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München: Bürgermeister bezeichnet Wiesn als „offene Drogenszene“ – zurecht?


"Offene Drogenszene" auf der Wiesn
Endlich sagt's mal einer

MeinungVon Daniel Salg

07.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Weniger Alkohol Trinken: Gar nicht so einfach, wenn es so ein Ritual ist, wie hier auf dem Oktoberfest in München.Vergrößern des Bildes
Für Münchens Zweiten Bürgermeister hagelt es Kritik, weil er von einer "offenen Drogenszene" auf der Wiesn gesprochen hatte (Archivbild). (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)

Münchens Zweiter Bürgermeister wird mit Kritik überschüttet, weil er das Oktoberfest als "offene Drogenszene" bezeichnet hat. Dabei steckt in seiner Aussage viel Wahres.

Menschen, die sich schon früh am Morgen ein Bier nach dem anderen genehmigen. Einheimische und Touristen, die abends auf dem "Kotzhügel" landen und nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Und zu guter Letzt Sanitäter, die teils Hunderte Male pro Tag zu Besoffenen ausrücken müssen.

Ja, all das ist Oktoberfest. Und ja, das hat auch was mit Drogen zu tun – nämlich mit der Droge Alkohol. Dennoch hagelt es Kritik, weil Dominik Krause, Münchens neuer Zweiter Bürgermeister, das Oktoberfest als "weltweit größte offene Drogenszene" bezeichnet hat. Dabei hat er doch nur die Wahrheit gesagt. Kommt die Kritik womöglich nur, weil das Geschäft mit der Droge Alkohol der Stadt und im Speziellen den Wiesn-Wirten viel Geld in die Kassen spült?

"Sieben Millionen Besucher werden mit Drogenkonsumenten gleichgesetzt"

"Hier werden sieben Millionen Besucher mit Drogenkonsumenten gleichgesetzt und diskreditiert", giften die Sprecher der Vereinigung der Münchner Wiesn-Wirte, Peter Inselkammer und Christian Schottenhamel, gegen den Grünen-Politiker. Zugegeben: Das Oktoberfest hat auch seine schönen Seiten, und nicht jeder, der die Wiesn besucht, hat ein Alkoholproblem.

Aber wenn man sich einmal die Zeit nimmt, das Oktoberfest komplett nüchtern zu besuchen, dann wird einem schnell klar: Drogen sind hier ein Problem. Zum einen ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr die Drogenkriminalität um 80 Prozent gestiegen, wie die Polizei mitteilte. In 40 Prozent der Fälle ging es um Kokain. Aber das größte Problem dürfte die legale Droge Alkohol geblieben sein.

Damit sind nicht die Wiesn-Besucher gemeint, die sich Jahr für Jahr bis an den Rand der Besinnungslosigkeit trinken und ihren Rausch danach auf der Sanitätsstation ausschlafen. Vielmehr sind jene gemeint, die nach der x-ten Maß Dinge tun, die sie sonst wahrscheinlich nie getan hätten.

Durch Alkohol fallen die Hemmungen

Eine Frau, die in der Nähe der Wiesn wohnt und arbeitet, hat t-online etwa in diesem Jahr erzählt, dass sich immer wieder Menschen vor ihrer Haustür übergeben oder sich andere Hinterlassenschaften finden. Aber das oder die unzähligen Schlägereien unter Alkoholeinfluss sind noch längst nicht das Schlimmste – offenbar stachelt die feuchtfröhliche Atmosphäre in den Bierzelten auch Spanner zu widerwärtigen Taten an.

In diesem Jahr sorgte "Upskirting" reihenweise für Schlagzeilen. Männer haben Frauen immer wieder unter die Dirndl fotografiert. Auch sexuelle Belästigungen gab es während der letzten Wiesn wieder – angezeigt wurden sogar deutlich mehr Delikte als 2022 und 2019. In sechs Fällen ermittelt die Polizei sogar wegen Vergewaltigung. So was ist schwer zu ertragen.

Klar, unter 7 Millionen Besuchern sind zwangsläufig Menschen dabei, die auch ohne Alkohol Dinge tun würden, die sich nicht gehören oder gar strafbar sind. Aber man muss weder Medizin noch Psychologie studiert haben, um zu wissen, dass der Alkohol seinen Anteil an manchen Taten hat. Und der fließt nun mal in Massen auf der Wiesn.

Tatsächlich hat die Wiesn auch ihre schönen Seiten. Sie gehört allein schon wegen ihrer Tradition zu München, wie der Fischmarkt zu Hamburg oder der Christkindlesmarkt zu Nürnberg. Es sei auch jedem gegönnt, sich zu einer zünftigen Brotzeit oder einem Hendl eine Maß Bier auf der Theresienwiese zu genehmigen. Doch viele Besucher genießen die Maß eher in Massen als in Maßen – weshalb die Wiesn auch ihre Schattenseiten hat.

Die Wiesn ist ein Milliardengeschäft

Nur über die Schattenseiten redet in München normalerweise niemand gerne – schließlich ist das Oktoberfest ein Milliardengeschäft. Fast allen Wirtschaftszweigen spült es Geld in die Kassen. Vertreter der Stadt sind sich dessen in der Regel bewusst. Statements rund um die Wiesn werden sorgfältig abgestimmt – kritische Stimmen hört man normalerweise auf Bilanz-Pressekonferenzen selbst von der Polizei kaum.

Es mag sein, dass Krause die Aussagen, die er im Interview mit einem Münchner Instagram-Kanal getroffen hatte, nur herausgerutscht sind. Schließlich ist er ja nicht einmal zwei Wochen im Amt. Vielleicht hat er auch nur die Reichweite des Kanals unterschätzt. Wer aber behauptet, dass Drogen – insbesondere Alkohol – auf der Wiesn kein Problem seien, verschließt die Augen vor der Wahrheit.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München vom 03.10.2023: "Der Münchner Polizeieinsatz zum 188. Oktoberfest"
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