t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikUkraine

Ukraine-Krieg: Diese Personen steuern wohl Russlands Raketen auf Zivilsten


Recherche zum Ukraine-Krieg
Bericht: Ingenieure steuern Angriffe auf Zivilisten


Aktualisiert am 26.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Seit offiziellen Kriegsbeginn bombardiert Russland die Ukraine mit Raketen: Auf dem Foto steht Natali Sevriukova Ende Februar nach einem Raketenangriff neben ihrem Haus in Kiew.Vergrößern des Bildes
Eine Ukrainerin neben Trümmern: Seit mehr als acht Monaten bombardiert Russland auch zivile Gebäude. (Quelle: Emilio Morenatti/picture alliance/Associated Pres/obs)

Eine geheime Einheit soll für die russischen Raketen auf ukrainische Zivilisten verantwortlich sein. Die Mitarbeiter wurden identifiziert – und telefonisch konfrontiert.

Am 10. Oktober haben sich die Raketenprogrammierer verraten: Als Reaktion auf die erfolgreiche Offensive der Ukraine feuerte Russland wieder vermehrt Raketen auf ukrainische Städte. Sie trafen Wohnhäuser und die Stromversorgung, Spielplätze und Kindergärten. Russland beteuert, keine zivilen Ziele anzuvisieren. Fakt ist jedoch: Raketenangriffe auf die Ukraine haben seit Kriegsbeginn Hunderte Zivilisten verletzt und getötet.

Eine internationale Recherchegruppe hat nun herausgefunden, wer maßgeblich für die Angriffe mit mörderischen Raketen verantwortlich sein soll: Ein geheimes Team, dem unter anderem Militäringenieure und Informatiker angehören, die die Raketen programmieren. Das berichtet das Recherchenetzwerk Bellingcat in Zusammenarbeit mit "The Insider" und dem "Spiegel". t-online hat die wichtigsten Erkenntnisse der Recherche zusammengefasst.

Russlands "Fernbedienungsmörder"

Demnach bezeichnet Bellingcat die geheime Gruppe als Moskaus "Fernbedienungsmörder". Sie arbeiteten an zwei Standorten: im Hauptquartier des Verteidigungsministeriums in der russischen Hauptstadt Moskau sowie im Hauptquartier der Marinestreitkräfte in St. Petersburg.

Bellingcat hat eigenen Angaben zufolge 33 Mitglieder identifiziert. Sie sollen für zahlreiche Raketenangriffe verantwortlich sein, bei denen Hunderte Zivilisten starben. Das Team bestehe aus jungen Männern und Frauen, die vorwiegend aus der IT-Branche stammen. Das jüngste Mitglied soll erst 24 Jahre alt sein. Einige sollen militärische Auszeichnungen tragen und bereits im Syrien-Krieg aktiv gewesen sein.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Trotz zahlreicher Videos und Fotos von Raketenangriffen ist wenig über die Programmierung der russischen Raketen bekannt. Das könnte sich durch diese Recherche ändern und wäre ausschlaggebend für kommende Prozesse.

"Die Zuordnung der Programmierung der Flugbahn dieser Waffen ist von Bedeutung, da das vorsätzliche oder wahllose Zielen auf ukrainische Zivilisten und zivile Infrastruktur potenzielle Kriegsverbrechen darstellen könnte", teilte Bellingcat auf Twitter mit.

Mitglieder mit "GVC" gekennzeichnet

Für ihre Recherche griffen die Journalistinnen und Journalisten auf russische Quellen zurück – teils frei zugänglich, teils Datenquellen vom Schwarzmarkt – und werteten so persönliche Telefondaten aus. Diese Information seien besonders hilfreich gewesen.

In seinem Ergebnisartikel berichtet Bellingcat außerdem: Alle identifizierten Mitglieder des Teams seien in russischen Datenbanken mit dem Kürzel "GVC" gekennzeichnet. Diese Abkürzung solle für "Zentrales Rechenzentrum" stehen.

Auffallend viele Telefongespräche sollen einige Personen in der Nacht oder am frühen Morgen geführt haben. "Jeweils kurz vor und kurz nach dem Abschuss der Raketen. Das konnte kein Zufall sein", sagte Christo Grozev, Leiter der Russland-Ermittlungen bei Bellingcat, dem Schweizer "Tages-Anzeiger". Beim Auswerten der Telefondaten sei auch aufgefallen, dass der Kontakt zwischen den Personen und Vorgesetzten kurz vor dem 10. Oktober zugenommen habe – der Tag, an dem Russland die Raketenangriffe auf die ukrainischen Städte startete.

Journalisten konfrontieren Mitglieder: "Er sagte, er sei Busfahrer"

Bellingcat hat dem Bericht zufolge alle identifizierten Mitglieder der Raketeneinheit mit ihrem Ergebnis konfrontiert: Das Recherchenetzwerk wollte demnach wissen, wer die zivilen Ziele auswählt und ob es sich um Rechenfehler oder absichtliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung handelt.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

"Einige bestritten zu wissen, was das GVC ist, obwohl ihnen Fotos gezeigt wurden, auf denen sie in Militäruniform mit GVC-Abzeichen posieren", schrieb Bellingcat auf Twitter. Ein ranghoher russischer Militär, der von einem recherchierenden Reporter telefonisch kontaktiert wurde, habe sofort aufgelegt, als er erfuhr, mit wem er sprach.

Yuriy Nikonov, einer der Ingenieure, die in den vergangenen sechs Monaten am häufigsten mit dem Kommandanten der Einheit interagiert haben sollen, habe ebenfalls bestritten, irgendetwas über die GVC oder den andauernden Krieg zu wissen. Er sagte, er sei Busfahrer und alle Behauptungen, er sei mit der mutmaßlichen Zieleinheit verbunden, seien "absoluter Unsinn".

Bei einem Ingenieur sei Bellingcat hingegen erfolgreich gewesen. Er habe anonym Informationen geteilt, wie die Einheit mit der Programmierung der Flugbahnen beauftragt wurde, sowie mehrere Fotos von der Gruppe und ihrem Kommandanten Igor Bagnyuk.

Mathe, Münzen, Marschflugkörper

Die Telefondaten des Kommandanten Bagnyuk sollen enthüllt haben, dass er begeisterter Münzsammler sei und auch während seiner Arbeit viel Zeit am Telefon auf der Münzhandelsseite "eurocoin.ru" verbringe.

Er sei Syrien-Veteran und stehe wie ein Flaschenhals in der obersten Kommunikationskette der Gruppe: Bagnyuk erhalte Befehle von der russischen Militärführung und leite diese an die obersten Ingenieure weiter, die sich mit den entsprechenden Raketenarten auskennen, so Bellingcat. Die koordinierten Marschflugkörper sollen die ЗМ-14 (Kalibr, seegestützte), R-500 (alias 9М728, für Iskander-Systeme, (boden-)gestützte) und Kh-101 (luftgestützte) Raketen sein.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Laut Bellingcat handelt es sich bei den GVC-Militäringenieuren fast nur um junge Leute. Die meisten seien Ende 20 und hätten zuvor eine zivile Mathematik- oder IT-Ausbildung absolviert. Anschließend seien alle an der Militärakademie für strategische Raketentruppen bei Moskau oder am Institut für Militär- und Marinetechnik bei St. Petersburg ausgebildet worden.

Im Gegensatz zu ihren militärischen Kollegen an der Front arbeiteten Einheit der "Fernbedienungsmörder" von sicheren Kommandozentralen aus, schreibt Bellingcat. In ihrem privaten Leben sollen sie kaum Einschränkungen haben, obwohl sie eine für den Krieg entscheidende Rolle spielen.

Verwendete Quellen
  • tagesanzeiger.ch: "Putins IT-Nerds enttarnt: 'Das sind Killer an der Fernbedienung'" (kostenpflichtig)
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website