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In Baton Rouge getöteter Polizist bewegt mit Facebook-Post


Erneut Morde an US-Polizisten
Amerika blutet, Amerika betet

spiegel-online, Aus Baton Rouge, Louisiana, berichtet Marc Pitzke

18.07.2016Lesedauer: 4 Min.
Montrell Jackson ist einer der am Sonntag in Baton Rouge getöteten Polizisten. Vor wenigen Tagen hatte er auf Facebook einen bewegenden Post verfasst.Vergrößern des BildesMontrell Jackson ist einer der am Sonntag in Baton Rouge getöteten Polizisten. Vor wenigen Tagen hatte er auf Facebook einen bewegenden Post verfasst. (Quelle: ap-bilder)
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"Ich liebe diese Stadt", schrieb Montrell Jackson, ein Cop aus Baton Rouge, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Louisiana. "Aber ich frage mich, ob diese Stadt mich liebt."

Der Facebook-Eintrag, kurz nach den Attentaten auf Polizisten in Dallas, beschrieb einen Mann zwischen zwei Welten. Jackson, 33, war schwarz und ein Cop: "In Uniform bekomme ich hasserfüllte Blicke, und ohne Uniform sehen mich manche als Bedrohung." Trotzdem habe er Hoffnung: "Diese Stadt MUSS und WIRD besser werden."

Mutmaßlicher Schütze identifiziert

Doch am Sonntag wurde Jackson selbst zum Opfer: An einer tristen Straßenecke, zwischen einem Mini-Markt und einer Tankstelle, begann ein vermummter Attentäter, auf Polizisten zu schießen. Drei der Cops starben, darunter Jackson. Er hinterlässt eine Frau und einen vier Monate alten Sohn.

Abends identifizierten die Behörden den mutmaßlichen Todesschützen als Gavin Long, einen seinerseits schwarzen Irak-Veteranen aus Kansas City im Bundesstaat Missouri, 1200 Kilometer von Baton Rouge entfernt. Auch er kam bei dem Feuergefecht um. Am Sonntag war sein 29. Geburtstag.

Attentäter wirkte zeitweise verwirrt

Seine Motive könnten komplexer sein, als es die ersten Fakten nahelegen. Long war Marineinfanterist a. D., er diente "ehrenhaft" im Irak-Krieg. Später bezeichnete er sich als "Guru", postete spirituelle Ratschläge, aber auch teils wirre Online-Tiraden gegen Rassismus und Polizeigewalt, welche wiederum nur durch Gewalt gesühnt werden könne. Er lobte den Attentäter von Dallas.

In der Nacht zu seinem Geburtstag dann eine kryptische Twitter-Nachricht: "Nur weil du jeden Morgen aufwachst, heißt das nicht, dass du lebst. Und nur weil du deinen physischen Körper abwirfst, heißt das nicht, dass du tot bist."

Damit beginnt in dieser ohnehin angespannten, seit Wochen von Protesten geschüttelten Stadt ein Sonntag, der für die Beamten eigentlich Routine sein sollte, sich aber im Polizeifunk dann als längst allzu üblicher Horror entfaltet.

Notruf am Sonntagmorgen

8:40 Uhr: Ein Notruf bringt die Cops zum B-Quick-Markt an besagter Straßenecke - da laufe ein bewaffneter Mann mit Maske rum. 8:42 Uhr: Die ersten Schüsse fallen. 8:44 Uhr: "Officers down!" - Beamte verwundet. 8:46 Uhr: "Der Verdächtige ist an der Autowaschanlage." 8:48 Uhr: Ambulanzen rasen heran.

In nicht mal zehn Minuten ist alles vorbei - und drei Polizisten sind tot: Brad Garafola, 45, ein Hilfssheriff aus East Baton Rouge; Matthew Gerald, 41, ein ehemaliger Soldat, der erst seit einem Jahr beim Baton Rouge Police Department war; und Montrell Jackson, seit zehn Jahren ein Cop hier.

Amerika blutet. Erst die schier endlose Abfolge von erschossenen Schwarzen - darunter Alton Sterling, der ebenfalls in Baton Rouge starb. Dann der Terroranschlag von Dallas, wo ein schwarzer Heckenschütze am Rand einer Demonstration gegen Polizeigewalt fünf Cops tötete. Und nun Baton Rouge.

"Hier gehts nicht mehr um Schwarz gegen Weiß, um Zivilist gegen Cop", sagt einer der müden Beamten, die den Schauplatz, an dem ihre Kollegen starben, mit blinkenden Streifenwagen abgesperrt haben. "Hier gehts nur noch um Gut gegen Böse."

Dieser Satz und Montrell Jacksons Facebook-Post umreißen die Stimmung hier besser als jede offizielle Verlautbarung. Die Fronten verwischen und verhärten sich zugleich, die Waffengewalt trifft längst alle, Schwarze wie Weiße, Bürger wie Ordnungshüter. Zurück bleiben nur zerstörte Familien, gebrochene Herzen, verschreckte Gemeinden - und schiere Verzweiflung.

"Wir sind ein friedliches Volk"

Die offenbart sich an Veda Washington-Abusaleh, die am Sonntag vor dem Mini-Markt, wo ihr Neffe Alton Sterling nicht weit entfernt vom jüngsten Tatort verblutet war, zusammenbricht: "Wir sind ein friedliches Volk", sagt sie laut heulend. "Wir wollen kein weiteres Blutvergießen. Beendet dieses Töten!"

Sie offenbart sich an den entsetzten schwarzen Protestlern, die ihre täglichen Demonstrationen gegen Polizeigewalt hier erst mal abgesagt haben: "Gewalt hilft uns nicht, sie macht die Probleme nur noch schlimmer."

Sie offenbart sich an John Bel Edwards, dem schwarzen Gouverneur von Louisiana, der, nachdem er die Hinterbliebenen trösten musste, selbst die Tränen kaum zurückhalten kann und zum gemeinsamen Gebet aufruft.

Gebete gegen Waffen

Amerika betet. Von Präsident Barack Obama über die Demokraten-Kandidatin Hillary Clinton bis hin zu Kip Holden, dem ersten schwarzen Bürgermeister von Baton Rouge, intonieren sie wieder "thoughts and prayers" - jene Floskel, die kommt, wenn Worte und Taten nichts mehr bewirken. Sie hilft, zumindest für die, die daran glauben, doch ändern wird sie wohl wenig.

Nur einer verweigert sich der Pietät. Donald Trump, der diese Woche beim Parteitag der Republikaner in Cleveland als Law-and-Order-Kandidat punkten will, begründet die jüngste Bluttat mit der "Führungsschwäche in unserem Land". Das passt ihm bestens ins Konzept - der erste Tag des Treffens steht denn nun auch unter dem Motto: "Make America safe again" (Machen wir Amerika wieder sicher).

Am Ende hallen aber nur die Worte des erschossenen Polizisten Montreal Jackson nach. "Wenn ihr mich seht und eine Umarmung braucht oder ein Gebet sagen wollt", schrieb der in seinem Facebook-Eintrag, "ich bin für euch da."

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