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Interview mit Bürgermeister Lewe: Weshalb die AfD in Münster versagte


Bürgermeister im Interview
Weshalb die AfD in Münster versagte

t-online, Marie Illner

Aktualisiert am 29.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Radfahrer auf dem Prinzipalmarkt in Münster.Vergrößern des BildesRadfahrer auf dem Prinzipalmarkt in Münster. (Quelle: Friso Gentsch/dpa-bilder)
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Hätten alle Wähler so entschieden wie die Münsteraner, dann säße die AfD nicht im Bundestag. Weniger als fünf Prozent gaben der Alternative für Deutschland ihre Stimme. Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) erklärt, wieso.

Ein Interview von Marie Illner

t-online.de: Die AfD hat in Münster nur 4,5 Prozent der Erststimmen und 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreichen können. Wenn bundesweit so gewählt worden wäre, wie in Münster, säße die AfD noch nicht einmal im Bundestag. Macht Sie das als Oberbürgermeister stolz?

Lewe: Ich war am Anfang natürlich ein bisschen stolz darauf. Aber es ist kein Grund darüber zu jubeln und hochmütig zu werden. Im gleichen Atemzug muss ich sagen: Es wäre mir viel lieber, wenn wir es deutschlandweit hinkriegen würden, das Lebensumfeld für die Menschen so zu gestalten, dass erst gar nicht eine Dynamik entsteht, die die AfD zu einer starken Kraft machen kann.“

Haben Sie den niedrigen Wert erwartet?

Im Prinzip ja. Es hat immer eine recht große Schar bürgerlicher Kräfte gegeben, die gar nicht so sehr gegen die AfD operieren wollten, sondern vielmehr für den Zusammenhalt, das Miteinander und den Reichtum von Vielfalt. Das hat der ganzen Stadtkultur gutgetan. Die Auseinandersetzung damit war durchaus hilfreich.

Wie kann man erklären, dass die AfD gerade in Münster bundesweit ihr schlechtestes Ergebnis erzielt hat?

In Münster und im Münsterland finden wir natürlich gute, historisch gewachsene Rahmenbedingungen vor, deshalb darf man eben auch nicht hochmütig werden. Die Menschen hier sind sehr aufmerksam und kritisch. Das ehrenamtliche Engagement in der Stadt ist zum Beispiel sehr ausgeprägt. Bürgerschaftliche Verantwortung wird hier noch sehr groß geschrieben. Hinzu kommt, dass wir eine Menge sicherer Arbeitsplätze hier vor Ort haben. Viele Bürgerinnen und Bürger arbeiten beispielsweise im öffentlichen Dienst und es gibt eine Menge Studenten. Das sind sicherlich Aspekte, die man auch mit einer gewissen Demut betrachten darf.

Wie ist man mit der AfD denn im Wahlkampf umgegangen?

Alle haben sich um die positive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die wir haben - Themen wie innere Sicherheit und der Umgang mit geflüchteten Menschen – bemüht. Hilfreich war auch, dass Münster bereits einiges an Erfahrungen gesammelt hat: Wir haben beispielsweise schon seit zehn Jahren ein Flüchtlingskonzept, das auf einer sehr integrierenden Flüchtlingsarbeit basiert. Die Bürgerinnen und Bürger haben daher recht großes Vertrauen und gehen diese Aufgaben mit Zuversicht an.

Zudem gibt es eine sehr hohe Sensibilität für diskriminierende Äußerungen und Handlungen, die Minderheiten in eine Ecke stellen. Dieses Gefühl ist hier tief verankert, weit über die unterschiedlichen Parteien hinweg. Wir sprechen in diesen Situationen immer vom "Münster-Konsens". Immer dann, wenn es kritisch wird, oder besondere Herausforderungen auf uns zukommen, ist er spürbar. Im Januar hat es zum Beispiel ein wichtiges Ereignis gegeben, als ein Empfang der AfD im Rathaus stattfand. Die Kaufmannschaft des Prinzipalmarktes hatte spontan entschieden, als Zeichen für Münsters Internationalität und Offenheit Europaflaggen aufzuhängen. Sie waren dann, über den gesamten, verdunkelten Prinzipalmarkt hinweg, zu sehen. Als mahnendes Zeichen für Zusammenhalt.

Auch wenn es das bundesweit schwächste Ergebnis ist – wie wollen Sie mit den AfD-Wählern Ihrer Stadt umgehen?

Entscheidend ist für mich die Frage: Warum ist einigen Wählerinnen und Wählern das Vertrauen in die Politik verloren gegangen? Es wird die große Herausforderung sein, dieses wiederherzustellen. Eines der großen Probleme im Wahlkampf war, dass viele Wählerinnen und Wähler sich nicht ernstgenommen gefühlt haben. Es war wohl ein Zeichen von Verzweiflung und Verunsicherung. Sie wollten den etablierten Parteien zeigen: Wir sind nicht einverstanden damit, wie wir wahrgenommen werden und wie Lösungsangebote geschaffen werden. Gerade in den Regionen in Deutschland, wo die AfD besonders stark geworden ist, empfinden Menschen nicht genügend Anerkennung und Wertschätzung. Das wird in den kommenden Jahren eine große Herausforderung sein.

Den Medien wurde vorgeworfen, dass sie die AfD größer gemacht haben, als sie eigentlich ist. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ich sage an dieser Stelle: Lasst uns nicht immer definieren, wogegen wir sind, sondern lasst uns doch einmal herausstellen, wofür es sich lohnt, zu kämpfen. Für welche Werte es sich lohnt, einzutreten. Lasst uns die Menschen, die sich damit schwertun, ganz anders mitnehmen. Mit ihnen nicht zu reden, ist das Schlimmste, was man tun kann. Wir brauchen ein offenes Ohr, um zu wissen, wo der Schuh drückt. Manche sind verunsichert im Bezug auf ihre Arbeitsplätze, andere fühlen sich in ihrer Wohnung nicht mehr sicher – darüber kann man nicht einfach hinweggehen. Man muss so etwas ehrlich ansprechen und es als Herausforderung anpacken.

Sie sagten, Sie fänden in Münster bereits gute Strukturen vor. Haben Sie dennoch Tipps für andere Städte?

Ich nehme wahr, dass meine Kolleginnen und Kollegen schon eine ganze Menge tun. Oft müssen sie aber mit schwierigen Rahmenbedingungen operieren, die viel tiefere Ursachen haben. Damit meine ich beispielsweise die Städte, die große Umstrukturierungen hinter sich haben, oder sich noch in einer solchen Phase befinden. Auch die ehemaligen Montanstädte und die Kohlestädte zählen dazu, denn sie haben mit erheblichen sozialen Herausforderungen zu kämpfen. Es wird darauf ankommen, solidarischer mit den Städten untereinander zu kooperieren. Solidarität heißt hier: Sorge dafür zu tragen, dass in Regionen wie dem Ruhrgebiet oder in Ostdeutschland Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen die Menschen zufriedener leben können.

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