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Traumatisches Endspiel um die Meisterschaft in Dortmunder Kneipe


Achterbahnfahrt der Gefühle
Dramatisches Endspiel in Dortmunder Kneipe

Von t-online, nfr

27.05.2023Lesedauer: 3 Min.
Vor dem Anpfiff: Fans in der Dortmunder Kneipe "Abseits".Vergrößern des BildesVor dem Anpfiff: Fans in der Dortmunder Kneipe "Abseits". (Quelle: Nils Frenzel)
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Am letzten Spieltag ging es in Dortmund um alles. Hunderttausende Fans fieberten mit. Auch in der Kneipe "Abseits" im Dortmunder Kreuzviertel, unweit des Stadions.

Die ersten Fans sind schon seit 9 Uhr morgens hier, im "Abseits" einer Fußballkneipe mitten im Dortmunder Kreuzviertel, unweit des Stadions. Einige haben eigens aus Pappe hergestellte Meisterschalen dabei, die Silberfolie glitzert durch den dunklen Raum und wirft die Kneipe in eine "Was wäre, wenn?"-Stimmung.

Denn so unwahrscheinlich ist der Gewinn der Meisterschaft für Dortmund nicht. Ein Sieg sollte trotzdem her. Dabei geben sich die meisten Fans absolut siegessicher, Zweifel gibt es hier bei den wenigsten. "Das packen wir" gibt sich eine Jungsgruppe aus Dortmund-Mengede selbstbewusst und bestellt für alle Umstehenden ein Bier. Den Titel habe man sich über die gesamte Saison allemal verdient.

Aber es gibt auch leise Zweifler, oder zumindest jene, die "erstmal nichts überstürzen wollen". So wie Andi, hochgeschossen und mit Glatze, der am Tresen steht und im Dortmund-Trikot keine Umschweife macht, über seine eigentliche Herkunft zu sprechen. Eigentlich komme er nämlich aus Landshut, also dem tiefsten Bayern und ist bereits am Vorabend mit dem Zug angereist. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht glauben, wir hätten schon gewonnen" mahnt er in weiser Voraussicht.

Sein Stehnachbar, Kai, ist da sehr viel gelassener und erzählt, er habe letzte Woche mit seinem Chef um eine Kiste Bier gewettet, dass Dortmund Meister wird. "Freu mich auf den Kasten" resümiert er. Dann wird es Minuten vor Anpfiff doch einmal stressig. Denn der Fernseher geht zunächst nicht an, das Gerücht, ein Polizeieinsatz würde sich anbahnen, macht die Runde. Schnell gibt es Entwarnung und unter frenetischen Jubelgeräuschen gehen kurz vor Spielbeginn der Fernseher und eine zweite Leinwand im Nebenraum an. Es geht los.

Ein Fußballspiel wie ein Rausch

Dabei gleicht das Spiel einer Achterbahnfahrt. Dortmund liegt schnell 2:0 hinten. Ein Elfmeter zugunsten des BVB in der 19. Minute verschossen. Die Motivation ist am Nullpunkt. Die ersten Fans lassen die Schultern hängen. "Es ist genau das eingetroffen, was ich befürchtet habe", sagt Andi, der Dortmund-Fan aus Bayern. "Wir sind zu selbstbewusst gestartet und jetzt haben wir den Salat."

Auch Kai sieht seine Chancen schwinden, gibt sich aber noch nicht geschlagen. Der Rest der Kneipe auch nicht. Schließlich geht es hier um viel mehr als einen Kasten Bier, es geht um die Meisterschaft. Trotzdem ist kurz vor der Halbzeit die Stimmung am Tiefpunkt, ein paar Motivationsschreie für die Mannschaft verhallen ziemlich schnell. Doch dann kurz vor der Halbzeitpause mehrere Großchancen. Liegt da ein Funken Hoffnung in der Luft? Kai bestellt Bier nach.

Wechselbad der Gefühle

Die Halbzeitpause nutzen die wenigsten, um rauszugehen oder zu rauchen. Vielmehr werden Handys gezückt und die Blitztabelle der Bundesliga gecheckt. Leider liegt auch Köln gegen München mit 1:0 zurück, gut für Bayern, schlecht für Dortmund. "Wir brauchen den Ausgleich in Köln" klingt es von der Seite. Und dann geht auch schon die zweite Halbzeit los.

Weiter geht das spannende Spiel und in der 69. Minute steht es 2:1. Der Anschlusstreffer für den BVB. Kai und Andi liegen sich in den Armen, es wird Bier nachbestellt. Doch so richtig glücklich sind sie, als es Minuten später 1:1 in Köln steht. Zu diesem Zeitpunkt ist Borussia Dortmund Deutscher Fußballmeister.

Die Fans sind ausgelassen, feuern ihre Mannschaft mit allem an, was sie haben. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, aus dem Rückstand ist zwar keine Führung geworden, aber die Tabellenspitze ist zurückerobert. Die Meisterschale aus Pappe im hinteren Raum glitzert noch immer, es ist mehr als Hoffnung, die in der Luft liegt. Die Pappe ist in diesen Minuten echt.

"Sieger der Herzen"

Aber dann beendet Jamal Musiala die Titelträume von Dortmund, fünf Minuten vor Spielende ist es ganz still im "Abseits". Dortmund müsste jetzt noch zwei Tore schießen – oder Köln abermals ausgleichen. Beides erscheint unwahrscheinlich und wird mit jeder Minute unrealistischer. Andi starrt auf sein Handy, die Tabelle vor sich, Kai hat den Kopf auf den Tresen gelegt. Ein halbvolles Bier neben sich.

Dann der Abpfiff. In wenigen Minuten ist die Kneipe leer. Auch ein wenig Frust schwingt mit, am Tresen wirft jemand absichtlich ein Bier um, das sich über den Boden verteilt. "Hey hey", sagt Andi aus Landshut und mahnt zur Rücksichtnahme. Dann sagt er "Wir sind hier schließlich nicht bei den Bayern".

Die Fans gehen geknickt und traurig aus der Kneipe. Manche weinen. Viele spenden sich davor gegenseitig Trost und umarmen sich minutenlang. "Sieger der Herzen", murmelt Kai, der sich jetzt vom Tresen erhoben hat und wiederholt sich, als würde er mit sich selbst sprechen. "Sieger der Herzen."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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