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Nach Tod von Neonazi: Experte befürchtet Glorifizierung von "SS-Siggi"


Nach Tod von Neonazi
Experte befürchtet Glorifizierung von "SS-Siggi"

  • Nils Heidemann
Von Nils Heidemann

Aktualisiert am 06.10.2021Lesedauer: 3 Min.
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Siegfried Borchardt, genannt "SS-Siggi" (Archivbild): Der bekannte Dortmunder Rechtsextremist ist am Wochenende verstorben.Vergrößern des Bildes
Siegfried Borchardt, genannt "SS-Siggi" (Archivbild): Der bekannte Dortmunder Rechtsextremist ist am Wochenende verstorben. (Quelle: Reichwein/imago-images-bilder)

Der bekannte Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt ist tot. Wie wirkt sich das auf die Szene in Dortmund aus? t-online hat mit einem Experten für Rechtsextremismus gesprochen.

In den vergangenen Jahren war "SS Siggi" nur noch eine im Hintergrund agierende "Identifikationsfigur" in der rechtsextremen Szene von Dortmund. Diesen Status, auch über NRW-Grenzen hinaus, erlangte er, da er ab Anfang der 1980er-Jahre das bis heute bestehende Neonazi-Netzwerk im Ruhrgebiet aufbaute. Doch seit einem Generationswechsel und einer Verjüngung der Szene in den 2000er-Jahren zog sich Borchardt zurück.

"Obwohl er 2014 noch kurzzeitig für 'Die Rechte' in den Stadtrat gewählt wurde, war er bereits dort niemand mehr, der die Geschicke der Szene bestimmte", so Leroy Böthel von der örtlichen Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus. "Er war nur noch eine Identifikationsfigur, auf die sich alle Generationen einigen konnten."

"SS Siggi" ist tot: "Szene strukturell nicht geschwächt"

Über die Jahre hatte sich die Szene im Westen der Stadt in einem "Nazi-Kiez“ ausgebreitet. Zuletzt bröckelte sie, auch dank guter Polizeiarbeit. Dennoch: Durch den Tod von Borchardt sieht der Extremismusexperte keinen Grund dafür, dass die Szene in Dortmund-Dorstfeld strukturell oder organisatorisch weiter geschwächt wird. Lediglich im sozialen Gefüge fehle in Dortmund und NRW fortan eine Figur auf der symbolischen Ebene – "was ja nicht unbedeutend ist für eine Szene, die sehr stark auf Symbole, Legenden und Mythenbildung setzt", schätzt Böthel die Lage ein.

In jedem Fall dürfe man die Neonazis weiterhin nicht unterschätzen, auch wenn sie in Dorstfeld nicht mehr so sichtbar sind wie noch vor einigen Jahren. "Das Milieu hat sich über die Jahre so verfestigt, dass von ihr trotzdem weiterhin ein großes Gefahrenpotenzial ausgeht."

Als ein Beispiel nennt Böthel eine Antifa-Demonstration gegen rechte Strukturen im Stadtteil Dorstfeld aus dem August. Vermummte schmissen dort Steine auf die Versammlung. Eine Verbindung zur rechtsextremen Szene liegt nahe. An einigen Häusern in der Emscherstraße Ecke Thusneldastraße stellte die Polizei Reichskriegsflaggen sicher. "Es ist nicht die große Masse, die da auf der Straße ist, aber dennoch gibt es diese Versuche, sich zu inszenieren, zu bedrohen oder anzugreifen", sagt Böthel.

Versammlungen und Beerdigung könnten der NS-Verherrlichung dienen

Ob die Neonazis auch den Tod ihrer Identifikationsfigur nutzen, um sich zu inszenieren, ist unklar. Die Polizei bestätigt auf Nachfrage von t-online eine angemeldete Versammlung der Rechtsextremen für Samstag. Es liegt nahe, dass es sich dabei um eine Gedenkveranstaltung für "SS Siggi" handelt. Die Beamten kommentierten dies allerdings nicht.

Böthel hält weitere, ähnliche Versammlungen oder Trauermärsche in Dortmund "für nicht unwahrscheinlich". Er sagt aber auch: "Es ist derzeit noch ein Blick in die Glaskugel". Denn wann und wo zum Beispiel die Beerdigung stattfindet, steht noch nicht fest.

Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz auf dem Sarg?

Solche Veranstaltungen von diesen Größen in der Neonaziszene seien generell aber ein "hochsymbolischer Akt, der natürlich oft auch politisch gerahmt wird". Der Extremismusexperte erinnert an die Beerdigung der früheren Führungsfigur der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), Friedhelm Busse. Dort legten Neonazis eine Reichskriegsflagge samt Hakenkreuz auf den Sarg.

"Es würde mich nicht wundern, wenn man bei Borchardt ähnliches versuchen würde", so Böthel. Borchardt und Busse waren eng verbunden. Doch zunächst müsse man abwarten, ob und welche Veranstaltungen der Szene zum Tod von "SS Siggi" noch initiiert werden. Zu der ersten Versammlung am Samstag werde sich die Polizei äußern, sobald die Gespräche mit den Anmeldern beendet sind, heißt es.

"Solche Veranstaltungen haben für die Szene schon eine gewisse Wirkung“, fasst Böthel mit Blick auf die Zukunft zusammen. "Aber dass dadurch nochmal etwas neues entfachen kann oder Initiationen entstehen, glaube ich nicht. Ich sehe da eher einen symbolischen Wert".

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Leroy Böthel, Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus
  • Gespräch mit der Polizei Dortmund
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