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Frankreich gegen Deutschland: Philipp Lahm wird zum Politikum


Dramatische Entwicklung im DFB-Team
Sieben Spieler krank! Lahm-Rolle wird zum Politikum

t-online, Thomas Tamberg

Aktualisiert am 03.07.2014Lesedauer: 4 Min.
Was plant Bundestrainer Joachim Löw mit Philipp Lahm (li.)?Vergrößern des BildesWas plant Bundestrainer Joachim Löw mit Philipp Lahm (li.)? (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)
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Aus Santo André (Brasilien) berichtet Thomas Tamberg

Von einer konzentrierten Vorbereitung auf das WM-Viertelfinalspiel gegen Frankreich (Freitag, ab 17.30 Uhr im t-online.de Live-Ticker) kann keine Rede sein. Nach dem Rumpelkick gegen Algerien wächst die Kritik an Joachim Löw. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle von Philipp Lahm. Im Gegensatz zum Bundestrainer wünschen sich viele Fans und Experten den Kapitän auf einer Außenverteidigerposition.

Längst wird diese Diskussion auch innerhalb der Mannschaft geführt. Ein Löw-Interview sorgte zusätzlich für Wirbel. Und zu allem Überfluss plagen sich sieben Spieler mit einem grippalen Infekt herum.

Trotz aller "Friede-Freude-Eierkuchen"-Bekundungen entwickelt sich die einstige Wohlfühloase Campo Bahia immer mehr zum Pulverfass. Und die Lunte dazu hat der Trainer höchstpersönlich gelegt. Mit seinen "Basta"-Aussagen zu Lahms Position im Mittelfeld wollte Löw eine Diskussion um seinen Kapitän im Keim ersticken, hat sie aber erst dadurch so richtig angefacht.

Interview sorgt für Verwirrung

Immer wieder betonte der 54-Jährige unmissverständlich, dass er Lahm ausschließlich in der Sechser-Rolle sieht. Dieser Ansicht verlieh er zuletzt in einem Interview mit der "Zeit“ Nachdruck. Er halte an Lahms Rolle "bis zum Schluss" fest, sagte Löw dort. Lediglich in einer Notsituation würde er umdenken. Das Interview erschien zwei Tage nach dem Algerien-Spiel, als sich in der Heimat bereits ein Sturm der Kritik an Löws Taktik zusammengebraut hatte.

Die Wirkung war verheerend. Löw erscheint plötzlich wie ein Trotzkopf. Die Botschaft, die in der Heimat angekommen war, lautet: Ist mir doch egal, was alle denken. Ich ziehe hier mein Ding durch. Durch die Zeitverschiebung nahmen die Dinge ihren Lauf. Als der DFB in Brasilien aufgewacht war, beeilte man sich zu vermitteln, dass das Interview vor dem Algerien-Spiel geführt worden war.

Der Torwarttrainer spricht Tacheles

Ausgerechnet Torwarttrainer Andy Köpke, der sich in all den Jahren noch nie im entferntesten über Trainer-Überlegungen bezüglich der Feldspieler geäußert hatte, gab anschließend auf der Pressekonferenz zwei Tage vor dem Frankreich-Spiel öffentlich bekannt, dass eine Lahm-Versetzung in die Abwehr entgegen der Ansagen des Cheftrainers im Trainerstab plötzlich doch wieder ein Thema sei.

Man diskutiere die Dinge, sagte Köpke. "Wir stellen die Mannschaft so auf, dass wir den größtmöglichen Erfolg haben. Wie es gegen Frankreich aussieht, werden wir dann entscheiden. Dass ein Lahm auch super auf der rechten Seite spielen kann, bestreiten wir nicht. Wir müssen das machen, wovon wir uns Erfolg versprechen."

Klare Ansage von Neuer

Manuel Neuer, ebenfalls auf der Bühne im Pressezentrum, wurde sogar noch konkreter. "Für das Spiel nach vorn bin ich froh, wenn Philipp rechts spielt", sagte er. Zwar schob der Keeper brav hinterher, dass Lahm auch im Mittelfeld gut spielen würde, doch das machte er wohl nur, um den Bundestrainer nicht bloß zu stellen.

Die Botschaft dürfte klar sein. Innerhalb der Mannschaft ist eine Entscheidung längst gefallen. Lahm soll in die Außenverteidigung zurückkehren. Lahm selbst sieht sich als Teamplayer und würde ohne zu murren in die Abwehr zurückkehren, auch wenn er gerne im Mittelfeld spielt.

Liefert Löw dem Team ein Alibi?

Es verfestigt sich immer mehr der Eindruck, dass nur noch Löw daran glaubt, dass Lahm im Mittelfeld die beste Lösung wäre. Löw gilt als stur, als einer, der gerne eigenwillige Entscheidungen trifft. Sollte er Lahm tatsächlich im Mittelfeld auflaufen lassen, dürfte er der Mannschaft ein Alibi für das Scheitern geben. Dann ist nicht sie am WM-Aus schuld, sondern der Trainer. Analog zum EM-Aus 2012 gegen Italien.

Aber die aktuelle Situation kann auch eine große Chance bedeuten, wenn Löw über seinen Schatten springt und die Mannschaft in seinen Entscheidungsprozess maßgeblich miteinbezieht. Dann ist sie gegen Frankreich in der Pflicht. Dann würde es auch wieder einen Schulterschluss mit den Fans zu Hause geben. Ein Erfolg im Viertelfinale würde eine Dynamik in Gang bringen, die zusätzliche Energien freisetzt und das Team bis ins Finale tragen könnte.

Bloß keinen Fehler eingestehen müssen

Die Frage lautet nun: Kann Löw über seinen Schatten springen? Mit ein bisschen Mut und Fingerspitzengefühl steht gegen Frankreich plötzlich die wahre deutsche WM-Mannschaft auf dem Platz.

Dabei könnte sich die Grippewelle am Ende sogar als Segen erweisen. Löw kann alle möglichen Entscheidungen immer damit begründen, dass er auch den Gesundheitszustand seiner Spieler berücksichtigen muss. Ohne dabei öffentlich einen Fehler eingestehen zu müssen. Was zwar nicht schlimm wäre, aber in der egogetriebenen Fußballwelt offenbar ganz fürchterlich sein muss.

"Sieben Spieler sind grippeerkrankt"

"Von daher ist es jetzt zu früh, um über die endgültige Aufstellung zu reden“, baute Löw im ARD-Radio möglichen Überraschungen bereits vor. "Sieben Spieler sind irgendwie leicht grippeerkrankt", sagte er und sprach von "Halsweh", das die meisten hätten. Namen nannte er jedoch nicht. "Es ist nicht schlimm im Moment, ich will es nicht dramatisieren."

Löw war bisher immer für Überraschungen gut. Vielleicht auch dieses Mal. Trifft er jetzt die richtigen Entscheidungen und schafft er es, sein eigenes Ego dem großen Ziel unterzuordnen, kann es noch etwas werden mit dem ganz großen Wurf.

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