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Annegret Kramp-Karrenbauer: Merkels Zeichen an die Partei


Neue Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer
Merkels Zeichen an die Partei

Eine Analyse von Jonas Schaible

19.02.2018Lesedauer: 5 Min.
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Tauber, Merkel, Kramp-Karrenbauer: Nach dem leisen Merkelianer Tauber kommt die leise Merkelianerin Kramp-Karrenbauer. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die Kanzlerin holt ihre mögliche Nachfolgerin nach Berlin. Für die Konservativen ist sie eine Zumutung. Für Merkel könnte sie besonders wichtig werden, wenn es nicht nach Plan läuft.

Die kurze Suche nach einem neuen CDU-Generalsekretär – oder einer Generalsekretärin – verlief wie so viele Debatten über die CDU unter Merkel: Beobachter raunten etwas von Machtgefüge, Balance und Einbinden der innerparteilichen Gegner. Gerade weil Peter Tauber als zu leise und mittig kritisiert worden war, müsse jetzt ein Zeichen gesendet werden, ein Konservativer müsse her.

Wieder einmal machte der Name Jens Spahn die Runde, weil es so viele profilierte Konservative gar nicht gibt, und weil Spahn einer Liste zufolge, die am Tag der Einigung über einen Koalitionsvertrag kursierte, kein Ministerium abzubekommen scheint.

Die ersten Analysen tauchten auf, nun könne, müsse, werde aber wirklich die Zeit nach Merkel anbrechen.

Die Kanzlerin sendet ein Zeichen

Unterdessen, so berichtet es die "Süddeutsche Zeitung", hat sich Merkel schon seit Monaten still mit ihrer Wunschkandidatin ins Vernehmen gesetzt, ohne etwas zu lancieren: Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer soll den Job übernehmen.

Die Kanzlerin sendet damit wirklich ein Zeichen. Nur ein anderes, als viele dachten.

Ein Zeichen, dass in Deutschland noch immer Merkel-Zeit ist, dass deshalb die Dinge unverändert nach Merkel-Art laufen – und dass vieles auch nach ihrer Zeit so weitergehen soll.

Merkel hat offensichtlich keine gesteigerte Lust, die Partei in ein nach wie vor ziemlich undefiniertes Rechts zu schieben, nur weil einige wenige das laut fordern. Und sie versucht weiterhin, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen sie zusammenarbeiten möchte. Vor allem in wichtigen Positionen.

Zuletzt waren das etwa Thomas de Maizière, Ronald Pofalla und Peter Altmaier im Kanzleramt. Pofalla, Hermann Gröhe und Peter Tauber als Generalsekretäre. Volker Kauder leitet die Unionsfraktion schon seit Beginn ihrer Kanzlerschaft.

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Woran man auch sieht: Es geht Merkel nicht um Solidarität unter Frauen, sondern um Vertrauen unter Kollegen. Es war immer schon unwahrscheinlich, dass sie wirklich einen innerparteilichen Kritiker ins Konrad-Adenauer-Haus setzen würde.

Bald lenken zwei Frauen die Partei

Kramp-Karrenbauer dagegen ist schon lange als mögliche Nachfolgerin im Gespräch. Es ist kein Geheimnis, dass die Kanzlerin sie schätzt. Besonders für ihren Stil: Selbst als sie 2011 im ersten Wahlgang die Mehrheit als Ministerpräsidentin verfehlte, weil es in ihrer Koalition zwei Abweichler gab, reagierte sie unaufgeregt.

Für die Konservativen in der Parteispitze und an der Basis ist sie eine weitere Zumutung. Erstens, weil bald Parteivorsitz und Parteizentrale in der Hand von Frauen sind. Zweitens, weil Kramp-Karrenbauer aus der eher linken Saar-CDU der Kanzlerin inhaltlich nahe steht, ohne allerdings eine in der Wolle gefärbte Sozialdemokratin zu sein.

Sie hat Merkel nie dafür kritisiert, dass sie im Spätsommer 2015 Tausende Flüchtlinge nach Deutschland kommen ließ, sie lehnt eine Obergrenze ab, fordert aber auch eine von Deutschlands Interessen geleitete Steuerung von Zuwanderung und eine Altersüberprüfung bei womöglich minderjährigen Flüchtlingen. Mindestlohn und Frauenquoten hat sie immer unterstützt. Die Ehe für alle dagegen lehnt die Katholikin und dreifache Mutter ab, auch das Werbeverbot für Abtreibungen befürwortet sie. Wahlkampfauftritte türkischer Politiker untersagte sie.

Regierungsamt seit 18 Jahren

Erfahrung hat sie reichlich. Zu Hause im Saarland regiert sie schon so lange mit, wie Merkel Parteichefin ist: seit 18 Jahren.

Im Laufe der Zeit war sie, weil sie das Ressort wechselte oder sich der Zuschnitt änderte, als Ministerin unter anderem für Inneres, Frauen, Familie, Sport, Bildung, Kultur, Arbeit und Soziales zuständig – bevor sie 2011 als Ministerpräsidentin eine Jamaika-Koalition übernahm, weil Peter Müller sich zurückzog, um Richter am Bundesverfassungsgericht zu werden. Die Koalition löste sie auf. Das war riskant. Doch sie gewann die Neuwahl und formte eine große Koalition. Die setzte sie im vergangenen Jahr nach einem erneuten Wahlsieg fort.

Sie kann also regieren, Ministerien führen, sich in verschiedenste Sachthemen einarbeiten, sie ist für alle derzeit realistischen Bündnisse offen und gilt dabei als eher leise und zurückhaltend.

Jetzt, mit 55 Jahren, also Berlin. Man könnte sagen: Es gibt im Saarland nicht mehr viel zu tun, das sie nicht schon getan hätte. Man könnte also auch sagen: Es war an der Zeit. Auch wenn Kramp-Karrenbauer einiges riskiert.

Einarbeiten in die Partei

Offenbar sind sich Merkel und Kramp-Karrenbauer schon länger einig, dass sie nach Berlin kommt. Offenbar hatte sie selbst die Idee, erst einmal Generalsekretärin zu werden, nicht Ministerin, sagte Merkel.

Das überrascht auf den ersten Blick. Von der Ministerpräsidentin zur Generalsekretärin – das klingt nicht sofort wie ein Karrieresprung. Auf den zweiten Blick hat die neue Konstellation viele Vorteile. Für Kramp-Karrenbauer und für Merkel.

Im Kabinett wäre Kramp-Karrenbauer, die in Berlin neu ist, extrem unter Beobachtung, noch stärker als jetzt. Ein Bundestagsmandat hat sie nicht, deshalb fehlt ihr der Draht in die Fraktion. Daran kann sie derzeit nichts ändern. Nun aber sitzt sie immerhin in der Parteizentrale und kann sich dort in Ruhe ein Hauptstadtnetzwerk aufbauen, bevor sie womöglich wirklich nach einem Ministeramt oder dem Parteivorsitz strebt.

Im Fall von Neuwahlen wäre sie besonders wichtig

Sollte die SPD-Basis einer Koalition zustimmen und das Bündnis vier Jahre halten, kann sich Kramp-Karrenbauer in Ruhe einarbeiten – und als Hausherrin im Konrad-Adenauer-Haus die vielfach geforderte inhaltliche Neuausrichtung steuern und ordnen. Jemand wie Jens Spahn hätte von dort aus versuchen können, die Partei weiter nach rechts zu schieben und unabhängig von der Kabinettsdisziplin die Debatte vor sich herzutreiben.

Das kündigte Kramp-Karrenbauer gleich an: Sie plane eine "Grundsatzdebatte", um den Kurs der kommenden zehn Jahre zu entwerfen, sagte sie. Dabei gehe es um einen Dialog mit der Basis. Inhaltlich sagte sie, es wäre falsch zu fragen, "wo ist im Moment der Zeitgeist", stattdessen müsse man den Menschen ein "Angebot als demokratische Partei der Mitte" machen. Wo Markus Söder die "demokratische Rechte" ansprechen will, spricht Kramp-Karrenbauer von einer "Volkspartei der Mitte". Das heißt klar: nicht nach rechts rücken, nicht das Ressentiment befördern, kein Anbiedern an AfD-Wähler.

Sollte der aktuelle Plan schiefgehen, sollte also die Regierungsbildung doch noch scheitern, könnte Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin sogar noch wichtiger werden. Sie selbst wäre nicht direkt betroffen, sondern hat erst einmal einen sicheren Posten in Berlin.

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Im Fall von Neuwahlen würde sie die Kampagne leiten, den Wahlkampf organisieren – und könnte so verhindern, dass die Parteirechten die Gelegenheit nutzen, um die Partei vom Merkelismus wegzurücken.

Fürs Erste ist damit klar: Einen Rechtsschwenk der CDU wird es nicht geben, solange Merkel ihn verhindern kann. Und Kramp-Karrenbauer wird tatsächlich als Nachfolgerin aufgebaut.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Lebenslauf auf der Seite der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • Bericht der "Süddeutschen Zeitung"
  • dpa
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