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Bunker aus 2. Weltkrieg: Diese Geheimnisse verbergen sich in Dortmunds Unterwelt


4,5-Kilometer-Labyrinth unter Dortmund
Geheimnisse, die in dunklen Gängen schlummern


Aktualisiert am 09.12.2022Lesedauer: 3 Min.
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Stadtarchäologe Ingmar Luther mit einem Bohrgerät, das die Zwangsarbeiter in der NS-Zeit benutzen mussten.Vergrößern des Bildes
Stadtarchäologe Ingmar Luther mit einem Bohrgerät, das die Zwangsarbeiter in der NS-Zeit benutzen mussten. (Quelle: Sara Taimori)

Unterhalb Dortmunds erkunden Forscher die wohl weltweit größte zivile Luftschutzanlage. Sie bringen Überraschendes, aber auch Tragisches ans Licht.

Eine Treppe führt hinab in die Tiefe. Die Stufen biegen nach links, immer weiter hinab in den Untergrund. Auf einer Stufe liegen die Reste eines alten Schuhs im Staub. Es riecht nach feuchtem Beton. 17 Meter unterhalb von Dortmund beginnt eine Reise in längst vergangene Zeiten.

Zwischen Westpark und Hauptbahnhof liegt die wohl größte zivile Luftschutzanlage der Welt. Ein 4,5 Kilometer langes Labyrinth aus der Nazi-Zeit. Kaum jemand kennt es so gut wie Ingmar Luther. In dicker Daunenjacke und mit Taschenlampe in der Hand leuchtet er in die dunklen Gänge, die seit über zwei Jahren sein Arbeitsort sind.

Luther, Anfang 40, Drei-Tage-Bart, ist Stadtarchäologe. Er erforscht zusammen mit einem kleinen Team das Bunkersystem. Ihre Arbeit gleicht der an einem Mosaik: Stück für Stück vermessen und dokumentieren sie die Geschichte der Stollen, um sie für die Nachwelt wieder zum Leben zu erwecken.

In eineinhalb Jahren will Luther damit fertig sein. Auch ist geplant das Bunkersystem für die Öffentlichkeit zu öffnen. Besucher werden in seine Geschichte eintauchen können, viel Überraschendes, aber auch Düsteres erfahren. Luther ist sich sicher, der Bunker wird ein "Tourismusmagnet". Wann es soweit sein wird, stehe allerdings noch nicht fest.

Doch bis es so weit ist, gibt es noch viel zu tun für ihn und sein Team. Luther geht nun tiefer in einen der Gänge hinein. Im Schein seiner Taschenlampe taucht eine verrostete Krankentrage auf, die an der Wand lehnt. Ein paar Meter weiter zeigt Luther auf Krakeleien an den Überresten eines Trocken-Abortes – einer Art Plumpsklo. "Liebe Leute, seid recht nett", steht hier in gelber Ölfarbe geschrieben, das Ende des Satzes ist nicht mehr zu entschlüsseln.

Luther hat vieles bereits vermessen und dokumentiert. Doch er möchte diese Funde auch mit Leben füllen. Dafür sucht er nach Zeitzeugen. "Wie spannend wäre es, die nüchternen Fakten, die wir hier überall sehen, mit Geschichten zu spicken", sagt er.

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Bunker sollte rund 120.000 Menschen Schutz bieten

Bekannt ist, dass die Nationalsozialisten im Jahr 1937 mit dem Bau der Luftschutzanlage begannen. Ursprünglich sollte das Stollennetz eine Länge von rund neun Kilometern haben und Schutz für 80.000 bis 120.000 Menschen bieten. Fertiggestellt wurde die Anlage bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges allerdings nicht.

Dennoch suchten viele Menschen während der über 100 Luftangriffe zwischen Mai 1943 und März 1945 in den unfertigen Gängen Schutz. Luther vermutet, dass die Zahl der Schutzsuchenden in der Bunkeranlage weit über die 100.000 hinausging.

Ab 1943 übernahm die Organisation Todt, eine paramilitärische Bautruppe des Nazi-Regimes, das Bunker-System, die technische Leitung ging an die Tiefbau- und Bohrfirma Deilmann aus Dortmund-Kurl. Zwangsarbeiter mussten nun den Stollenausbau für die Nazis vorantreiben. Zwölf Stunden schufteten sie unter Tage, nach nur zwei Stunden Pause ging es weiter.

Luther nimmt das schwere Bohrwerkzeug, das in dem Tunnel liegt, in die Hand und führt vor, wie hart und qualvoll die Arbeit an den Steinwänden war: "Fritz Todt waren Menschen egal", sagt er.

Forscher vermuten Renovierung für den Schutz im Kalten Krieg

Heute handelt es sich um eine zweigeteilte Bunkeranlage. Während die Gänge vom St.-Johannes-Hospital bis zum Westpark noch weitgehend so aussehen wie zur Zeit, als sie entstanden, wurde der nördliche Bereich bis zum Hauptbahnhof in den späten 70er und 80er Jahren renoviert. An den Wänden dort hängt Rippenblech, die Gänge sind mit Spritzbeton ausgekleidet. Auch der Boden wurde mit einer neuen Betonschicht überzogen

Luther vermutet, dass dies geschah, weil es auch in Zeiten des Kalten Krieges Angst vor möglichen Luftangriffen gab und das Bunkersystem als öffentliche Zivilschutzanlage deshalb erhalten bleiben sollte.

Im nicht renovierten Teil ist der Beton rau und rissig. Dicke, verrostete Rohre stützen die Decken. Die Gänge führen zu den Anfängen des Bunkersystems ins Jahr 1937. Wie in einer Tropfsteinhöhle haben sich Stalaktiten an der Decke gebildet, Wasser tropft an verschiedenen Stellen auf den Boden. Nach längeren Regenfällen sei das Wasser teilweise so hoch, dass das Forscherteam Boote benutzen müsse, um voranzukommen, erzählt Luther, während er seinen Weg über die nassen Steine mit der Taschenlampe sucht.

In diesen Teil muss die Luftschutzanlage noch weiter vermessen werden. Auch müssen Fundstücke und Dokumente noch ausgewertet werden, und die Suche nach Zeitzeugen geht ebenfalls weiter. 70 Personen hätten sich bereits gemeldet, sagt Luther. Darunter war auch ein Mann, der beim Bau des Tunnels dabei gewesen sein will.

Das Problem sei, dass viele ihre Erlebnisse für uninteressant hielten, sagt Luther. Dabei sei für seine Arbeit jede Kleinigkeit wichtig: "Einzelne Informationen tröpfeln nach und nach rein und irgendwann ergeben sie Sinn." Bis sich das Bild schließlich vervollständigt.

Doch noch schlummern Geheimnisse in den dunklen Gängen.

Weitere Zeitzeugen für Aufklärung gesucht

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Dortmund.de: Dunkles Bunkersystem unter der City: Stadtarchäologe sucht Zeitzeug*innen
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