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Olympische Spiele 2016: Olympia-Stimmung in Rio? Noch Fehlanzeige


Stadt droht der Kollaps
Olympia-Stimmung in Rio? Noch Fehlanzeige

Von t-online
Aktualisiert am 05.08.2016Lesedauer: 4 Min.
Stimmung bei Olympia? Noch ist davon in Rio de Janeiro nichts zu spüren.Vergrößern des BildesStimmung bei Olympia? Noch ist davon in Rio de Janeiro nichts zu spüren. (Quelle: imago-images-bilder)
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Aus Rio de Janeiro berichtet Johann Schicklinski

Natürlich kommt man in Rio de Janeiro nicht daran vorbei, dass heute die Olympischen Spiele beginnen. Hauswandhohe Werbetafeln der Sponsoren, PR-Aktionen in Einkaufsmeilen oder Fußgängerzonen, eine "Rund-um-die-Uhr-Beschallung" sowie viele tausend Brasilianer, die einen Job im Zusammenhang mit den Spielen haben, prägen das Bild in der Metropole am Zuckerhut.

Doch bei allem Trubel, vor allem durch die gnadenlose Werbemaschinerie, die ein solches Großereignis nun mal begleitet, ist eines doch offensichtlich: Von einem echten Olympia-Feeling ist in der Sechs-Millionen-Einwohner-Stadt noch nicht viel zu spüren.

Zumindest unter den Einheimischen hält sich der Enthusiasmus kurz vor dem Start deutlich in Grenzen. Fragt man auf der Straße Passanten, ob sie sich freuen, dass es endlich losgeht, wird man sofort mit anderen Themen konfrontiert: die massive Geldknappheit in Stadt und Bundesstaat, die erst auf den letzten Drücker fertig gestellten Bauprojekte und die Benachteiligung Einheimischer im Verkehrsfluss der Stadt während Olympia.

Ganz anders die zahlreichen Olympia-Touristen, von denen während der Spiele zwischen 500.000 und 600.000 erwartet werden. Auch sie prägen bereits das Stadtbild, feiernd und in Urlaubsstimmung. Doch auch ihre Euphorie erhält immer wieder Dämpfer.

"Willkommen in der Hölle"

"Willkommen in der Hölle", hieß es noch vor wenigen Wochen auf einem Transparent am Flughafen. Kaum war es entfernt, präsentierten Polizisten dort Banner, auf denen zu lesen war: "Polizei und Feuerwehr werden nicht bezahlt. Wer immer nach Rio de Janeiro kommt, wird nicht sicher sein!"

Unmutsbekundungen, die im Ankunftsbereich des "Aeroporto do Rio de Janeiro" mittlerweile nicht mehr sichtbar sind. Rios Verantwortliche und das Internationale Olympische Komitee (IOC) tragen Sorge, möglichst positiv wahrgenommen zu werden und lassen so etwas nicht mehr zu. In der Stadt stößt man indes auf zahlreiche Proteste. Sie sind ein Ausdruck der generellen Stimmungslage in Rio und können nicht als Meinungsmache einer Minderheit abgetan werden. Sowohl die meisten Cariocas, wie die Einwohner von Rio de Janeiro genannt werden, als auch die Mehrheit der Brasilianer ist gegen die Spiele.

Kosten von rund zwölf Milliarden Euro

Sei es im Taxi, in der Metro oder in den Fußgängerzonen: Immer wieder wird angeprangert, dass die Ausrichtung der Olympischen Spiele eine grenzenlose Verschwendung ist. Die Spiele sollen insgesamt zwischen elf und zwölf Milliarden Euro kosten. Der Gigantismus des IOC binde somit Gelder, die die brasilianische Metropole, aber auch der Staat, dringend an anderer Stelle bräuchten.

Der Vorwurf ist berechtigt: Zum einen hat der Bundesstaat Rio noch vor kurzem den finanziellen Notstand ausgerufen, um Spielraum, sprich Geld vom Staat, für die organisatorische Abwicklung der Spiele zu bekommen. Schulen, Verwaltungen, Krankenhäuser oder die Polizei konnten nicht mehr bezahlt werden. Zudem blieben viele Projekte nicht in ihrem Zeitplan und wurden erst auf den allerletzten Drücker fertig.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Zum anderen ist es ganz offensichtlich: Rios Straßen – darunter wichtige Verbindungen – sind großteils in bemitleidenswertem Zustand und fast immer verstopft. Eine für die Spiele wichtige U-Bahn-Linie ("Nummer Vier") wurde erst unmittelbar vor Olympia fertig. Einsatzbereit ist sie aber nur teilweise: Für Sportler, Olympia-Funktionäre, akkreditierte Medienvertreter und Olympia-Touristen mit Eintrittskarten. Alle anderen dürfen die wichtige Ost-West-Verbindung vorerst nicht nutzen.

Freie Fahrt für einen elitären Kreis

Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten "Olympic Lanes", Fahrspuren auf den Hauptverkehrsstraßen, die ebenfalls der "Olympischen Familie" vorbehalten sind. Das sorgt für riesengroßen Unmut unter den Einheimischen. Zum einen fühlen sie sich diskriminiert. Zum anderen: Wer steht schon gerne im Stau, während ein elitärer Kreis freie Fahrt genießt und vorbeischießt?

Stau, Verstopfung und Stillstand prägen also bereits vorab das Bild in der Millionen-Metropole - während der Spiele dürfte es noch schlimmer werden. Rios Bürgermeister Eduardo Paes hat indes in einer ganz eigenen Logik die Einwohner dazu aufgerufen, während der Spiele öfters mal einen "Feiertag" einzulegen, sprich Zuhause zu bleiben und nicht zur Arbeit oder in die Stadt zu gehen. Damit die Straßen frei sind.

Tief in der Rezession

Neben den Kosten für Olympia tun die generellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihr Übriges: Brasilien steckt in einer der tiefsten Rezessionen seiner Geschichte, die Steuereinnahmen sind drastisch gesunken. Hinzu kommt die Krise im Erdölgeschäft.

Trotz aller negativer Schlagzeilen sieht IOC-Präsident Thomas Bach jedoch keinen Grund zur Sorge. "Wir haben vor jeden Spielen diese Art von Wasserstandsmeldungen. Das ist nichts Neues", sagte er.

Am Ende alles gut?

Wenn es jetzt endlich losgeht, rückt das Sportliche in den Fokus. Die Brasilianer sind als begeisterungsfähiges und lebensfrohes Volk bekannt, das in der Lage ist, zu improvisieren. Durchaus denkbar, dass die Stimmung umschwenkt.

Grund zur Hoffnung besteht durchaus: Im Vorfeld der Fußball-WM 2014 war die Stimmungslage ähnlich schlecht wie jetzt. Auch damals gab es Massenproteste, Demonstrationen und öffentliche Unruhe. Während des Turniers schluckten die meisten Brasilianer dann ihren Groll herunter, nahmen die Euphorie an und feierten ein vierwöchiges Fest. Zumindest bis zum Halbfinal-Aus der Selecao gegen Deutschland.

Geschichte, die sich wiederholen könnte. Denn Brasilien und Rio sind nicht umsonst die Heimat des Karnevals – ein paar Wochen gelöster Stimmung sind immer drin. Vielleicht haben die leidgeplagten Cariocas einfach Lust zu feiern. Auch wenn die Probleme dadurch nicht verschwinden.

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