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Nachwuchsakademie des FC Barcelona rückt Verein in schlechtes Licht


Nach Transferverbot der FIFA
Barca-Akademie wird vom Glücksfall zum Problem

Von t-online
10.04.2014Lesedauer: 4 Min.
Andres Iniesta (li.) und Lionel Messi reiften beim FC Barcelona zu Weltstars.Vergrößern des BildesAndres Iniesta (li.) und Lionel Messi reiften beim FC Barcelona zu Weltstars. (Quelle: Aflosport/imago-images-bilder)
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Von Florian Haupt

Beim 0:1 gegen Atletico Madrid im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League absolvierte Andres Iniesta bereits sein 500. Pflichtspiel für den FC Barcelona. Rekordhalter ist Xavi Hernandez mit 717 Spielen, der ebenfalls aus dem eigenen Nachwuchs kommt. Auch der viermalige Weltfußballer Lionel Messi, mit 26 Jahren bereits bester Torschütze in der Geschichte des katalanischen Vorzeigevereins, wurde bei Barca zum Superstar geformt.

Als alle drei zusammen bei der Gala der Weltfußballerwahl 2010 das Podium besetzten, galt dieser Moment auch als Triumph von Barcas Nachwuchsschule, La Masia. Nie zuvor hatte eine einzige Nachwuchsakademie die drei besten Kicker des Universums ausgebildet, nie zuvor eine so klare fußballerische Identität vermittelt.

Und offenbar wurden auch noch die richtigen Werte weitergegeben, denn alle drei wirkten ja immer noch wie nette, bescheidene Jungs. La Masia wurde studiert, kopiert, ein leuchtendes Vorbild der Jugendförderung.

La Masia hat einen neuen Makel

Vier Jahre später verwelkt nicht nur die soeben aus der Champions League ausgeschiedene Elf um Messi, Xavi und Iniesta. La Masia wird auch plötzlich mit dem unschönen Wort vom Kinderhandel assoziiert. In etlichen Fällen hat der FC Barcelona die Richtlinien des Weltverbandes FIFA verletzt und Jugendliche unter 18 Jahren aus aller Welt beziehungsweise unter 16 Jahren aus anderen EU-Ländern eingesetzt, ohne dafür einen der genehmigten Ausnahmetatbestände zu erfüllen.

Im Ergebnis wurde der Verein von der FIFA zu einer einjährigen Transfersperre verurteilt, für alle Mannschaften. Binnen vier Jahren ist die Nachwuchsabteilung also vom Glücksfall zum Problem geworden. Wie das geht? Ganz einfach. La Masia ist nicht mehr La Masia.

Fußball-Internat steht nicht mehr in Stadionnähe

Das ist zum einen ganz konkret örtlich zu verstehen. Iniesta, Xavi und Messi lebten und lernten noch in einem alten Gutshaus ("Masia") aus dem 18. Jahrhundert direkt neben dem Stadion, was einst den 13-jährigen Neuankömmling Pep Guardiola zu der euphorischen Bemerkung veranlasste: "Mama, wenn ich morgens das Fenster aufmache, sehe ich das Camp Nou." Seit 2011 ist das Internat hinter einer modernen Office-Fassade in der neuen Sportstadt des FC Barcelona untergebracht, fernab des Camp Nou.

Vor allem aber hat sich die Politik der Nachwuchsabteilung geändert. Zu Guardiolas, aber auch noch zu Xavis Zeiten rasterten Barcelonas Jugendscouts vor allem das katalanische Hinterland nach Talenten. Guardiola kommt aus dem eine Stunde entfernten Santpedor, Xavi aus dem noch näheren Terrassa. Weitere Stars wie Carles Puyol, Sergio Busquets, Gerard Piqué und Cesc Fabregas sind allesamt Katalanen und stammen aus der Masia.

Barcelona ist kein Einzelfall

Einer wie Iniesta, der aus dem zentralspanischen Fuentealbilla kommt, bildet da mit Pedro, einem Kanaren, schon die Ausnahme. Und einer wie Messi ist in seiner Generation noch fast ein Einzelfall. Der Argentinier lief dem FC Barcelona im Alter von 13 Jahren quasi zu, weil sein Vater Jorge auf der Suche nach einem europäischen Klub war, der dem schmächtigen Burschen die für seine weitere Entwicklung unabdingbare Hormonbehandlung bezahlen konnte.

Heute werden frühe Verpflichtungen wie die von Messi zunehmend zur Regel, nicht nur in Barcelona. Quer über den Globus jagen europäische Großklubs nach oft noch nicht einmal im Teenager-Alter angekommenen Talenten, es werden Partnerschulen hochgezogen, Vorverträge geschlossen, dritte Partien zwischengeschaltet. Dubiose Vermittler verdienen viel Geld mit dem Traum von der Karriere in Europa.

Anonyme Anzeige vom Erzfeind? Real dementiert

Der Wahn, den neuen Messi zu finden, scheint besonders ausgeprägt bei den beiden Großklubs Spaniens, die sich auf allen Ebenen bekriegen. Notfalls auch um einen Achtjährigen, wie derzeit den "Messi des Schnees" aus Südargentinien. Regeln wurden dabei noch nie allzu hoch gehangen, wenn es galt, dem anderen eins auszuwischen. Real Madrid bestreitet allerdings, was in Barcelona reflexartig vermutet wurde: dass es die anonyme Anzeige stellte, wegen der die FIFA zu ermitteln begann.

"La Masia no se toca"

Das Verfahren bezieht sich auf Fälle seit 2009 und der Klub war darüber seit langem informiert. Dennoch unternahm er nichts. Mit der Arroganz absolutistischer Könige ging er davon aus, über dem Gesetz zu stehen. Und ignorierte dabei auch, wie ernst es der bei anderen Themen so nachlässigen FIFA mit dem Kampf gegen Minderjährigen-Transfers ist. Barca, La Masia – man hielt sich für unangreifbar.

"La Masia no se toca", lautete auch die populistische Botschaft, die die Klubführung vor dem letzten Heimspiel gegen Betis Sevilla auf einem Transparent über die Zuschauerränge ziehen ließ: "Hände weg von der Masia". Als ob irgendeine böse Macht eine Attacke auf Barcelonas Nachwuchsförderung an sich führen würde. Wie schon im Fall Neymar wird eifrig an Verschwörungstheorien gebastelt, anstatt eigene Fehler einzugestehen oder auch nur die eigene Politik zu hinterfragen.

Kritik an der Ausbildung wird lauter

Was die Funktionäre übersehen: Mit ihrer selbstgerechten Haltung verschlechtern sie weiter das Image des Klubs, das sie so gern zur Verteidigung anführen. "In der Masia werden zuerst Menschen und dann Fußballer ausgebildet", hieß es in dem Kommuniqué, mit dem der Klub seinen Einspruch gegen das FIFA-Urteil begründete. Folgt die Lehre im Internat ähnlichem "Wagenburgdenken" wie das Denken der Klubführung, sind an der Qualität der Ausbildung jedoch ernste Zweifel angebracht.

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