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SPD-Politiker Philipp da Cunha: Was redet der für einen Stuss?


Tagesanbruch
Was redet der für einen Stuss?

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 14.07.2023Lesedauer: 6 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Der SPD-Landespolitiker Philipp da Cunha muss beißenden Spott über sich ergehen lassen.Vergrößern des Bildes
Der SPD-Landespolitiker Philipp da Cunha muss beißenden Spott über sich ergehen lassen. (Quelle: Jens Büttner/dpa)

Schönen guten Morgen zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie hier heute Morgen begrüßen zu dürfen und Ihnen die wichtigsten Themen des Tages vorzustellen. Wie Sie wissen, hat unsere Redaktion diesbezüglich schon vor Monaten die Weichen gestellt, um die notwendigen Vorbereitungen einer guten Lösung zuzuführen. Ich freue mich daher sehr, dass es gelungen ist, mit allen Beteiligten Einigkeit herzustellen und die für eine zuträgliche Berichterstattung erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.

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Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Verantwortlicher kann ich Ihnen versichern, dass wir keine Mühen gescheut haben, um die Herausforderungen in angemessener Weise zu adressieren. Und da nun sicher die Frage aufkommt, was das konkret bedeutet, kann ich Ihnen versichern: Wir haben die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in Zeiten wie diesen keine Kleinigkeit und alles andere als selbstverständlich, weshalb ich sehr, sehr froh und dankbar bin, dass alle Beteiligten geholfen haben, diese sehr, sehr wichtige Aufgabe zu bewerkstelligen. Da ich nun abermals die Frage höre, worum es hier überhaupt geht, darf ich Ihnen versichern: Alle erforderlichen Maßnahmen wurden eingeleitet. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Na, noch da? Uff, ich dachte, Sie hätten schon weggeklickt. Hätte ich Ihnen nachgesehen, wer will schon am frühen Morgen solchen Wortsalat aufgetischt bekommen? Es genügt ja, dass man all die Phrasen hört und liest, wenn man Radio oder Flimmerkiste anknipst, die Zeitung aufschlägt oder die Nachrichtenseiten anklickt.

Ja, die deutsche Sprache ist wunderbar, weil sie glasklare Formulierungen ermöglicht, bei denen jeder sofort weiß, worum es geht. Sie kann aber auch zur Phrasenpest ausarten, die uns Fragezeichen ins Hirn und Blasen ans Ohr pflanzt. Auf diese zweifelhafte Fertigkeit versteht sich niemand so gut wie Politiker. Was Amts- und Mandatsträger, angefangen in Ortsvereinen und Rathäusern bis hinauf in Ministerien und den Bundestag, oft von sich geben, ist eine kommunikative Zumutung.

Die meisten Bürger haben sich an die tägliche Logorrhö gewöhnt. In manchen Fällen ist das Gerede um den heißen Brei jedoch so absurd, dass man gar nicht anders kann, als laut zu lachen. So wie bei Philipp da Cunha, der es in den vergangenen 48 Stunden in den sozialen Netzwerken zu veritablem Ruhm gebracht hat. Nicht, weil er als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein besonders bedeutendes Amt bekleidet. Sondern weil ein Video die Runde macht, in dem er einem Reporter Rede und Antwort steht.

Wobei genau die Antworten das Problem sind: Herr da Cunha redet und redet – aber er antwortet nicht. Offenkundig hat er etwas zu verbergen. Es geht um eine aus Steuergeld bezahlte Buchung seiner Partei in einem teuren Hotel, das dem Gatten der Vize-Fraktionsvorsitzenden gehört, die … aber schauen Sie doch selbst und lachen Sie mit mir.

Wenn wir uns dann wieder eingekriegt haben, könnten wir schnell urteilen: Typisch Politiker, reden ständig gequirlten Mist! Wir könnten aber auch zwei Minuten weiterdenken und Antworten auf die Frage suchen, warum das oft so ist. Herr da Cunha mag ein besonders absurder Fall sein, aber der Grund für die Phrasensprache vieler Politiker ist ernst: Es geht um Selbstschutz. Viele Amtsträger bis hinauf in die Bundesregierung wissen: Jeder klare Satz kann in einem Shitstorm enden. Wer deutlich formuliert, läuft immer Gefahr, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, bei den Fakten versehentlich danebenzuliegen, von den Zeitläuften widerlegt zu werden. Und weil es im Smartphone-Zeitalter von allem und jedem ein Video gibt, dauert es dann nicht lange, bis man auf Twitter, Facebook und Co. durch den Kakao gezogen wird.

Dann hagelt es Spott, Beschimpfungen und oftmals auch Drohungen. Meistens lassen sich auch die politischen Gegner nicht lange bitten, ordentlich nachzutreten. So sind schon Karrieren zu Ende gegangen. Bei aller berechtigten Kritik an Phrasen und Floskeln, wie sie beispielsweise auch Bundeskanzler Olaf Scholz gern von sich gibt, habe ich deshalb ein gewisses Verständnis für die politischen Sprachschwurbler.

Umso bemerkenswerter ist die Reaktion einiger Kollegen auf Herrn da Cunhas Ausflüchte vor der Kamera: Das gebetsmühlenartige Wiederholen der immer gleichen Aussage sei das "professionell antrainierte Verhalten" von Politikern, die bei jedem Interview wittern, "falsch geschnitten" zu werden, meint ein CDU-Mann aus Schleswig-Holstein. Auch da ist etwas dran, wenn man bedenkt, welche Medienmacht die Böhmermanns dieser Welt mittlerweile haben.

Der Verspottete selbst hat aus seinem Interview-Debakel immerhin etwas gelernt: "In Zukunft werde ich so auf Fragen nicht mehr antworten", beteuerte Philipp da Cunha gestern. Und ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann Ihnen versichern: Unterhält man sich abseits der Mikrofone und Kameras mit dem Bundeskanzler, zum Beispiel nachts um halb zwei bei einem Glas Rotwein, spricht er nicht nur Klartext. Es ist sogar unterhaltsam.

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Presse fragt, Kanzler antwortet

Apropos Kanzler: Kurz vor seinem Urlaub stellt sich Olaf Scholz heute Vormittag in der traditionellen Sommerpressekonferenz den Fragen der Hauptstadtjournalisten. Da kann er noch mal ausführlich zu den Querelen rund ums Heizungsgesetz, zum Aufstieg der AfD, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Deutschlands Rolle in der wiedererstarkten Nato Stellung nehmen. Rotwein wird dort nicht gereicht, dafür haufenweise Mikrofone. Das Ergebnis können Sie sich denken.


Ohrenschmaus


Frankreich feiert leise

In Frankreich sind die Krawalle nach dem Todesschuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen zwar abgeebbt. Aber noch so präsent, dass sie den heutigen Nationalfeiertag überschatten. So hat die Regierung aus Sorge vor erneuten Ausschreitungen ein landesweites Feuerwerksverbot verhängt. Präsident Emmanuel Macron, der eigentlich Erbauliches zu seiner Reformpolitik kundtun wollte, verzichtet auf die übliche Fernsehansprache. 130.000 Polizisten, Soldaten und Feuerwehrleute sind im Einsatz, um die Feiern am Jahrestag des Sturms auf die Bastille anno 1789 zu schützen. Ehrengast ist der indische Premierminister Narendra Modi, der nach dem Galadinner im Louvre noch ein paar Verträge für die französische Industrie unterzeichnet – und es dabei wohl genießt, dass er vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen des Westens mit China immer eifriger umworben wird.

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Gedenken an die Flut

Mindestens 185 Menschen starben bei der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands, Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült. Auch zwei Jahre später ist der Wiederaufbau noch lange nicht abgeschlossen. Diese ernüchternde Erkenntnis wird heute die Gedenkveranstaltungen an die Opfer und Betroffenen prägen. In dem mit 135 Toten besonders hart getroffenen Ahrtal hält die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer eine Rede. Dass sie dabei einmal mehr die "vielen kleinen und großen Lichtblicke" beim Wiederaufbau beschwören wird, ist legitim. Seltsam wirkt es jedoch, dass man vielerorts eher auf Schadensbehebung denn auf klimaresilientes Bauen setzt.


Klare Sprache ist besser

Doppelpunkt, Unterstrich, Sternchen: Die Gendersprache ist zu einer Waffe im Kulturkampf geworden. Heute will sich der Rat für deutsche Rechtschreibung, der über die hochdeutsche Orthografie entscheidet, zu den Tücken des geschlechtergerechten Schreibens äußern. Bislang spricht sich das Gremium gegen den Gebrauch von Sonderzeichen aus, weil diese "der Einheitlichkeit der Rechtschreibung erheblich schaden" und "in vielen Fällen die Wortbildung und das Lesen und Verstehen von Texten erschweren".


Lesetipps

Der Hamburger Hafen wird zum Zentrum des Drogenhandels in Europa. Ermittler sagen unseren Reportern Gregory Dauber und Carsten Janz: Passiert nicht schnell etwas dagegen, steht der Drogenkrieg bevor.


Was taugt die China-Strategie der Ampelregierung? Unser Außenpolitikredakteur Patrick Diekmann erklärt es Ihnen.


Seit Wochen kommt es in Freibädern zu Gewaltausbrüchen. Der Chef des Bademeisterverbands klagt im Gespräch mit unserem Reporter Nils Heidemann: "Wir haben eine Kuscheljustiz!"


Am Wochenende erreicht die spanische Hitzewelle Deutschland. Wo neben heißen Tagen und tropischen Nächten auch heftige Unwetter drohen, zeigen Ihnen meine Kollegen Sophie Loelke und Adrian Röger.


Zum Schluss

Der Kanzler zieht andere Saiten auf.

Ich wünsche Ihnen einen klarsichtigen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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