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Energie- und Wärmespeicher in Kiel: Liegt die Zukunft nachhaltiger Energie unter der Erde?


"Kapazität für ganz Deutschland"
Liegt die Zukunft nachhaltiger Energie unter der Erde?

Von Sven Raschke

31.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Küstenkraftwerk in Kiel (Archivbild): Mit den unterirdischen Speichern sollen Häuser im Winter geheizt und im Sommer gekühlt werden können.Vergrößern des Bildes
Küstenkraftwerk in Kiel (Archivbild): Mit den unterirdischen Speichern sollen Häuser im Winter geheizt und im Sommer gekühlt werden können. (Quelle: Stadtwerke Kiel/leer)

Geologische Energie- und Wärmespeicher könnten die Schwankungen bei der Erzeugung von Wind- und Solar-Strom ausgleichen und so den Abschied von fossilen Brennstoffen ermöglichen. Erste Anlagen entstehen bereits in Hamburg und Kiel.

Erneuerbaren Energien gehört die Zukunft, darauf hat man sich in Bund und den Ländern längst geeinigt. Wie allerdings zukünftig mit dem stark schwankenden Output von Wind- und Solarstrom ohne Kohle, Gas und Öl eine sichere und stabile Strom- und Wärmeversorgung gewährleistet werden soll, ist ein ungelöstes Problem. Noch.

Am Kieler Institut für Geowissenschaften glauben Forscher, die Lösung gefunden zu haben. Ihr Ansatz: Überschüssige Energie und Wärme aus Zeiten mit viel Wind und Sonne sollen für den späteren Bedarf unter der Erde gelagert werden – in so genannten geologischen Energiespeichern. In Hamburg und Kiel werden erste Anlagen bereits gebaut.

Die Lösung liegt unter der Erde

Die Speicher lassen sich laut dem Geowissenschaftler Sebastian Bauer grob in zwei Kategorien einteilen: Speicher für Energie und Speicher für Wärme. Für die Speicherung von Energie müssen Wind- oder Solarstrom zunächst in Druckluft, Methan oder Wasserstoff umgewandelt werden.

In dieser Form würden sie dann in unterirdische Schichten porösen Gesteins, etwa Sandstein, gepresst. "In einer geeigneten geologischen Speicherschicht ist bis zu 30 Prozent Platz, der häufig mit Wasser gefüllt ist", erklärt Bauer. Er ist Professor am Kieler Institut für Geowissenschaften und einer der Leiter des Projektes Angus II, das an den geologischen Energiespeichern forscht . "Dieses könnte man durch das Speichergas ersetzen."

Mehr als 70 geeignete Orte für solche Energiespeicher gibt es nach den Erkenntnissen der Forscher in Schleswig-Holstein, zur Hälfte on-, zur Hälfte offshore. "Und ein einziger großer Wasserstoff-Speicher kann theoretisch ausreichen, um die in Zukunft benötigte Speicherkapazität für ganz Deutschland zu decken", sagt Bauer. "Wir bräuchten also für die Speicheroptionen Druckluft, Methan und Wasserstoff nur wenige der kartierten Standorte."

Im Sommer kühlen und im Winter heizen

Sein Kollege und Co-Projektleiter Andreas Dahmke bestätigt: "Aufgrund der sehr großen geeigneten untertägigen Räume werden wir auch bei hohen Speicherbedarfen nur einen sehr geringen Anteil für geologische Energiespeicher benötigen." Geeignet wären daneben laut Bauer auch die Salzkavernen im Süden Kiels, die zurzeit als Gasspeicher genutzt werden.

Ähnlich wie bei den Energiespeichern, benötigen auch die Wärmespeicher poröses Gestein. Hier allerdings wird das darin vorhandene Wasser nicht entfernt, sondern als Speicher für die Wärme genutzt. Ist es oberirdisch heiß, wird die Wärme nach unten ins Gestein geleitet und bei Bedarf wieder nach oben gepumpt. So lassen sich Gebäude im Sommer kühlen und im Winter heizen.

"Die Voraussetzungen dafür sind in Schleswig-Holstein insgesamt sehr gut“, sagt Bauer. Im Grunde könne man solche Wärmespeicher fast überall anlegen.

Geringes Risiko für die Umwelt

Ausreichend Platz im Untergrund wäre dafür, genau wie für die Energiespeicher, vorhanden. Bleibt die Frage, wie sich der Eingriff auf die Umwelt auswirken würde. Auch das haben die Forscher am Geologischen Institut untersucht.

Für die Wärmespeicher gilt demnach: "Wenn es Veränderungen gibt, dann nur in einem geringen Teil des gesamten Untergrunds und in unmittelbarer Nähe des Speicherorts, sodass für die Grundwasserversorgung oder weitere Nutzungen im Untergrund ausreichend Raum vorhanden wäre", wie Andreas Dahmke erklärt. Das Projekt erarbeite fachliche Grundlagen für eine Bewertung solcher Speicher – die möglichen Genehmigungskriterien jedoch müssten erst noch durch die zuständigen Behörden entwickelt werden.

Bei den Energiespeichern verhält es sich etwas anders. Hier würden in einem deutlich größeren Raum mit enormem Druck potenziell schädliche Stoffe in den Untergrund gepresst. Theoretisch könnten diese so in Schichten gelangen, in denen Trinkwasser lagert. "Wie wahrscheinlich das ist, kann man nicht generell sagen, sondern nur für die einzelnen konkreten Standorte untersuchen", so Bauer. Deshalb würde man Orte wählen, bei denen das Risiko besonders gering ist.

Widerstand von Umweltschützern gebe es bisher noch nicht – dafür sei die Technik einfach noch zu neu. Abzusehen wäre Gegenwind durchaus. Der Kiel am nächsten liegende geeignete Ort für einen unterirdischen Energiespeicher liegt bei Schwedeneck unter Wasser – genau dort, wo bis zum Jahr 2000 Öl gefördert wurde. Überlegungen in den 2010er Jahren, die Förderung wieder aufzunehmen, sorgten für massive Bürgerproteste.

Erste Projekte in Hamburg und Kiel

Ein erster Wärmespeicher entsteht zurzeit in Hamburg. Das Projekt trägt den Namen "IW3 – Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg" und soll Haushalte des Stadtteils bis 2024 mit nahezu CO2-freier Fernwärme versorgen. Das Kieler Institut für Geowissenschaften begleitet die Arbeiten, um die tatsächlichen Umweltauswirkungen am praktischen Beispiel zu beobachten.

An der Kieler Universität laufen derweil die Planungen für eine entsprechende Anlage hinter der Uni-Bibliothek an der Leibnizstraße. Kürzlich wurden dort Bohrungen durchgeführt, um die Eignung des Untergrunds zu testen. Mit der Anlage soll die Temperatur von Gebäuden, Laboren, Büros und Studentenwohnungen umweltfreundlich reguliert werden.

Wenn die geologischen Speicher zur Energiewende in Schleswig-Holstein und Deutschland beitragen sollen, ist Eile geboten. "Rein technisch gibt es keine Hindernisse", sagt Bauer. Die reine Bauzeit liege bei Wärme- wie bei Energiespeicher bei zwei bis drei Jahren. Allerdings, so Bauer, bräuchte es dafür auch entsprechende Genehmigungen, Orte, auf die sich alle einigen können, den Willen von Bürgern und Politik und Bohrunternehmen, die die Aufgabe bewältigen können. Im günstigsten Fall schätzt Bauer, dass eine Realisierung bis etwa 2030 möglich wäre. Bauer: "Es muss nur gewollt werden."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Sebastian Bauer und Andreas Dahmke
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