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Afghanistans deutscher Nationalcoach Slaven Skeledzic spricht über seinen neuen Job


Afghanistans deutscher Coach Skeledzic
Trotz Attentat auf Vorgänger: "Der Job fasziniert mich"

Von t-online
02.03.2015Lesedauer: 5 Min.
Slaven Skeledzic geht seinen neuen Job voller Motivation an.Vergrößern des BildesSlaven Skeledzic geht seinen neuen Job voller Motivation an. (Quelle: Zink/imago-images-bilder)
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Das Interview führte Kieran Brown

Slaven Skeledzic wagt das Abenteuer. Der Inhaber der DFB-Fußballlehrer-Lizenz löste kürzlich seinen Vertrag als Leiter des Leistungszentrums und als U19-Trainer beim Zweitligisten FSV Frankfurt auf, um Nationaltrainer Afghanistans zu werden. Zuvor war Skeledzic als Junioren-Coach bei Eintracht Frankfurt, Hansa Rostock und Hannover 96 tätig, nun trainiert er den 144. der FIFA-Weltrangliste.

Im Interview mit t-online.de spricht der 43-Jährige über die Beweggründe für den Wechsel nach Afghanistan, die Gefahren im neuen Job und einen großen Traum.

t-online.de: Herr Skeledzic, Sie sind Nationaltrainer von Afghanistan. Das ist kein alltäglicher Job. Was reizt sie an dem Posten?

Slaven Skeledzic: In erster Linie ist es die sportliche Herausforderung und die Aufgabe, Fußball auf einem anderen Niveau spielen zu lassen. Die Aussicht darauf, ein anderes Land, eine völlig neue Kultur und letztendlich die ganze Welt kennen lernen zu dürfen, ist spannend. Es erfüllt mich mit Stolz, den Sprung vom A-Jugendtrainer zum Chefcoach einer Nationalmannschaft geschafft zu haben. Das ist ein faszinierender Job.

Wie lange haben Sie über die Entscheidung nachgedacht?

Ich musste nicht zwei Mal überlegen. Hauptverantwortlicher Trainer in einem Land mit über 35 Millionen Einwohnern zu sein, bedeutet eine große Herausforderung, der ich mich gerne stelle.

Gehen Sie davon aus, unter professionellen Bedingungen arbeiten zu können?

Die Rahmenbedingungen - in Kabul ist beispielsweise ein großes Trainingszentrum mit professionellen Bedingungen entstanden - haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert. Darauf lässt sich aufbauen. Zudem haben wir die Möglichkeit, Trainingslager unter Top-Bedingungen in Dubai oder Katar zu absolvieren.

Welche Ziele verfolgen Sie in Ihrem neuen Job?

Ich möchte mit meiner Trainings- und Spielphilosophie etwas bewirken und die fußballerische Qualität der Mannschaft auf ein neues Level heben. Dafür brauchen wir Zeit. Nicht umsonst habe ich einen Fünfjahresvertrag unterschrieben.

Warum ist bei Ihnen der große Durchbruch als Trainer in Deutschland bisher ausgeblieben?

Dazu kann ich nur sagen, dass man meine Arbeit in Afghanistan wahrgenommen hat, schätzt und von mir absolut überzeugt ist. Das gilt für deutsche Klubs, die mich jahrelang im Schaufenster haben beobachten können, offenbar nicht im gleichen Maße. Im Fußball geht es eben nicht immer ausschließlich um die Qualität, auch andere Faktoren spielen eine Rolle.

Waren Sie womöglich zur falschen Zeit am falschen Ort?

Vielleicht. Thomas Tuchel, mit dem ich den Lehrgang zum Erwerb der A-Lizenz absolviert habe, ist ein gutes Beispiel. Er hatte ohne Zweifel bereits als junger Trainer große Fähigkeiten, die er auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Aber er hatte in Christian Heidel bei Mainz 05 eben auch einen Förderer, der die Qualität in ihm gesehen, ihm vertraut und ihm eine Chance gegeben hat.

Bis zum ersten Auftritt mit Ihrer neuen Mannschaft gegen Kirgisistan Ende März und dem Beginn der WM-Qualifikation im Sommer müssen Sie sich noch gedulden. Worin bestehen aktuell Ihre Hauptaufgaben?

Für mich geht es im Moment zunächst darum, die besten Spieler aufzuspüren und davon zu überzeugen, unseren Weg mitzugehen. So gibt es beispielsweise in den ersten Ligen Russlands oder auch Dänemarks Jungs mit afghanischen Wurzeln, die noch kein einziges Länderspiel absolviert haben. Das afghanische Volk ist sehr stolz, so dass ich optimistisch bin, diese Spieler für die Aufgabe gewinnen zu können. Auch in der dritten Liga in Deutschland schaue ich mich um. Bei der Zweitvertretung eines Bundesligisten habe ich einen interessanten Spieler im Auge.

Rechnen Sie mit Verständigungsproblemen?

Mit den meisten Spielern und Verantwortlichen werde ich auf Englisch oder sogar Deutsch kommunizieren. Zudem habe ich in meinem Co-Trainer Ali Askar Lali einen kompetenten Mann an meiner Seite. Er lebt und pendelt seit Jahren zwischen Deutschland und Afghanistan, spricht perfekt Deutsch und Persisch.

Können Sie das fußballerische Niveau der afghanischen Mannschaft zu diesem frühen Zeitpunkt bereits einordnen?

Das ist schwierig. Wenn meine Wunschspieler dazukommen, hoffe ich auf gutes deutsches Zweitliga-Niveau. Aktuell würde ich das Potenzial der dritten Liga zuordnen.

Haben Sie in der Vergangenheit Erfahrungen mit afghanischen Talenten sammeln können?

Mit Milad Salem vom VfL Osnabrück sowie mit Zamir Daudi und Abassin Alikhil, die bei Viktoria Aschaffenburg unter Vertrag stehen, habe ich bei Eintracht Frankfurt zusammengearbeitet und mir so, wenn auch eher zufällig, eine gute Basis geschaffen und mich mit der afghanischen Mentalität vertraut machen können. Alle drei haben bereits erste Länderspiele absolviert.

Wie steht es um die Jugendarbeit in Afghanistan?

Aktuell steckt sie noch in den Kinderschuhen. Es wird natürlich auch darum gehen, Trainer zu schulen und ihnen aufzuzeigen, wie wir spielen wollen. Priorität genießt die A-Nationalmannschaft. Dennoch sollte das Ziel lauten, im gesamten Leistungsbereich eine einheitliche Philosophie einzuführen.

Das klingt nach viel Arbeit. Wie oft werden Sie vor Ort sein?

Meinen Lebensmittelpunkt in Deutschland werde ich beibehalten. Viele Trainingslager und Testspiele werden zudem außerhalb von Afghanistan stattfinden. Bislang war ich einmal in Kabul. Wie regelmäßig ich letztendlich vor Ort sein werde, muss man abwarten.

Spielt Sorge um die eigene Sicherheit dabei eine Rolle? Ihr Vorgänger Yousuf Kagar wurde im Januar in Kabul niedergestochen, als er auf dem Heimweg von einer Hochzeit war.

Wenn ich anreise, wird alles getan, um meinen Schutz zu gewährleisten. Das fängt mit meiner Ankunft am Flughafen an. Da ich mich aber als sehr offenen Menschen bezeichnen würde, kann ich mich überall schnell zurecht finden. Mit Ängsten oder Sorgen beschäftige ich mich nicht.

Wie war die Resonanz aus Ihrem Umfeld - gerade angesichts des Attentats?

Mich haben überwiegend Glückwünsche erreicht. Einige wenige haben natürlich auch Bedenken geäußert. Das kann ich angesichts der Attacke auf meinen dabei schwer verletzten Vorgänger nachvollziehen. Allerdings erkennt die Mehrheit die große Chance, die sich mir bietet. Was mich allerdings wirklich überrascht hat, war die Resonanz der Medien. Im Grunde folgt eine Presseanfrage der Anderen. Das fängt, abgesehen von sehr vielen deutschen Journalisten, bei der italienischen "Gazzetta dello Sport" an und hört bei thailändischen Medienvertretern auf.

Zuletzt hieß es, dass die Qualifikation für die WM 2018 in Russland als Ziel vereinbart worden sei. Der Gewinn der Südasienmeisterschaft 2013 hat Hoffnungen geweckt. Gibt es eine konkrete Zielvereinbarung?

Der Titel bei der Südasienmeisterschaft war eine Sensation, die von sechs Millionen enthusiastischen Afghanen in Kabul auf den Straßen gefeiert wurde. Wir wollen aber nicht den Fehler machen und utopische Ziele formulieren. Ein Traum wäre die WM-Teilnahme ohne Zweifel.

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