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Dortmund: Gewalt gegen Obdachlose – "Wir werden wie Abschaum behandelt"


"Wir werden wie Abschaum behandelt"

Von David Peters

Aktualisiert am 10.02.2021Lesedauer: 3 Min.
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Ein obdachloser Mann bettelt um Geld (Symbolbild): Viele Menschen, die auf der Straße leben, erleben Gewalt.Vergrößern des Bildes
Ein obdachloser Mann bettelt um Geld (Symbolbild): Viele Menschen, die auf der Straße leben, erleben Gewalt. (Quelle: Chris Emil Janßen/imago-images-bilder)

In Dortmund wurde ein Obdachloser brutal überfallen. Für Hilfsorganisationen kein Einzelfall. Sie warnen vor einer hohen Dunkelziffer bei Gewalttaten gegen Obdachlose.

Der Überfall auf einen Obdachlosen in Dortmund am vergangenen Dienstag machte Schlagzeilen. Vier junge Männer hatten den 41-Jährigen erst nach einer Zigarette gefragt, bevor sie ihm unvermittelt mit einem Gegenstand auf den Kopf schlugen. Zudem raubten sie ihm einen Becher mit erbetteltem Geld – etwa 20 Euro. Der obdachlose Mann wurde schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht.

Bereits im August vergangenen Jahres ereignete sich in Dortmund eine ähnliche Tat. In der Nähe des Hauptbahnhofs wollten zwei 16-Jährige einem schlafenden Obdachlosen einen Becher mit Kleingeld stehlen. Als dieser aufwachte, zog einer der Täter eine Schreckschusspistole und schoss in Richtung des Opfers.

Hohe Dunkelziffer bei Straftaten gegen Obdachlose

Dass Obdach- und Wohnungslose Opfer von gewalttätigen Übergriffen werden, ist kein Einzelfall, berichtet Alexandra Gehrhardt von Bodo, einem Verein, der Menschen in sozialen Notlagen hilft. "Viele Obdachlose schildern uns teils drastische Gewalterfahrungen. Diese finden in einem viel größeren Maße statt, als sie in Statistiken abgebildet werden." Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) dokumentiert seit 1989 anhand von Presseauswertungen Gewalttaten zum Nachteil von obdachlosen Menschen. Die Statistik zählt (Stand April 2020) mehr als 2.200 Fälle – 565 mit Todesfolge. "Gewalt gegen wohnungslose und sozial ausgegrenzte Menschen ist ein alltägliches Phänomen in unserer Gesellschaft", so die BAG W. Deshalb fordere man eine Förderung der wissenschaftlichen Forschung zur Gewalt gegen wohnungslose Menschen. Neben der BAG W führt auch das Bundeskriminalamt eine Statistik, in der die Straftaten gegen Obdachlose gezählt werden.

Diese Statistiken würden allerdings nur die angezeigten oder medial prominenten Fälle registrieren, führt Gehrhardt aus: "Wir gehen von einer großen Dunkelziffer aus." Viele Obdachlose, die Opfer von Straftaten geworden sind, würden diese nicht anzeigen. "Häufig können Täter nicht beschrieben werden oder es besteht Scheu davor, zur Polizei zu gehen. Wenn man auf der Straße lebt, wird die Polizei eher als sanktionierende Institution wahrgenommen", erklärt sie.

Pöbeleien und Beleidigungen an der Tagesordnung

"Manche wollen es nicht zugeben, wenn sie überfallen werden. Vielleicht aus Angst vor Rache", vermutet Max, der seit sechs Monaten auf der Straße lebt. Viele würden sich schämen, wenn sie Opfer von Angriffen werden und solche Ereignisse nicht einräumen. "Wir haben untereinander über den Vorfall gesprochen", erzählt er. Er selbst musste noch keine Erfahrung mit Gewalt machen. "Was aber häufig vorkommt, sind Pöbeleien und Beleidigungen – teils von Betrunkenen, aber auch von 'Normalbürgern'. Wir werden wie Abschaum behandelt", schildert der 30-Jährige. Das mancher auf ihn herabblickt oder die Nase rümpft, ärgere ihn. Es störe ihn selbst, wenn er seine Kleidung länger nicht waschen konnte oder die letzte Dusche Wochen zurückliege, berichtet Max, der nach eigener Aussage zehn Jahre in der Pflege beschäftigt war.

"Die Stigmatisierung und die Abwertung von Wohnungslosen ist weit verbreitet und begünstigt Gewalt gegenüber diesen Menschen", so Alexandra Gehrhardt. Auf der Straße seien Obdachlose ungeschützt und würden dadurch häufig zu Opfern. Auch Gewalttaten durch Streitigkeiten innerhalb der Wohnungslosenszene seien ein Problem, erklärt sie: "Auf der Straße zu leben ist eine permanente Stresssituation. Wenn die Ressourcen knapp sind und die Konkurrenz groß, kann man sich Ärger und Stress nicht einfach entziehen, indem man nach Hause geht."

Um sich effektiv vor Gewalt zu schützen, würden obdachlose Menschen einen Rückzugsraum benötigen. "Sammelunterkünfte helfen da nicht. Viele Leute meiden diese Unterkünfte, weil sie dort Gewalterfahrungen machen", berichtet Gehrhardt von den Erfahrungen der Betroffenen. "Es braucht nicht nur eine Tür, die man schließen, sondern eine, die man abschließen kann. Das Wichtigste ist eine eigene Wohnung."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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