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Teilzeitfalle: Wer ist betroffen und was kann man dagegen tun?


Weibliche Altersarmut
"Teilzeit ist Gift für die Rente der Frauen"


13.03.2021Lesedauer: 6 Min.
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Eine Mutter spielt mit ihren Kindern (Symbolbild): Noch immer stecken häufig die Frauen beruflich zurück.Vergrößern des Bildes
Eine Mutter spielt mit ihren Kindern (Symbolbild): Noch immer stecken häufig die Frauen beruflich zurück. (Quelle: Maskot/getty-images-bilder)

Auch viele Väter wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kindern. Trotzdem sind es überwiegend Frauen, die in Teilzeit gehen und länger Elterngeld beziehen. Eine große Rolle spielen Stereotype und ungleiche Gehälter.

Kinder erziehen, Angehörige pflegen, sich weiterbilden oder einfach mal kürzertreten: Gründe für einen Wechsel in Teilzeit gibt es reichlich. Doch wer einmal drinsteckt, kommt oft nicht so leicht wieder heraus.

Entweder blockiert der Arbeitgeber die Rückkehr in Vollzeit oder die Arbeitszeit muss aus der Not heraus gekürzt bleiben, weil passende Kita- oder Pflegeplätze fehlen. Nicht zuletzt kann die Entscheidung für Teil- und Elternzeit auch eine bewusste Wahl sein.

Für die finanziellen Folgen sind die Beweggründe allerdings unerheblich – und die treffen insbesondere Frauen. Warum ist das noch immer so? Wie kann Sorgearbeit gerechter auf die Geschlechter verteilt werden? Und wenn man die Arbeitsteilung ganz bewusst so gewählt hat: Wie kann man trotzdem für einen gerechten finanziellen Ausgleich sorgen?

Was sind die Folgen von Teilzeit?

Wer in Teilzeit arbeitet, verdient weniger – so weit, so logisch. Doch die Lohneinbußen entstehen sogar überproportional. Denn im Schnitt sinkt auch der Lohn pro Stunde. "Teilzeitstrafe", nennt das die Wirtschaftsforscherin Christina Boll, Leiterin der Abteilung "Familie und Familienpolitik" am Deutschen Jugendinstitut. Rund ein Drittel des Gender-Pay-Gap sei so zu erklären. "In keinem anderen EU-Land ist der Einfluss von Teilzeitarbeit so groß wie in Deutschland", sagt Boll.

Das liege daran, dass deutsche Teilzeitkräfte mit durchschnittlich 20 Wochenstunden vergleichsweise wenig arbeiteten, neue und oft weniger verantwortungsvolle Aufgabenfelder bekämen, seltener an betrieblichen Weiterbildungen teilnehmen würden und nur sehr selten in Führungspositionen tätig seien.

Mehr als die Hälfte der deutschen Mütter arbeitet selbst dann noch in Teilzeit, wenn das jüngste Kind bereits ein Teenager ist. Das hat nicht nur Folgen für das Monatsgehalt.

"Teilzeit ist Gift für die Rente der Frauen"

Im Laufe ihres gesamten Erwerbslebens verdienen Frauen fast 50 Prozent weniger als Männer; in den niedrigen Einkommensklassen ist die Lücke sogar noch gravierender. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Boll noch in ihrer früheren Funktion als Forschungsdirektorin am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut verantwortete.

"Teilzeit ist Gift für die Rente der Frauen", sagt Brigitte Dinkelaker, Leiterin des Projekts "Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten" des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). "Dass Frauen wegen der Familie in Teilzeit arbeiten, ist in Deutschland noch sehr verbreitet und führt direkt in die weibliche Altersarmut".

Weniger Rente, kein garantierter Unterhalt

Problematisch wird es vor allem, wenn eine Partnerschaft nicht hält. Zwar werden zumindest nach einer Scheidung Rentenpunkte zugunsten der Frau umgeschichtet, ein 100-prozentiger Ausgleich ist das aber nicht.

Seit 2008 gibt es zudem kein generelles Recht auf Unterhalt vom Ex-Partner mehr. Und wer plötzlich darauf angewiesen ist, wieder in Vollzeit zu arbeiten, merkt unter Umständen: So einfach ist die Rückkehr gar nicht. Denn Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, die Stunden wieder aufzustocken – die Teilzeitfalle schnappt zu.

Nur wer bereits vor dem Start der Teilzeit festgelegt hat, wann er wieder in Vollzeit in den Job zurückkehren möchte, arbeitet automatisch wieder so viele Stunden wie zuvor. Diese sogenannte Brückenteilzeit können aber nicht alle Angestellten nutzen. Sie gilt nur in Unternehmen ab 45 Mitarbeitern.

Was gilt als Teilzeit?
Teilzeitbeschäftigt sind Sie, wenn Ihre regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist, als die von vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Kollegen im selben Unternehmen. Arbeiten alle Angestellten normalerweise 40 Stunden, sind 39 Stunden theoretisch bereits eine Teilzeitstelle.

Warum arbeiten Frauen öfter in Teilzeit?

Noch immer ist es so, dass das Gehalt von Frauen in der Regel niedriger ist als das des Mannes. Vielen Ehepaaren fällt es deshalb leichter, auf einen Teil dieses Gehalts zu verzichten. Dass die "Zuverdienerin" kürzertritt, ergibt sich sozusagen automatisch.

"So reproduziert sich Ungleichheit", sagt Wirtschaftsforscherin Boll. Man schaffe selbst wieder die Fakten, die einen überhaupt erst in die Situation gebracht haben. "Ein Teufelskreis."

"Viele Frauen möchten das gerne so"

Wido Geis-Thöne, Experte für Familienpolitik am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), nennt Stereotype als weiteren Faktor. "Es gibt immer noch die gesellschaftliche Erwartung, dass eher Frauen die Sorgearbeit leisten – und viele möchten das auch gerne."

Während sich die Frau ums Kind kümmere, mache der Mann weiter Karriere. So vergrößere sich der Gehaltsunterschied noch weiter.

Väter würden Teilzeit oder Erwerbsunterbrechungen zudem oft aus Angst vor einem Karriereknick ablehnen, sagt Geis-Thöne. "Sie wollen für finanzielle Stabilität sorgen. Das gilt umso mehr, wenn mit der Familiengründung auch die Finanzierung eines Eigenheims einhergeht."

Je nach Länge des Arbeitswegs sei es für manche Familien zudem gar nicht praktikabel, dass beide Partner ihre Arbeitszeit ein bisschen reduzierten, so der IW-Experte. "Zweimal Teilzeit bedeutet in manchen Fällen viel mehr Stress, als wenn nur einer deutlich weniger arbeitet."

Die Entscheidung darüber, wer zu Hause bleibt, fällt dann oft anhand des Verdienstes. Eine neue Studie des IW zeigt, dass die Aufgabenteilung umso traditioneller ausfällt, je größter der Lohnunterschied ist.

Entscheidet sich ein Paar aus finanziellen Gründen für ein klassisches Modell, verdient die Frau durchschnittlich rund 26 Prozent brutto je Stunde weniger als ihr Partner. Bleibt der Mann aus finanziellen Gründen zu Hause, verdient die Frau im Schnitt knapp 7 Prozent mehr.

DGB-Expertin Dinkelaker betont, dass es für Männer vielfach sogar einfacher sein könnte, Beruf und Familie zu vereinbaren. "Männer arbeiten deutlich häufiger als Frauen in Branchen, in denen es bessere Löhne, Mitbestimmung und familienfreundliche Vereinbarungen gibt."

Jetzt sind Sie dran: Wie regeln Sie zu Hause die Sorgearbeit oder haben Sie sie damals geregelt? Haben Sie sich entschieden, im Job zurückzustecken? Wenn ja, warum? War es eine bewusste Wahl oder ging es einfach nicht anders? Was hätte Ihnen geholfen? Schreiben Sie uns an wirtschaft-finanzen@stroeer.de.

Was sollten Politik und Unternehmen ändern?

"Wir müssen weg davon, dass Teilzeitarbeit abgestraft wird", sagt Boll. Eine wichtige Stellschraube sieht sie darin, Arbeitszeit flexibler gestalten zu können. "Wir wissen aus Studien, dass Frauen ihre Arbeitsstunden erhöhen, wenn sie die Möglichkeit haben, sie zum Beispiel in den Abend zu verlegen."

Es sei zu hoffen, dass die Präsenzkultur in deutschen Unternehmen durch die Corona-Pandemie zurückgehe und auch in Zukunft mehr Homeoffice möglich gemacht werde.

Allerdings könnten davon nicht alle profitieren. "In vielen Berufen wie etwa als Krankenschwester, Verkäuferin oder Kfz-Mechaniker ist Homeoffice kein Thema", sagt Geis-Thöne.

In seinen Augen muss man viel früher ansetzen. "Wenn wir wollen, dass Frauen mehr verdienen, müssen wir sie von Kind an an Technik und Naturwissenschaften heranführen." Aktionen wie der "Girls' Day", bei denen Mädchen gezielt an Berufe in solchen Branchen herangeführt werden, seien ein guter Anfang.

Außerdem sollten Betreuungsangebote ausgebaut werden, so Geis-Thöne. "Das würde Frauen ermöglichen, früher an den Arbeitsmarkt zurückzukehren, was sich auch positiv aufs Gehalt auswirken würde."

Mehr Partnermonate, mehr Elterngeld

Ein weiterer wichtiger Hebel: Die Elternzeit muss für Väter attraktiver werden. Dazu sei die schrittweise Ausweitung der Partnermonate nötig, sagt Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

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Gingen vor 2007, als das Elterngeld eingeführt wurde, gerade einmal 3 Prozent der Väter in Elternzeit, seien es inzwischen fast 40 Prozent. "Solche Anreize verschieben die gesellschaftliche Norm. Allerdings sehen wir auch, dass die meisten Väter eben nur diese zwei Partnermonate nehmen", so Wrohlich. Gebe es mehr, gepaart mit höheren Lohnersatzraten, könne das die Scheu vor längeren Babypausen auflösen.

Auch DGB-Expertin Dinkelaker schlägt vor, beim Elterngeld zusätzliche Anreize für mehr Partnerschaftlichkeit zu schaffen. "Beispielsweise könnten die Partnermonate ausgebaut oder die Entgeltersatzleistung so gestaffelt werden, dass auch Eltern mit niedrigeren Einkommen es besser nutzen können. Und auch eine 10-tägige bezahlte Väterfreistellung zur Geburt wäre ein Schritt in die richtige Richtung."

Zahlen: Nur etwa vier von zehn Männern nehmen überhaupt Elternzeit und wenn, dann oft nur jene zwei Partnermonate, durch die sich das Elterngeld auf 14 Monate verlängert. Diese zusätzlichen Partnermonate gibt es, wenn beide Partner für mindestens zwei Monate Elterngeld beantragen und mindestens einer sein Einkommen für zwei Monate nach der Geburt des Kindes verringert.

Was sagt das Familienministerium dazu?

Das Bundesfamilienministerium weist darauf hin, dass Mütter und Väter bereits dank der Einführung des ElterngeldPlus mit Partnerschaftsbonus die Chance haben, Sorge- und Erwerbsarbeit partnerschaftlicher aufzuteilen – und die werde auch genutzt. "82 Prozent der Eltern, die den Partnerbonus nehmen, geben an, sich die Kinderbetreuung zu gleichen Teilen aufzuteilen", so eine Sprecherin.

Solche partnerschaftlichen Modelle wolle man weiter unterstützen. "Ein Weg könnte sein, über die Verteilung der Elterngeldmonate unter den Eltern nachzudenken. Auch die stärkere Unterstützung der parallelen Teilzeit der Eltern, wie beim Partnerschaftsbonus, ist ein Zukunftsmodell."

Was können Frauen selbst ändern?

Es gibt gute Gründe, in Teilzeit zu arbeiten. Und für viele Frauen kann das Modell genau richtig sein. Das ändert aber nichts daran, dass der- oder eben meist diejenige finanzielle Einbußen hat. Dieser Nachteil wird vielen oft zu spät bewusst – etwa wenn sie nach einer Trennung auf sich allein gestellt sind.

Selbst wer Erfüllung darin findet, sich um die Kinder zu kümmern, hat für diese Sorgearbeit Wertschätzung verdient. Und zwar auch in Form von Geld, findet etwa Finanzbloggerin Natascha Wegelin, die als "Madame Moneypenny" daran arbeitet, Frauen an Geldanlage heranzuführen.

Sie sagt: "Frauen dürfen das Problem der drohenden Altersarmut nicht einfach verdrängen. Stattdessen müssen wir Verantwortung für unsere eigenen Finanzen übernehmen." Dazu zähle auch, vom Partner einen finanziellen Ausgleich für Renteneinbußen durch Teil- und Elternzeit zu verlangen.

Wegelin rät dazu, dieses Geld selbstständig für die Altersvorsorge zu nutzen und nicht den Partner für einen in ein bestimmtes Produkt investieren zu lassen. Sie empfiehlt dafür einen monatlichen Sparplan in einen weltweiten ETF. Das sind Fonds, die einen Aktienindex nachbilden und sich für Anfänger gut eignen. Lesen Sie hier, wie Sie einen solchen Sparplan anlegen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Statistisches Bundesamt
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