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Erfurt: Aktivisten verabschieden Rechtsextreme am Herrenberg


Auszug am Herrenberg
Demonstranten sagen "Und Tschüss!" zu Rechtsextremen

Von Dr. Sebastian Haak

24.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift "Und Tschüss!": Die Kundgebung richtete sich an Rechtsextreme, die ihre Räumlichkeiten am Herrenberg laut Gerichtsbeschluss verlassen müssen.Vergrößern des Bildes
Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift "Und Tschüss!": Die Kundgebung richtete sich an Rechtsextreme, die ihre Räumlichkeiten am Herrenberg laut Gerichtsbeschluss verlassen müssen. (Quelle: Dr. Sebastian Haak)

Am Erfurter Herrenberg hat eine Gruppe Rechtsextremer seit Jahren über Räumlichkeiten verfügt. Nun muss sie ausziehen. Aktivisten verabschiedeten sie mit einer Kundgebung.

Sie waren zwar nicht viele, aber die Botschaft dieser wenigen Menschen war deutlich. Nur zwei Worte waren auf ein rotes Transparent gedruckt, das etwa zehn Demonstranten am frühen Mittwochabend in Erfurt vor einem inzwischen bundesweit bekannten Treffpunkt der rechten Szene im Stadtteil Herrenberg hochhielten: "Und Tschüss!"

Hintergrund für die Aktion ist ein Gerichtsbeschluss, der die Rechtsextremen zwingt, die Räumlichkeiten Ende September zu verlassen. Für die rechte Szene ist das ein schwerer Schlag, auch wenn sich kaum jemand der Illusion hingibt, damit sei das Neonazi-Problem in diesem Stadtteil beseitigt.

Das sei "ein Punktsieg" für all jene Menschen, die sich seit Anfang 2016 gegen diesen Treffpunkt der Rechtsextremen gestellt hätten, sagte die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die sich an der Kundgebung beteiligte. Für sie ist es ein wichtiger Erfolg, der in der Hauptstadt des Freistaats erzielt wurde. "Thüringen hat eine besondere Verantwortung, entschlossen und konsequent der extremen Rechten solche Orte streitig zu machen, weil wir ein Schwerpunkt der Szene sind", sagte Renner.

Extremisten könnten neue Räumlichkeiten finden

Allerdings ist Renner überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen nicht mit deren Auszug am Herrenberg enden wird. Ähnlich sieht es auch der Linke-Landtagsabgeordnete André Blechschmidt. "Selbst wenn wir sie aus dem öffentlichen Erscheinungsbild drängen, sind sie ja nicht weg", sagte Blechschmidt.

Der direkt gewählte Abgeordnete aus dem Wahlkreis, in dem der Stadtteil liegt, beteiligte sich ebenfalls an der Kundgebung. Zugleich warnte er davor, dass sich die Neonazis möglicherweise nicht weit von ihrem derzeitigen Domizil entfernt eine neue Bleibe suchen könnten. "Es ist klar, dass diese Leute weiter auf der Suche nach Räumlichkeiten hier sein werden", sagte er. Neben den Bürgern müssten deshalb auch Unternehmen in dem Stadtteil sehr vorsichtig sein, an wen sie neue Räumlichkeiten vermieten.

Dass solche Appelle allerdings oft nicht gehört werden, damit hat man gerade in Thüringen einige Erfahrungen: Im südthüringischen Themar fand im Sommer 2017 das größte Rechtsrockkonzert der deutschen Nachkriegsgeschichte mit etwa 6.000 Teilnehmern aus ganz Europa statt. Seit Langem appellieren Aktivisten an die dort lebenden Menschen, keine Geschäfte irgendwelcher Art mit Rechtsextremen zu machen. So sollen sie verhindern, dass Rechtsextreme für ihre Hassrock-Festivals erneut in die Stadt kommen.

Bedrohung von Rechtsextremen ernst nehmen

Bundesweit bekannt geworden ist der Neonazi-Treff am Herrenberg zuletzt, weil es im August in dessen unmittelbarer Umgebung einen mutmaßlich rechten Übergriff auf drei Männer aus Guinea gegeben hatte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Erfurt und der Polizei zu den Hintergründen der Tat dauern noch an. Im Nachgang der Attacke hatten unter anderem mehrere Landes- und Kommunalpolitiker, aber auch Opferschutzverbände immer wieder erklärt, in dem Stadtteil herrsche seit Jahren ein Klima der Angst vor rechtsextremen Übergriffen. Kurz nach dem Angriff auf die drei Männer aus Guinea besuchten auch Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Thüringens Innenminister Georg Maier den Stadtteil.

"Unterschiedliche Wahrnehmungen"

Blechschmidt mahnte auf der Kundgebung, man müsse endlich ernst nehmen, dass Menschen, die direkt von Rechtsextremen angegriffen oder bedroht würden, auf deren Präsenz in einem Stadtteil anders reagierten, als Menschen, die zwar neben ihnen wohnten, aber nicht besonders von ihnen beachtet würden. "Es gibt da einfach unterschiedliche Wahrnehmungen, die man nicht wegwischen darf", sagte er.

Einschüchterung nahm zu

Laut dem Betreiber des Stadtteilzentrums am Herrenberg haben die Übergriffe und Bedrohungen auf die Mitarbeiter der Einrichtung in den vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen. Zum Beispiel seien auf dem Auto einer Mitarbeiterin mutmaßlich von Rechtsextremen geköpfte Engelsfiguren hinterlassen worden. Auch seien Mitarbeiter von den Neonazis angesprochen worden – um Wohnadressen herauszufinden.

Während die zehn Demonstranten ihr "Und Tschüss!"-Transparent in die Luft hielten, war die Polizei mit etwa einem Dutzend Beamten zu ihrem Schutz vor Ort.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräche mit Martina Renner und André Blechschmidt
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