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Joachim Löw: Kompromisslos zum Triumph bei der WM 2014


Veränderter Bundestrainer
Löws letzte Chance: Kompromisslos zum Triumph

Von t-online
Aktualisiert am 16.06.2014Lesedauer: 5 Min.
Raus mit Applaus? Jogi Löw tut alles für den WM-Titel.Vergrößern des BildesRaus mit Applaus? Jogi Löw tut alles für den WM-Titel. (Quelle: team/imago-images-bilder)
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Eine Analyse von Jörg Runde und Thomas Tamberg

So entspannt wie am vergangenen Donnerstag hatte man Joachim Löw schon lange nicht mehr erlebt. "Es geht mir überdurchschnittlich gut", rief der 54-Jährige den Journalisten auf dem Trainingsplatz in Santo André zu. Löw lachte, sein Gang wirkte locker, fast schon beschwingt. Auch auf der offiziellen Pressekonferenz vor dem Auftakt der DFB-Elf gegen Portugal präsentierte sich Löw gut gelaunt. Es scheint tatsächlich so, als habe sich der Bundestrainer anstecken lassen von der Grundeinstellung der immer freundlichen Brasilianer rund um das Campo Bahia. Frei nach dem Motto: Daumen hoch, immer positiv sein und nur nicht stressen lassen.

"Ausgeglichen und fokussiert" sei er, betont Löw in diesen Tagen immer wieder. Im Trainingscamp unter Palmen erinnert in der Tat fast nichts mehr an den gereizten und genervten Bundestrainer, den Löw in den vergangen zwei Jahren häufig verkörperte und an dem die Ereignisse eines denkwürdigen Fußballabends nagten.

Wende in Warschau

An jenem 28. Juni in Warschau hatte sich Löws Image als Trainer komplett verändert. Aus dem öffentlich gefeierten "Magier Löw", der Griechenland im EM-Viertelfinale mit einer neuen Offensivtaktik überrascht hatte und auf Grund seiner Vorliebe für attraktiven und effizienten Fußball sogar mit Klubs wie Real Madrid und Manchester United in Verbindung gebracht wurde, war der "Hauptschuldige" für die 1:2-Halbfinal-Niederlage gegen Italien geworden. Die Maßnahme, Toni Koos als Manndecker von Italiens Spielmacher Andrea Pirlo aufzubieten, ging völlig in die Hose. Löw, so hieß es danach in nahezu allen Medien, hatte sich "vercoacht".

Dass der Bundestrainer ein paar Wochen später taktische Fehler eingestand, änderte nichts mehr an der öffentlichen Meinung. Im Gegenteil: Das dämliche 4:4 nach 4:0-Führung in der WM-Qualifikation gegen Schweden vergiftete die Stimmung zusätzlich. Mit Löw, so der Volkstenor, holt Deutschland keinen Titel. Dass der Fußballlehrer dafür verantwortlich war, dass die Ära der "Rumpelfüßler" im DFB-Team endete, war genauso vergessen, wie der weltweite Respekt, den sich die deutsche Auswahl unter Löw mit begeisterndem Offensivfußball erspielt hatte.

Gut verteidigen und kontern

Die Sehnsucht nach dem ersten großen Titel seit dem EM-Sieg 1996 steht hierzulande über allem. Die Fans haben genug von Lobhudeleien aus dem Ausland. Sogar eine Abkehr vom attraktiven Spielstil der Löw-Elf würden viele Anhänger begrüßen. Stattdessen kompromisslos verteidigen, schnell kontern und im legendären Maracana den Welt-Pokal bejubeln, das wäre es doch.

Der Bundestrainer, so hört man aus DFB-Kreisen, hat diese Entwicklung sehr wohl registriert und auch darauf reagiert. Noch misstrauischer als ohnehin schon sei er nach dem bitteren EM-Aus geworden. Löw geht deshalb kompromissloser denn je seinen eigenen Weg, auf dem ihn nur ganz wenige Personen begleiten dürfen.

Keine Rücksicht auf Befindlichkeiten

Mit seinen engsten Mitarbeitern Hansi Flick, Andreas Köpke und Urs Siegenthaler ist Löw noch enger zusammengerückt. Nur ihnen vertraut er. Ob Taktik oder Teamführung: Gemeinsam mit dem Trio bespricht sich Löw, den Kurs legt er aber alleine fest. Löw ist der Chef.

Im Umgang mit der Mannschaft bedeutet das eine noch klarere Kommunikation. Nach innen wie nach außen redet der Bundestrainer Klartext. Intern, so ist es aus dem Mannschaftskreis zu vernehmen, hat Löw bereits allen klar gemacht, dass er auf persönliche Befindlichkeiten keine Rücksicht mehr nimmt. Zu spüren bekam das bereits Mats Hummels, den er nach einem Testspiel kritisierte. Auch ein kritisches Interview von Hummels kommentierte Löw öffentlich und mit klaren Worten.

Kein Firlefanz mehr

Die Beschwerden aus dem Lager des BVB-Verteidigers konterte Löw ebenso deutlich: "Wenn ich jemanden öffentlich kritisieren will, dann mache ich das auch. Das ist mein gutes Recht. Das wird seinen Grund haben."

Selbst Teammanager Oliver Bierhoff muss sich Löws Fokussierung auf das Wesentliche widerwillig beugen. Die Marketing-Aktivitäten des werbefreudigen Verbandes wurden in der WM-Vorbereitung auf ein Minimum eingedampft, Firlefanz, wie die Freundschaftsbändchen bei der EM 2012, lehnte der Bundestrainer diesmal komplett ab.

Berichte werden zur Nebensache

Peinliche PR-Pannen, wie die unglückliche Mercedes-Aktion in Südtirol oder das abgehängte Anti-Rassismus-Plakat im Stadion des FC St. Pauli blendete Löw einfach aus. Nicht seine Baustelle. Selbst die hitzige Diskussion um seinen Führerscheinentzug ließ Löw weitestgehend kalt

Was die Medien über ihn berichten, so ist es aus der Kommunikationsabteilung des DFB zu hören, interessiert den Bundestrainer derzeit ohnehin nicht. Dass auf ihm ein enormer Druck lastet, weiß Löw selber. Um zu wissen, dass er den vermutlich talentiertesten Kader hat, der jemals für Deutschland an einer WM teilnahm, braucht er keine Zeitung lesen.

Den Teamgeist natürlich stärken

Kritik an der Zusammensetzung des Kaders oder an dem Spielsystem ohne echten Stürmer prallt an Löw komplett ab. Seinen Plan zieht er durch. Dass dieser eine defensivere Grundordnung vorsieht als noch bei der EM in Polen und der Ukraine, ist den Bedingungen in Brasilien, aber auch Initiativen aus der Mannschaft geschuldet. Nicht nur Philipp Lahm hatte die totale Offensive und die daraus resultierenden Räume für den Gegner kritisiert.

Dass sich die Spieler einbringen, um das Spiel zu verbessern, nimmt Löw gerne an. Er fordert es sogar. Jeder soll sich für das Gesamtkonstrukt verantwortlich fühlen. Auch sogenannte Maßnahmen für die Gemeinschaft gibt es deshalb seltener als bisher bei Großereignissen. Der Teamgeist, so Löws Erwartung, soll sich aus dem großen Ziel generieren.

Führungsspieler unterstützen Löw

Bisher scheint das Konzept aufzugehen. Es herrscht ein gutes Miteinander. Die Mannschaft, allen voran die Führungsspieler Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Miroslav Klose stehen hinter dem Bundestrainer. Sie schätzen Löws Fachkompetenz und seine menschliche Art, sie sind ihm dankbar für das über Jahre geschenkte Vertrauen. Vollste Unterstützung ist da selbstverständlich.

Andersherum weiß Löw genau, was er an seinen "Häuptlingen" hat. Es ist kein Zufall, dass er genau dieses Leader-Quartett zu den Kapitänen der Wohngruppen im DFB-Quartiermachte. Mit Lahm, Schweinsteiger, Mertesacker und Klose verbindet Löw eine Art Schicksalsgemeinschaft, sind sie doch von seinem ersten Tag an beim DFB mit an Bord."Sie alle haben jetzt schon phänomenale, großartige Karrieren hingelegt. Aber ein Weltmeistertitel wäre natürlich die Krönung, sozusagen das i-Tüpfelchen", sagte Löw kürzlich in einem Interview.

Der Traum vom großen Triumph

Er hätte den Satz auch über seine Karriere sagen können. Denn nicht nur für Lahm (30), Schweinsteiger (29), Mertesacker (29) und vor allem Klose (36) ist es vermutlich die letzte Chance, die Laufbahn mit einem WM-Titel zu krönen.

Unabhängig vom Verlauf des Turniers: Löw wird, davon gehen viele Experten aus, trotz gültigen Vertrages bis 2016, nach der Brasilien-Reise sein Amt als Bundestrainer abgeben.

Endet der Trip tatsächlich in Rio mit dem WM-Sieg, wäre das für Löw nicht nur eine Genugtuung, es den Kritikern gezeigt zu haben. Der Triumph würde auch die Aufnahme in den Kreis der größten Trainer der Fußball-Geschichte bedeuten. Zu wünschen wäre es Löw. Für sein persönliches Wohlbefinden und das einer ganzen Nation.

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