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MLS: Ex-Bundesliga-Manager Lutz Pfannenstiel baut für eine Milliarde neuen Klub


Fußballboom in den USA
Ex-Bundesliga-Manager baut mit einer Milliarde neuen Klub


Aktualisiert am 26.02.2023Lesedauer: 7 Min.
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Lutz Pfannenstiel: Der 49-Jährige war von 2018 bis 2020 Manager von Fortuna Düsseldorf.Vergrößern des Bildes
Lutz Pfannenstiel: Der 49-Jährige war von 2018 bis 2020 Manager von Fortuna Düsseldorf. (Quelle: IMAGO/Peter Hartenfelser)

Am Wochenende startet die MLS. Mit dabei: St. Louis und Ex-Bundesliga-Manager Pfannenstiel – ein besonderes Projekt, das selbst Fußballmagnaten in Europa neidisch machen dürfte.

In der Bundesliga wäre dieses Video undenkbar gewesen: Ein langhaariger Mann mittleren Alters schreitet lässig zu einem aufgemotzten Audi-Sportwagen – kurz wird auf seine Sneaker im Design der US-Fahne gezoomt. Er trägt eine übergroße Pilotenbrille, steigt in die pink-blaue Luxuskarosse, lässt den Motor aufheulen – und braust davon.

Wenn Lutz Pfannenstiel das Video seiner Vorstellung als Sportdirektor des St. Louis City SC sieht, muss er immer noch schmunzeln. Seitdem hat sich in den zweieinhalb Jahren viel getan – für den ehemaligen Bundesliga-Manager und seinen neuen Klub. St. Louis startete am Wochenende mit einem 3:2-Sieg in Austin die erste Saison in der nordamerikanischen Major League Soccer (MLS). Es ist das Ergebnis einer langen Reise.

Pfannenstiel hat "StL City" mit erschaffen – quasi aus dem Nichts. "Ich habe auf einem weißen Blatt Papier begonnen, den Klub zu planen", verrät Pfannenstiel t-online. Was sich nach einem Traumszenario für Fußballmanager anhört, ist für den 49-Jährigen Realität geworden. Und wie: Mit allem Drum und Dran hat die Neugründung fast eine Milliarde Dollar gekostet.

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Derartige Summen sind für die meisten Bundesliga-Klubs illusorisch. Natürlich auch, weil neue Teams dort nicht einfach aus dem Boden gestampft werden. Im US-Sport sieht das anders aus. In den Topligen gibt es keine Auf- und Abstiegsregelung. Neue Mannschaften können sich einkaufen. So geschehen in St. Louis.

Die Sache mit der Weltmeisterschaft

Eine wichtige Rolle spielt die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko. "Die MLS wäre nicht, was sie ist, ohne die Weltmeisterschaft 1994 (in den USA, Anm. d. Red.). Man kann sich nur vorstellen, was diese WM anstellen wird. Es wird größer sein, als sich irgendwer vorstellen kann. Der Weg bis 2026 wird Raketentreibstoff für den Fußball in Nordamerika sein", hofft MLS-Commissioner Don Garber.

In St. Louis wird die aktuelle Euphorie anderweitig gespeist. Der Klub hat dem Vernehmen nach allein in Stadion, Infrastruktur und Franchisegebühr weit über 700 Millionen Dollar investiert. Pfannenstiels Wechsel in die MLS erstaune viele Bundesliga-Kenner.

Immerhin hatte sich der ehemalige Torwart-Globetrotter, der als Erster in allen Kontinentalverbänden der Fifa aktiv war, zum Manager von Fortuna Düsseldorf entwickelt. Offerten von namhaften Premier-League-Klubs folgten. "Dann kam das Angebot aus St. Louis. Und das Gesamtpaket, etwas nach meinen Vorstellungen aufbauen zu können, hat mich einfach überzeugt", erklärt der gebürtige Bayer.

Was das konkret hieß, mag sich für viele deutsche Beobachter abenteuerlich anhören – denn zu Pfannenstiels Dienstbeginn war der St. Louis City SC nur auf dem Papier existent. Es gab kein Stadion, keine Geschäftsstelle – nicht einmal vereinseigene Trainingsplätze.

Was es jedoch gab, war Geld. "Eigentümer ist die Taylor-Familie, Besitzer von Enterprise, der größten Autovermietung der Welt. Es ist ein ganz anderer Ansatz als bei normalen Investoren", verdeutlicht Pfannenstiel und fügt hinzu: "Sie wollen jungen Menschen aus der Region die Chance gehen, Fußball zu spielen und die Leute in der Innenstadt beim Sport versammeln."

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Aber gibt es das wirklich – Eigentümer, die nicht auf den Taler gucken und ausschließlich die Förderung des Fußballs und Geheimwohls im Auge haben? Bei dieser Frage war Pfannenstiel selbst skeptisch. "Anfangs hatte ich lange Gespräche mit den Eigentümern, welche Strategie man fahren will", gibt der ehemalige Scouting-Boss der TSG Hoffenheim zu. Seine Antwort: "Für uns war schnell klar, wir wollen das Ganze auf drei Säulen aufbauen: Community, Academy und Profis."

Kein Intersse an Altstars

Besonders "Community" – also "Gemeinschaft" – ist dabei ein Begriff, der in Deutschland für Irritationen sorgt. In St. Louis meint er die Verwurzelung des Klubs in der Stadt, der Region. Anders gesagt: Anwohner und Anhänger sollen sich beim St. Louis City SC heimisch fühlen und sich mit ihren Anliegen verstanden wissen. Ein Problem, das Bundesliga-Klubs seit Jahren beschäftigt. Stichwort: Entfremdung im "Business Profifußball".

In St. Louis solle dies nicht auftreten. "Wir spielen gezielt ohne Superstar, ohne die ganz großen Namen. Diese typischen, medienwirksamen Altstars zwischen 33 und 36 interessieren mich überhaupt nicht", erklärt Pfannenstiel: "Mich interessiert Leistung im Hier und Jetzt: Wenn einer irgendwann dreimal die Champions League gewonnen hat, kann ich mir heute davon nichts kaufen."

Also keine Transfers von Altstars à la David Beckham, für die die MLS jahrzehntelang bekannt war? "Wir haben keinen einzigen Feldspieler über 30 – und das soll auch so bleiben", sagt Pfannenstiel.

Ob der Milliardeninvestitionen möchte man ihm das nicht so richtig glauben. Transfertechnisch hat der MLS-Neuling allerdings defensiv agiert. Bisher investierte St. Louis laut dem Portal "Transfermarkt.de" vergleichsweise überschaubare 5,38 Millionen Euro in Neuzugänge.

Am bekanntesten: Roman Bürki. Der langjährige Nationaltorwart der Schweiz kam ablösefrei von Borussia Dortmund. Darüber hinaus stechen allenfalls Eduard Löwen (für eine Million Euro von Hertha BSC verpflichtet) und Joao Klauss (3,2 Millionen, TSG Hoffenheim) hervor. Der brasilianische Stürmer setzte sich in der Bundesliga nicht durch, sorgte aber in Finnland und Österreich als Torschützenkönig für Furore.

Ansonsten vertraut St. Louis größtenteils auf Spieler aus der MLS und der Region. Letztere liegen Pfannenstiel besonders am Herzen, denn auch die Nachwuchsabteilung baute er neu auf. "Ich musste viel arbeiten, anfangs bis zu 16 Stunden am Tag", so der ehemalige deutsche Jugendnationalspieler. "Mir war wichtig, wirklich überall bei null zu beginnen und keine Abhängigkeit von anderen zu haben."

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Er sei "in den ersten Monaten über die Dörfer zu den High-School-Partien getingelt und habe Spieler gescoutet", sagt der Bayer. Lachend fügt er hinzu: "Dabei bin ich auch auf Jungs gestoßen, die jetzt in unserem Profiteam spielen. Einige davon habe ich quasi auf einem Kornfeld außerhalb von St. Louis entdeckt."

Mit Expertise von ehemaligem Hockey-Erfolgstrainer

Keine Altstars, viele Talente aus der Region – das wiederholt Pfannenstiel mantraartig. Aber ist da wirklich etwas dran? Ein Blick auf den Kader zeigt: Mehrere Akteure, die mit der Reservemannschaft überraschend US-Vizemeister geworden sind, gehören dazu. Vor Kurzem wurde auch der 15-jährige Caden Glover mit einem Vertrag ausgestattet.

Die medienwirksame Fokussierung auf den eigenen Nachwuchs ist bei vielen Bundesliga-Klubs evident. In St. Louis scheint jedoch mehr dahinterzustecken. Pfannenstiel betont dies immer und immer wieder. Entwicklung scheint für ihn wichtiger zu sein als Transfers. Er sagt: "Wenn man es vergleicht, hätten wir sicher eines der Top-5-Trainingsgelände in der Bundesliga."

Für dieses hat er sich die Unterstützung von Bernhard Peters geholt. Der gebürtige Rheinenser führte die deutsche Hockey-Nationalmannschaft zu zahlreichen WM-Titeln, war Wunschkandidat des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann als DFB-Sportdirektor und arbeitete als Nachwuchsexperte in Hoffenheim und beim HSV.

"Bernhard hat mir sehr geholfen", sagt Sportdirektor Pfannenstiel im Hinblick auf den Aufbau des neuen Klubs. Denn: Generell sei er "ein bisschen ein Kontrollfreak" und es sei ihm anfangs schwergefallen, Dinge aus der Hand zu geben.

Ein Coach, der die Bundesliga kennt

Deshalb entschied er sich auch für Bradley Carnell als Trainer. Trotz seiner 46 Jahre wirkt der blonde Südafrikaner kaum älter als zu seiner Zeit als Bundesliga-Profi in Stuttgart, Gladbach und Karlsruhe.

Carnell, der als Trainer in New York die Red-Bull-Schule durchlief, gestaltete den Kader federführend mit und hat eine klare Idee von der taktischen Ausrichtung der neuen Mannschaft. Sein Vorbild: Julian Nagelsmann zu Hoffenheimer und frühen Leipziger Zeiten. "Es wird ein sehr intensiver Front-foot-Spielstil sein. Wir wollen pressen und kontern", erklärte Carnell bei seiner Vorstellung.

In den USA ist dieser Fußball eher unüblich, stattdessen wird viel Wert auf Ballbesitz gelegt. "Diese Art zu spielen ist natürlich sehr modern, aber ich habe sie gelebt, gespielt und trainiert. Es ist ein Spielstil, der die Community im mittleren Westen ansprechen wird, harte Arbeit und Bescheidenheit", begründete Carnell.

Wie Pfannenstiel ("Wir wollen organisiertes Chaos!") proklamiert er einen überfallartigen und spektakulären Stil – um die Zuschauer ins Stadion zu bringen. Zwingend notwendig ist das vorerst nicht: "Wir hatten das Stadion noch nicht einmal halbfertig gebaut, da waren unsere Heimspiele für die Jahr 2023, 2024 und 2025 so gut wie ausverkauft", erklärt der Manager.

"Soccer" und der mittlere Westen

Die Begeisterung für "Soccer" ist im mittleren Westen der USA historisch gewachsen. Das "SC" stehe beim Klub aus St. Louis auch für "Soccer Capital", wie Pfannenstiel erläutert. Trotz der durch Zehntausende fußballaffine Einwanderer aus Mittel- und Südamerika geprägten MLS-Klubs aus Florida und Kalifornien gilt St. Louis als Fußballhauptstadt der USA. Seit 1875 wird in der US-Stadt, die mit Ballungsraum fast drei Millionen Einwohner hat, gegen den Ball getreten und laut "MLSSoccer.com" haben Teams aus der Stadt 91 nationale Titel gesammelt. 61 Einheimische stiegen zu US-Nationalspielern auf.

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Für die 1993 gegründete MLS reichte es trotz aller Begeisterung nie – vor allem aufgrund fehlender Investoren. "Ihr habt meinen Traum und den vieler anderer Spieler Wirklichkeit werden lassen", erklärte der in der Stadt geborene 30-fache US-Nationalspieler Taylor Twellman entsprechend begeistert über das neue Team.

Ob das Milliardenprojekt von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten. Die Voraussetzungen sind gegeben. "Das muss man sich so vorstellen, als ob man in Köln direkt neben den Dom ein Stadion und ein Trainingsgelände baut. Das kostet entsprechend", erklärt Pfannenstiel.

Das ist übrigens nicht die einzige Parallele zum FC: Beim ersten Meister der Bundesliga wurde 1964 ebenfalls in Bereiche investiert, an die die Konkurrenz nicht einmal dachte. Sechs Jahrzehnte später könnte dieser Ansatz auch St. Louis gelegen kommen.

Verwendete Quellen
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