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Ampel-Haushalt 2023 und 2024: Schafft die Regierung es noch?


Ampel in der Haushaltskrise
Sparen, bis es quietscht?


Aktualisiert am 23.11.2023Lesedauer: 6 Min.
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Berlin: Christian Lindner und Robert Habeck im Bundestag.Vergrößern des Bildes
Von einer Ampel-Krise in die nächste: Kabinettskollegen Lindner (l.) und Habeck im Bundestag. (Quelle: IMAGO/Frederic Kern)

Für 2023 will die Ampel die Schuldenbremse schnell noch einmal aussetzen. Wie aber geht es mit dem Haushalt fürs kommende Jahr weiter?

So schnell wie er kam, war er wieder verschwunden. Nur 70 Sekunden dauerte das Statement des Finanzministers am Donnerstagnachmittag. Doch länger brauchte Christian Lindner (FDP) auch nicht, um die Bombe platzen zu lassen:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde die Bundesregierung einen Nachtragshaushalt für 2023 vorlegen. Im Klartext: Die Ampel wird auch für das laufende Jahr die Notlage erklären, um – zum vierten Mal in Folge – die Schuldenbremse auszusetzen.

Kommenden Mittwoch wolle er im Kabinett den Entwurf für einen entsprechenden Etat einbringen, so Lindner. Und weiter: Erst dann, wenn man "einen verfassungsrechtlich gesicherten Zustand" für das Jahr 2023 habe, könne man auch über den Etat 2024 sprechen.

Video | Lindner kündigt Nachtragshaushalt für 2023 an
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Quelle: reuters

Sparen, bis es quietscht?

Damit schwinden die Chancen, dass die Ampel es noch dieses Jahr schafft, einen verfassungskonformen Haushalt für das nächste Jahr aufzustellen. Die Zeit wird knapp – und noch immer sind viele Fragen offen zu den vielen Milliarden Euro, die der Ampel nach dem Karlsruher Urteil fehlen:

Sparen, bis es quietscht? Noch einmal ein neues Sondervermögen auflegen, vielleicht eines, das wie jenes für die Bundeswehr im Grundgesetz verankert wird? Oder auch für 2024 die Notlage erklären, um die Schuldenbremse abermals auszusetzen?

Vieles erscheint angesichts der prekären Finanzlage denkbar. Was die Sache besonders kompliziert macht: Noch immer ist offenbar gar nicht klar, um wie viel Geld es exakt geht.

Größe des Finanzlochs weiter unklar

Beispiel Klima- und Transformationsfonds (KTF): Allein aus diesem Geldtopf, der erst zur Beschwerde der Union beim Verfassungsgericht geführt hatte, sollten laut Plan nächstes Jahr rund 57 Milliarden Euro fließen. Zur Förderung der Elektromobilität zum Beispiel und für den Umstieg von Gasheizungen auf Wärmepumpen. Diesen avisierten Ausgaben stehen dabei erwartete Einnahmen in Höhe von rund 20 Milliarden Euro gegenüber, nämlich die Einkünfte aus der CO₂-Bepreisung. Selbst mit dem 9-Milliarden-Euro-Zuschuss aus der globalen Mehreinnahme des Bundes ergibt das auf dem Papier eigentlich einen Fehlbetrag in Höhe von rund 28 Milliarden Euro.

Aber: Aus Erfahrung weiß man, dass die 57 Milliarden kaum komplett abgerufen und ausgegeben werden. Im vergangenen Jahr wurde gerade einmal die Hälfte des Geldes abgerufen. Bliebe es bei einer solchen Rate, kommen die Einkünfte aus den CO₂-Zertifikaten in der veranschlagten Höhe zustande, bräuchte es nach dieser Rechnung keine Extra-Milliarden für die grünen Subventionen.

Ähnlich hin und her rechnen lässt sich auch beim geschlossenen Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) . Aus dem hätten im nächsten Jahr – unter anderem für die Energiepreisbremsen – rund 20 Milliarden Euro fließen sollen. Hinzu kommen einige weitere Geldtöpfe, etwa der Hilfsfonds für die Ahrtal-Flut.

Wie groß das Loch im Haushalt tatsächlich ist, lässt sich deshalb kaum mit letzter Gewissheit sagen. Keiner will sich festlegen, auch aus dem Finanzministerium war zuletzt lediglich zu hören, es gehe um eine zweistellige Milliardensumme.

Zwei Wege zum Haushalt 2024

Die Folge dieser Ungewissheit: Um alles durchzurechnen und um mögliche Einsparungen zu verhandeln, braucht die Ampelkoalition Zeit. Je nachdem, wie viel, kommt es zu einem von zwei Szenarien.

1. Die Last-Minute-Aktion

Theoretisch möglich, praktisch aber sportlich: Das Rechnen und Beraten geht flott über die Bühne, sodass der Haushaltsausschuss in der Sitzungswoche zwischen dem 11. und 15. Dezember noch einmal zusammenkommt. Dann müsste es ganz schnell gehen: Für die Abstimmung im Bundestag blieben dann nur noch wenige Tage, ebenso für die Diskussion im Bundesrat.

Damit das alles aber klappt, müsste wahrscheinlich die Frist verkürzt werden, die es normalerweise zwischen der Beratung im Bundestag und in der Länderkammer braucht. Oder aber der Bundesrat träfe sich zwischen den Feiertagen zu einer Sondersitzung.

Beides erscheint zumindest politisch unwahrscheinlich. Denn der Bundesrat beklagt schon seit einer Weile, dass die Ampel immer mehr Gesetze im Eilverfahren durchpeitscht und den Bundesländern zu wenig Zeit für eine sorgfältige Prüfung lässt. Dieses Szenario hängt also vor allem an der Frage, ob die unionsregierten Länder bei dem Schnellverfahren mitmachen und ihre Zustimmung im Bundesrat geben. Davon ist kaum auszugehen.

2. Die Wir-lassen-uns-Zeit-Option

Die aktuell wahrscheinlichere Variante: Weil der Bundesrat ohnehin kaum zu einer Sondersitzung zwischen den Feiertagen zusammenkommen würde, lässt sich die Ampel mit den Beratungen Zeit. In diesem Fall würde der Haushalt nicht wie geplant noch in diesem Jahr beschlossen, sondern womöglich erst Anfang Januar.

Die Folge: Die Bundesregierung würde voraussichtlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung ins neue Jahr starten. Im Rahmen eines solchen Nothaushalts bekäme das FDP-geführte Finanzministerium viel Macht, weil es über die Ausgaben der anderen Ministerien maßgeblich mitentscheiden dürfte – was wiederum den Ministerien, die die Grünen und Sozialdemokraten führen, kaum gefallen dürfte. Der reguläre Etat würde dann vermutlich sehr schnell verabschiedet, um den Nothaushalt zügig zu beenden.

Verunsicherung in der Kanzlerpartei

So oder so, wie schnell das Ganze über die Bühne gebracht werden kann, hängt vor allem davon ab, wie kompromissfähig sich die beteiligten Akteure verhalten.

Und hier stehen die Vorzeichen nicht eben günstig. Denn wie passt Lindners Auftritt zu den Äußerungen des Kanzlers, der in der Sondersitzung der SPD-Fraktion am Mittwochabend die Genossen darauf ansetzte, den Etat 2024 noch in diesem Jahr zu beschließen?

In der Kanzlerpartei herrschte deswegen auch am Donnerstag maximale Unruhe. "Es ist alles in der Schwebe, wir wissen gerade gar nichts", sagt eine Sozialdemokratin hinter vorgehaltener Hand. Die angeschlagene Stimmung ist verständlich, für die SPD geht es jetzt um alles. Je enger der Zeitplan wird, desto energischer werden die Warnungen vor den möglichen Folgen einer Etatverschiebung.

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz mahnt trotz Lindners Ansage am Donnerstag eindringlich, dass der Bundeshaushalt 2024 noch in diesem Jahr verabschiedet wird. "Wir müssen alles dafür tun, nicht in eine vorläufige Haushaltsplanung abzurutschen. Das Land erwartet das von uns, zu Recht!"

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"Wir haben die Lage im Griff"

Ukraine-Krieg, Klimakrise, Inflation, die Lage im Nahen Osten – das alles verunsichere die Bevölkerung zutiefst, sagt Schwarz. "Daher müssen wir den Menschen Zuversicht und Stabilität geben und signalisieren: Wir haben die Lage im Griff."

Dass der Eindruck im Land aber gerade ein ganz anderer ist, weiß natürlich auch Schwarz. Für das Gelingen ihres verwegenen Plans, den Etat 2024 noch in diesem Jahr über die Ziellinie zu bringen, sind die Genossen zudem auf die Opposition angewiesen. Der SPD-Politiker appelliert daher an die Union, auf den letzten Metern keine zerstörerischen Manöver zu planen.

"Wenn wir es noch schaffen, rechtzeitig einen soliden Haushalt aufzustellen, muss auch die Union im Bundesrat mitziehen", so Schwarz. "CDU/CSU tragen hier eine staatspolitische Verantwortung."

Debatte um Schuldenbremse

Letztere jedoch schienen am Donnerstag vornehmlich mit sich selbst und mit einer viel grundsätzlicheren Frage beschäftigt zu sein, nämlich der nach einer Reform der Schuldenbremse insgesamt: Nachdem Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz zuletzt keinerlei Spielraum für ein Abrücken von der Schuldenregel signalisiert hatte, wagte sich am Mittag der erste CDU-Ministerpräsident eines Bundeslandes aus der Deckung, das von der nun scharfen Auslegung des Verfassungsgerichts selbst betroffen ist:

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) brachte ins Spiel, mit der Ampelkoalition über eine Reform der Schuldenbremse zu reden. Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form sei "gefährlich" und müsse deswegen reformiert werden, so Wegner im "Stern".

Das Karlsruher Urteil habe deutlich gemacht, "wie investitionshemmend die derzeitige Schuldenbremse ist – angesichts von Megabedarfen etwa beim Klimaschutz, den bröckelnden Verkehrswegen [...] und dem nötigen Umbau unserer Energieversorgung".

Wegner weicht vom CDU-Kurs ab

Diese Vorgehensweise weicht vom bisherigen Kurs der CDU-Parteiführung ab, sich nicht darauf einzulassen, die notwendigen Unionsstimmen für eine Grundgesetzänderung bei der Schuldenbremse in Aussicht zu stellen. Dazu habe sich Parteichef Friedrich Merz in den vergangenen Tagen zu eindeutig positioniert, heißt es aus der Union.

Zugleich wird nach t-online-Informationen auch dort registriert, dass es einen Punkt geben kann, an dem sich die Regierungskrise zu einer Staatskrise auswächst und die Union dann nicht einfach beiseitestehen kann. Für diesen Fall und eine Einladung des Kanzlers an Merz zu einem Treffen würde der CDU-Parteichef allerdings mit einem großen Paket an Bedingungen vorstellig werden.

Ganz oben auf Merz' Wunschzettel: die Abkehr vom Bürgergeld und der Kindergrundsicherung, aber auch Konzessionen bei der Migration wie die Rückkehr zur Drittstaatenregelung sowie eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer. Ob die Ampel bereit ist, solch schmerzhafte Kompromisse einzugehen, erscheint derzeit allerdings fraglich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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