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Dortmunder Spezial-Kommissar Paprocki: "Als Kind habe ich Columbo angeguckt"


"Als Kind habe ich immer Columbo angeguckt"
Super-Bulle Paprocki: So arbeitet Dortmunds Spezialkommissar


24.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Kriminaloberkommissar David Paprocki: Der Super-Recognizer ist eine Datenbank auf zwei Beinen.Vergrößern des Bildes
Kriminaloberkommissar David Paprocki: Der Super-Recognizer ist eine Datenbank auf zwei Beinen. (Quelle: Polizei Dortmund)

Ein "Dortmunder Junge" macht Jagd auf Taschendiebe. Dabei verfügt er über eine seltene Fähigkeit – er ist Super Recognizer bei der Polizei. Wie arbeitet der Spezial-Ermittler?

David Paprocki neigt sich vor. Die klaren, blauen Augen sind auf den Bildschirm gerichtet; seinen Kopf stützt er in seine rechte Hand. Er trägt ein blaues Hemd, seine Haare an den Seiten abrasiert und zur Elvis-Locke geformt – er wirkt smart, fokussiert und zielgerichtet. Konzentriert prägt er sich möglichst viele Merkmale des Gesichts ein, das er anvisiert. Als es darum geht, die Person auf einem Bild voller Menschen wiederzuerkennen, scannen die Augen das gesamte Foto. Sie schweifen systematisch von links nach rechts, bis die Entscheidung getroffen ist und – Bingo!

Eigentlich hat Paprocki sie auf den ersten Blick erkannt, obwohl sie auf dem Gruppenbild eine Maske trägt. Doch Sorgfalt gehört zu guter Polizeiarbeit dazu. Der Mittvierziger ist Kriminaloberkommissar in Dortmund mit einer seltenen Fähigkeit: Er kann sich überdurchschnittlich gut Gesichter einprägen und wiedererkennen. Paprocki arbeitet daher als Super Recognizer.

Über diese Gabe verfügen schätzungsweise weniger als zwei Prozent der Bevölkerung. Bei der Polizei sind sie seit einigen Jahren sehr gefragt, da sie als besonders effektiv bei der Fahndung nach Tätern gelten. Denn eine künstliche Intelligenz stößt bei schlechter Bildqualität an ihre Grenzen und braucht für einen zuverlässigen Datenabgleich bestenfalls ein Frontalbild.

Diese Einschränkungen spielen für einen Super Recognizer keine Rolle: Ob verpixelt, dunkel oder eben mit Maske – er konzentriert sich auf die Details, die ihm im Gedächtnis bleiben, und schafft das, wozu die Technologie zumindest bislang noch nicht in der Lage ist. Auch körperliche Veränderungen wie Bartwuchs oder eine andere Frisur stellen für Super Recognizer kein Hindernis dar.

Paprocki bemerkte seine Gabe zum ersten Mal bei seiner Abschlussfahrt in der zehnten Klasse, berichtet er. In einer Jugendherberge an einem Skiort fiel ihm ein Junge auf. Er gehörte nicht zu ihnen, Paprocki sah ihn also zum ersten Mal. Die Situation kam ihm komisch vor. Er beobachtete, wie der Junge immer wieder auf den Markenpullover seines Mitschülers starrte und sich ständig in ihrer Nähe aufhielt, obwohl er zu einer anderen Klasse gehörte.

Abends hörte er dann die Nachricht, dass dieser Pullover verschwunden sei. Aufgrund seines Verdachts erzählte er seinem Lehrer von seiner Beobachtung. Am nächsten Morgen beim Frühstück sollte er dann versuchen, den Verdächtigen in der großen Mensa zu identifizieren und es gelang ihm. Der Pullover wurde im Zimmer des Jungen gefunden: Fall gelöst.

"Super Recognizer" war damals noch kein feststehender Begriff oder Beruf, doch Paprocki fiel zum ersten Mal auf, wie gut er sich Gesichter merken kann. Das passte zu seinem Plan, denn er wollte schon immer Polizist werden und dadurch in die Fußstapfen seines Urgroßvaters treten. Die Arbeit der Polizei hat ihn immer fasziniert. "Als Kind habe ich immer Columbo angeguckt", erzählt er. "Ich fand das immer gut."

Und es funktioniert: Der gebürtige Pole schlägt eine Laufbahn bei der deutschen Polizei ein, bei der er seit 2000 tätig ist. "Super Recognizer" wird er dann im Jahr 2018, als das Dortmunder Polizeipräsidium als erste Polizeibehörde NRWs eine Projektgruppe zu dem Thema einrichtete. Eine interne Ausschreibung weckte Paprockis Neugierde: Mithilfe eines Tests könne man herausfinden, ob man zu den begehrten "Super Recognizern" gehört. "Dann hab ich's einfach mal probiert, und es hat geklappt."

Seine spezielle Fähigkeit ist angeboren

Seine Fähigkeit kam aber auch schon vorher zum Einsatz. Als er 2012 gerade neu bei der Kriminalpolizei anfing, konnte er sie direkt unter Beweis stellen. Während seiner Einarbeitung traf er bei der Vernehmung auf ein bekanntes Gesicht. Doch woher konnte er diese Person kennen? Für Fahndungsbilder hat er sich schon interessiert, als er noch im Streifendienst war. So scrollte Paprocki die Bilddatenbank durch und fand ihn. Doch wie sollte er als Neuling der zuständigen Ermittlerin von seinem Fund erzählen? Auf seine erste E-Mail reagierte zunächst niemand. Paprocki ließ nicht locker. Letztendlich konnten sie demjenigen gleich zwei Taten nachweisen. Alles dank Paprockis siebtem Sinn. Er hatte "sofort dieses Bauchgefühl: Ich kenn' den."

Paprockis Fähigkeit, Gesichter so gut zu erkennen, ist angeboren, weder eine bestimmte Strategie noch Training stecken dahinter. Wenn er eine Person wiedererkennt, wird es wärmer um den Bauch herum und es macht Klick. Das bedeutet allerdings nicht, dass Paprocki sich jedes Gesicht merkt, das ihm begegnet und er dieses nie wieder vergisst. Er muss ein Gesicht schon bewusst wahrnehmen, um eine Person auch nach Jahren noch wiedererkennen zu können. Bei der Polizeiarbeit achtet er besonders stark auf Gesichtsmerkmale, die er sich einprägt, denn hier gilt: je mehr Details, desto besser. Das ist aber auch gut so, denn ansonsten wäre das ziemlich überfordernd. Paprocki lacht: "Dann würde ich wahrscheinlich nicht mehr einschlafen können."

Schätzungsweise nur zwei Prozent haben solche Fähigkeiten

Was außer Gesichtern für ihn auch relevant ist, ist die Situation, in der er eine Person zuvor wahrgenommen hat. Wenn er versucht, sie wiederzuerkennen, hilft ihm die Einordnung und Verknüpfung mit dieser Situation als Gedächtnisstütze. Wo hat er den Menschen gesehen? Wie hat es gerochen, was war in der Situation noch so los? All das hilft ihm, die Erinnerung an die Person hervorzurufen.

Sein Spezialgebiet sind Taschendiebe. Das hat sich seit der Abschlussfahrt nicht geändert. Er freut sich darüber, dass er seine Gabe da einsetzen kann, wo sie wirklich zum Tragen kommt – gerade im Falle von Taschendiebstählen muss sehr viel Material gesichtet und ausgewertet werden. Großes Glück sei für ihn, dass er nach seiner Ausbildung zurück nach Dortmund versetzt wurde, erzählt er. Als Fußball-Fan ist er Anhänger des BVB und fühlt sich mit der Stadt im Ruhrgebiet sehr verbunden. Hier will er auch bleiben und die Dortmunder Polizei tatkräftig mit seiner Gabe unterstützen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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