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Bauern-Demo in Berlin: "Wir wollen das Agrargesetz wieder auf Null setzen“


Proteste in Berlin
Ministerin ausgepfiffen: Bauern zeigen Wut – und Argumente

  • Saskia Leidinger
Aus Berlin berichtet Saskia Leidinger

Aktualisiert am 26.11.2019Lesedauer: 3 Min.
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Ein Trecker vor dem Brandenburger Tor in Berlin: Tausende Bauern haben in Berlin gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestiert.Vergrößern des Bildes
Ein Trecker vor dem Brandenburger Tor in Berlin: Tausende Bauern haben in Berlin gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestiert. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa-bilder)

In Berlin demonstrieren Tausende Landwirte lautstark gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung und sind sich einig: So kann es nicht weitergehen. Ministerin Svenja Schulze bekommt dies deutlich zu spüren.

Als Umweltministerin Svenja Schulze die Bühne betritt, ertönt ein gellendes Pfeifkonzert. Landwirte mit gelben Warnwesten stehen um eine kleine Bühne am Brandenburger Tor in der Kälte, einige haben sich auf ihren Treckern am Rand platziert, um besser sehen zu können. Denn zu sehen ist die Ministerin für die meisten Demonstranten nicht. Die Bühne ist zu niedrig.

Die Bauern sind nach Berlin gekommen, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. "Wir wollen das Agrargesetz wieder auf Null setzen", sagt Ökolandwirt Manfred Leberecht. Auch die Biobauern sehen sich in einer schlechten Lage und fahren deshalb mit ihren Traktoren durch Berlin und blockieren mit den meterhohen Maschinen den Touristen das Urlaubsfoto vor dem Brandenburger Tor.

Glyphosat nicht immer schlecht

Neben Trillerpfeifen tragen die meisten gelbe Warnwesten mit der Aufschrift "Ich bin Landwirt. Sprich mich an". Und wer das tut, trifft auf Bauern, die zwar wütend sind, im Gespräch dann aber doch sehr differenziert ihre Lage betrachten. Landwirt Reimke aus Friesland hat den Protest an diesem Dienstag mit einem Urlaub mit der Familie verbunden. Er beklagt die Verordnungen der Politik und sagt: "Wir sollen Sachen ausführen, die sich teilweise widersprechen."

So bedeute der Verzicht auf das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat gleichzeitig, dass der Boden vermehrt mit dem Pflug bearbeitet werden müsse. Das wiederum sei schlecht für die Lebewesen im Boden. "Mit dem Glyphosat ist es wie mit Medikamenten. Zu viele davon sind schädlich, aber richtig angewendet, können diese nützen", sagt Erin Giffhorn, die zusammen mit ihrem Mann einen Großbetrieb für Ackerbau und Damtierhaltung betreibt. Doch beide sind sich auch einig, dass Glyphosat nur auf brachliegende Äcker und nicht auf Kulturpflanzen gesprüht werden sollte.

"Landwirtschaft nicht aus Spaß"

Die Bauern sind nicht nur wütend auf die Politik, sondern beklagen auch das Verhalten der Verbraucher. Auf einem Schild steht in pinker Schriftfarbe geschrieben: "Heute gut gefrühstückt? Deine Bauern". "Die Volksabstimmung findet an der Ladenkasse statt und keiner kauft Bio", beklagt Heike Müller, die einen Hof in Mecklenburg-Vorpommern betreibt.

Das sieht auch Ökolandwirt Manfred Leberecht so. Schon jetzt seien die Preise für Ökoprodukte so stark gesunken, dass sie auf dem Niveau von konventioneller Landwirtschaft liegen und einige Molkereien weigern sich deshalb, Milch von Biobauern anzunehmen. Die Gewinnmarge sei zu klein. Heike Müller würde gerne umstellen, doch dafür müssten die Verbraucher die Produkte auch kaufen. "Wir machen Landwirtschaft mit Spaß, aber nicht Landwirtschaft zum Spaß", stellt sie klar.

Auch Mathias Löwer vom Landwirtschaftsdienstleister RinderAllianz ist zum Brandenburger Tor gekommen und beklagt die geringen Erträge. Die Produktion eines Liters Milch würde 45 Cent kosten. Deshalb müssten die Preise für Milch erhöht werden. Doch auch er sagt: "Wir sind alle daran schuld. Wir entscheiden beim Einkauf über den Preis."

Sorgen um die Zukunft

Neben den großen Maschinen haben die Bauern zahlreiche Spielzeugtraktoren am Fuß des Brandenburger Tors platziert. Daneben stehen einige Gummistiefel in Kindergröße. "Wir würden gerne später unseren Betrieb an unseren vierjährigen Sohn weitergeben, aber das sehen wir momentan nicht", sagt Reimke Tyedmers aus Friesland. Ein neuer Stall in Millionenhöhe müsse erst abbezahlt werden und ein Traktor koste so viel wie ein ganzes Haus, sagt der Vieh- und Landwirt.

Naturschutz mit Augenmaß

Und die Natur, die Umweltministerin Svenja Schulze mit den neuen Verordnungen zu schützen versucht? "Ich esse selber mein eigenes Getreide und ich will, dass dieses gut ist", sagt Landwirtin Erin Giffhorn, während sie neben den Spielzeugmaschinen steht. "Wir sehen uns als Umweltschützer auch für unsere nächste Generation."


Eines wird an diesem Protesttag am Brandenburger Tor deutlich: Die Bauern sind wütend und fühlen sich nicht wertgeschätzt. Doch beteuern alle, dass sie schon allein aus Eigeninteresse an Naturschutz interessiert und zu Gesprächen bereit seien.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
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