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Kims Langstreckenraketen angeblich einsatzbereit


Krisen & Konflikte
Kims Langstreckenraketen angeblich einsatzbereit

spiegel-online, Von Markus Becker

31.05.2013Lesedauer: 4 Min.
Einsatzfähig oder nicht? Kims Raketenarsenal gibt der Welt noch immer Rätsel aufVergrößern des BildesEinsatzfähig oder nicht? Kims Raketenarsenal gibt der Welt noch immer Rätsel auf
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Berechtigter Alarm oder Alarmismus? Eine Präsentation der US-Luftwaffe stellt Nordkorea als brandgefährlich dar: Raketen, die bisher nur bei Paraden auftauchten, sollen schon einsatzbereit sein, Atomsprengköpfe binnen fünf Jahren. Experten vermuten dahinter ein Manöver der US-Atomwaffenlobby.

Das Dokument ist dramatisch aufgemacht: Bunte Grafiken sollen illustrieren, wie das US-Atomwaffenarsenal seit dem Ende des Kalten Krieges zusammenschmilzt, während überall in der Welt neue Gefahrenherde entstehen. Atomwaffentests in Indien und Pakistan, Raketenstarts in Nordkorea und Iran, markiert mit großen, roten Explosionen. Bedrohungen, wohin man schaut.

Interessant wird es dort, wo die Präsentation weltweite Programme zur Modernisierung und Entwicklung von Atomwaffen auflistet. Nordkorea entwickelt demnach mit der KN-08 eine neue Interkontinentalrakete und außerdem den atomwaffenfähigen Marschflugkörper KN-09.

Zudem seien die Mittelstreckenrakete "Musudan" und die Interkontinentalrakete "Taepodong-2" bereits bei der Truppe eingeführt - und in nur fünf Jahren werde Pjöngjang über einen nuklearen Sprengkopf verfügen. Sollte das stimmen, stünde Nordkorea unmittelbar davor, die Westküste der USA mit Atomwaffen treffen zu können.

Der Autor des brisanten Dokuments ist James Kowalski, Kommandant des Air Force Global Strike Command (AFGSC), das für das Atomarsenal der US-Luftwaffe verantwortlich ist. Der Rüstungsexperte Hans Kristensen von der Federation of American Scientists hat die Präsentation Anfang Mai auf der Luftwaffenbasis Barksdale im US-Staat Louisiana erhalten - von Kowalski persönlich, wie Kristensen auf Anfrage mitteilte.

Raketen interessiert nicht, was sie transportieren

Ob es stimmt, was Kowalski über Nordkoreas Fähigkeiten behauptet, ist allerdings fraglich. Kristensen etwa hat in dem Dokument eine ganze Reihe von Fehlern und Merkwürdigkeiten entdeckt, "die Fragen über die Qualität der zugrunde liegenden Informationen aufwerfen". Auch andere Experten sind skeptisch.

So wurde die "Musudan" nach offiziellen Erkenntnissen der US-Geheimdienste noch nie erfolgreich getestet. Dennoch erhält sie in dem Kowalski-Dokument das Attribut "fielded" ("im Feld") - genauso wie etwa die russische SS-27-Interkontinentalrakete, die 1997 in Dienst gestellt wurde und deren Funktionsfähigkeit außer Frage steht.

Die Interkontinentalrakete KN-08, die laut Kowalski in den nächsten fünf Jahren "im Feld" sein soll, tauchte im Mai 2012 bei einer Parade in Pjöngjang auf - und entpuppte sich als schlecht gemachte Attrappe.

Der Münchner Raketenfachmann Markus Schiller interpretiert den Begriff "fielded" so, dass eine Rakete "einsatzbereit auf dem Feld steht und den Knopfdruck erwartet". Bei der "Taepodong-2" sei es allerdings sicher, dass dies nicht der Fall ist. Für die "Musudan" gelte "höchstwahrscheinlich" das Gleiche.

Dass eine Rakete "atomwaffenfähig" ("nuclear capable") sei, sage zudem lediglich aus, dass sie theoretisch einen Atomsprengkopf tragen könnte. "Binden Sie stattdessen ein Klavier drauf, ist sie 'piano capable'", meint Schiller. "Die Rakete interessiert es nicht, was sie transportiert, Hauptsache es ist leicht genug."

Ob man eine funktionierende Atomwaffe habe, hänge dann vom Gefechtskopf ab, nicht von der Rakete. Allerdings ist Nordkorea nach Einschätzung westlicher Geheimdienste noch weit davon entfernt, einen Atomsprengkopf zu besitzen - geschweige denn einen, der leicht und kompakt genug ist, um auf eine Rakete zu passen.

Berechtigte Warnung oder politischer Schachzug?

Der AFGSC-Bericht lässt Nordkorea dagegen als Staat erscheinen, der zur nuklearen Gefahr für die USA wird. Dass laut dem Dokument auch China einen neuen atomwaffenfähigen Marschflugkörper für den Start von Bombern eingeführt haben soll, erscheint da fast schon nebensächlich. Was aber treibt das AFGSC, immerhin eines der Hauptkommandos der US-Luftwaffe, zu dermaßen brisanten Behauptungen?

Kristensen vermutet dahinter den Versuch, auf die Debatte über die Modernisierung des US-Atomwaffenarsenals Einfluss zu nehmen. Washington will in den kommenden Jahren Hunderte Milliarden Dollar in die Instandhaltung und Verbesserung seiner Nuklearwaffen investieren.

Allein in die in Deutschland stationierten Atombomben sollen rund sechs Milliarden Dollar investiert werden. Auffällig daran: In dem AFGSC-Bericht wird das US-Programm mit keiner Silbe erwähnt. "Die offizielle Begründung würde vermutlich lauten, dass es eben nicht in den kommenden fünf Jahren abgeschlossen wird", sagt Kristensen.

In größere Geheimdienstberichte, etwa das "National Intelligence Estimate", fließen die Erkenntnisse mehrerer oder gar aller Nachrichtendienste der USA ein. Bei dem AFGSC-Dokument handele es sich dagegen "nur um die Einschätzung einer Organisation", so Kristensen. Dennoch müssten die Unklarheiten und Fehler darin nicht bedeuten, "dass alles falsch sein muss". Und immerhin handele es sich um ein offizielles Dokument eines Hauptkommandos der U.S. Air Force. "Es hat dadurch ein gewisses Gewicht."

Zudem zeige der Bericht, wie groß die Bemühungen in aller Welt seien, alte Atomwaffen zu modernisieren oder neue zu bauen. Von der Abschaffung aller Nuklearwaffen, wie sie US-Präsident Barack Obama in seiner Prager Rede 2009 ins Auge gefasst hat, sei man weit entfernt. Schuld daran seien im Übrigen nicht nur die offiziellen Atomwaffenstaaten, meint Kristensen - sondern auch Länder, die zwar über keine eigenen Arsenale verfügen, aber gern unter den Schutzschirm der USA schlüpfen.

Diese Staaten trügen dazu bei, dass die Arsenale modernisiert statt verkleinert oder gar abgeschafft werden. "Das sind nicht selten die gleichen Länder, die in großen Reden die nukleare Abrüstung fordern", sagt Kristensen. "Und dazu gehört eindeutig auch Deutschland."

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