Strategie und den Plan halten", sagt Pentz. Das heißt übersetzt auch: Der Kandidat Boris Rhein hat im Wahlkampf nicht impulsiv gehandelt, hielt sich an den Fahrplan der Strategen. Er hat nicht gepatzt oder mit kontroversen Aussagen polarisiert. Sich nicht in Talkshows wichtiggemacht. Seit seinem Amtsantritt blieb der Ministerpräsident weitestgehend in Hessen, hielt sich bei bundespolitischen Debatten zurück, machte keine größeren Fehler. Das mag langweilig gewirkt haben. Am Ende hat es aber dazu geführt, dass die Wählerinnen und Wähler der CDU eine hohe Kompetenz zuschrieben und sich Stabilität von ihr erhofften.

3. Die Krise: nicht die klassische Anti-Ampel-Kampagne

Und wie kann es sein, dass weder Friedrich Merz noch Markus Söder von der Ampel-Krise profitieren – Rhein aber schon? Ganz einfach: während die beiden Parteivorsitzenden die Regierung kritisieren und damit indirekt auf das Konto der AfD einzahlen, verspricht der hessische Ministerpräsident den Wählerinnern und Wählern, sie vor der Ampel zu schützen.

So hat Markus Söder im bayerischen Landtagswahlkampf etwa jede seiner Reden mit Ampel-Bashing unterfüttert und damit eine Unzufriedenheit bei der Bevölkerung befeuert. Gleichzeitig gehen Protestwähler in der Regel nicht zur CSU. (Gleiches gilt für die CDU.) Sie gehen zur AfD. Während die CSU zwar auf Platz, jedoch bei einem schwachen Ergebnis blieb, gewann die AfD dazu.

Rhein empfahl sich eher als Schutzschild. Nach dem Motto: Ihr wollt das Ampel-Chaos nicht in Hessen? Dann muss die CDU stark genug sein, um euch davor schützen zu können.

Der Plan ging auf. Rhein schürte zwar Sorge vor einer möglichen Regierung aus SPD, Grünen und FDP in Hessen, schaffte es aber zeitgleich, die eigene Partei zum Profiteur dieser Sorge zu machen. Man muss jedoch dazusagen, dass es gewiss auch eine Rolle spielte, dass die Ampel in Hessen eine reelle Option war, während sie in Bayern nie zur Debatte stand.

Die Methode "Hau drauf" zieht nicht mehr

Am Ende haben viele, jedoch vor allem diese drei Kernfaktoren zu dem erfolgreichen Ergebnis, dem "Wunder von Wiesbaden", für die CDU geführt.

Zur Wahrheit gehört auch, dass diese Art von Wahlkampf weder von Rhein noch von Pentz erfunden wurde. Ähnlich verlief es schon bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Hendrik Wüst erreichte 2022 35,7 Prozent, Daniel Günther kam im selben Jahr sogar auf 43,4 Prozent. Beide Spitzenkandidaten sind vom Typ ähnlich wie Rhein. Auch die Wahlkämpfe verliefen weniger nach der Methode "Hau drauf", sondern vielmehr strategisch, fast lautlos.

Ein Modell, das für die CDU zu funktionieren scheint. Womöglich auch im Bund? Vermutlich ist es so, wie Pentz sagt: Es funktioniert nur, wenn "alle Beteiligten" mitmachen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • www.ndr.de: Ergebnis Landtagswahl 2022
  • www.wdr.de: Ergebnis Landtagswahl 2022
  • www.hessenschau.de: Ergebnis Landtagswahl 8.Oktober 2023
  • www.manfred-pentz.de
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