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Was wir wissen – Russland hatte mit Skripal eine Rechnung offen


Vergifteter Ex-Spion – Was wir wissen
Russland hatte mit Skripal eine Rechnung offen

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16.03.2018Lesedauer: 3 Min.
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Die britische Premierministerin Theresa May besucht Salisbury.Vergrößern des Bildes
Die britische Premierministerin Theresa May besucht Salisbury. (Quelle: Toby Melville/Reuters-bilder)

Der Fall des russischen Ex-Spions Sergej Skripal wirft viele Fragen auf. Zusammen mit seiner Tochter wurde er im englischen Salisbury vergiftet. Für eine Beteiligung Russlands gibt es Indizien, aber keine Beweise.

Wer ist Sergej Skripal?

Der in Kaliningrad geborene Russe arbeitete zunächst als Oberst für den russischen Militärgeheimdienst GRU. Dann ließ er sich vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6 anwerben und übermittelte diesem geheime Informationen, die gegen Russland verwendet werden konnten. Nach seiner Enttarnung 2004, wurde der Familienvater in Moskau verhaftet und kam nach vier Jahren bei einem Gefangenenaustausch frei. Nach seiner Entlassung zog der 66-Jährige nach Großbritannien. Ob er dort weiterhin als Spion tätig war, ist unklar.

Wie wurde Sergej Skripal vergiftet?

Skripal und seine Tochter wurden am 4. März bewusstlos auf einer Bank vor einem Einkaufszentrum in Salisbury aufgefunden. Den Behörden zufolge wurden sie mit dem Gift "Nowitschok" vergiftet. Die britische Zeitung "The Telegraph" berichtet, dass das Gift im Koffer der Tochter versteckt worden sei. Der Ex-Spion und seine Tochter Julia befinden sich weiter in einem ernsten Zustand. Ein britischer Polizist wurde ebenso vergiftet.

Was über "Nowitschok" bekannt ist?

"Nowitschok" zählt zu den tödlichsten Nervengiften, die es gibt. Es wurde gegen Ende des Kalten Krieges in der Sowjetunion als Reaktion auf das Chemiewaffenprogramm der USA entwickelt und wurde bislang von anderen Staaten nicht reproduziert. Bei Berührung mit der Haut oder bei Einnahme durch Essen oder Trinken, tritt die Wirkung des feinen Pulvers ein. Nach Kontakt mit dem Mittel werden Botenstoffe im Körper blockiert, was die Weiterleitung von Signalen im gesamten Nervensystem stört. Bei hoher Dosierung kann es bei Betroffenen binnen weniger Minuten zum Tod durch Atemstillstand kommen.

Wer ist für den Giftanschlag verantwortlich?

Die Ermittlungen im Fall Skripal laufen noch. Bisher gibt es zu den Verantwortlichen keine klaren Fakten. Viele vermuten Russland hinter dem Anschlag. Die britische Premierministerin Theresa May behauptet: "Der russische Staat ist des versuchten Mordes schuldig." Auch die USA, Deutschland und Frankreich vermuten Russland hinter der Attacke. Die Regierung in Moskau streitet aber jede Verwicklung in den Fall ab und fordert von London Beweise. Russlands Außenminister Sergei Lawrow wies die Anschuldigungen als "Propaganda" zurück.

Welches Interesse könnte Russland am Tod Skripals haben?

Die Duma hat vor zwei Jahren ein Gesetz beschlossen, das die Liquidierung von Überläufern und Hochverrätern im Ausland erlaubt. Möglicherweise habe der Kreml angenommen, Skripal habe weiterhin für Geheimdienste gearbeitet, was ihn zum Ziel gemacht haben könnte, sagte Experte Mark Galeotti gegenüber t-online.de. Galeotti ist der Vorsitzende des Zentrums für Europäische Sicherheit am Institut für Internationale Beziehungen in Prag. Als Historiker hat er an der New York University unter anderem russische Sicherheitspolitik gelehrt.

Welche Konsequenzen gibt es?

Großbritannien hat nach der Giftattacke mehrere Maßnahmen gegen Russland eingeleitet. 23 russische Diplomaten wurden ausgewiesen. Russland verhängte kurz darauf eine entsprechende Gegenmaßnahme und schickte 23 britische Botschaftsmitarbeiter zurück nach Großbritannien.

Zur Fußball-WM in Russland wollen weder britische Regierungsvertreter noch Mitglieder des britischen Königshauses reisen – die Mannschaft jedoch schon. Russischen Oligarchen soll der Zugang zu Konten in Großbritannien erschwert werden. Auch Sanktionen gegen die russische Wirtschaft stehen im Raum.

Auch andere westliche Staaten wiesen inzwischen russische Staatsbürger aus. Die USA verwiesen 60 angebliche Geheimdienstmitarbeiter des Landes. Russland kündigte sogleich an, ebenso viele US-Diplomaten auszuweisen. Auch 14 EU-Staaten, darunter Deutschland, schickten russische Diplomaten zurück in die Heimat.

Wie wirksam sind die gegenseitigen Drohungen?

Gegenseitige Drohungen und das Ausweisen von Diplomaten werden den Fall nicht aufklären. Mit weitreichenden Konsequenzen ist ebenso wenig zu rechnen. Trotz des schlechten Verhältnisses zu Russland ist London laut Experten ein bevorzugter Finanzplatz für russisches Geld. Viele russische Firmen bringen jährlich Milliarden nach London, was die britische Wirtschaft stärkt.

Warum ist der Fall so brisant?

Der Fall Skripal ist kein Einzelfall. Im Laufe der letzten Jahre sind regelmäßig russische Ex-Spione im Ausland ums Leben gekommen. 2006 starb Alexander Walterowitsch Litwinenko in London an einer Vergiftung durch radioaktives Polonium. Er arbeitete wie Sergej Skripal für den britischen Geheimdienst MI6. Die Zahl der Todesfälle aus dem russischen Geheimdienst in Großbritannien oder den USA liegt im zweistelligen Bereich.

Der Einsatz eines Nervengifts als Waffe verstößt gegen die Chemiewaffenkonvention. Der Fall sei ein Verstoß gegen das internationale Recht und bedrohe die Sicherheit, heißt es in einer Erklärung der Regierungen von Großbritannien, Deutschland, Frankreich und den USA. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wurden mit dem Fall Skripal in Europa chemische Waffen eingesetzt.

Welche Auswirkungen gibt es?

Schon vor dem Giftanschlag waren die politischen Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien schlecht. Großbritannien zeigte große Unterstützung für UN- und EU-Sanktionen gegen Russland. Belastet waren die Beziehungen auch durch die Vermutungen, Russland habe wiederholt durch Hackerangriffe versucht, die britische Politik zu beeinflussen. Der Fall Skripal vergiftet die russisch-britischen Beziehungen zusätzlich.

Verwendete Quellen
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