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Kiel: Besuch im Altenheim – "Weihnachten könnte der traurig werden"


Ein Besuch im Altenheim
"Weihnachten könnte sehr traurig werden"

Von Sven Raschke

07.12.2020Lesedauer: 4 Min.
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Helga Franke: Ohne Kinder und Enkel wird Weihnachten "sehr traurig".Vergrößern des Bildes
Helga Franke: Ohne Kinder und Enkel wird Weihnachten "sehr traurig". (Quelle: Sven Raschke/leer)

Im Domicil Seniorenpflegeheim in der Kirchhofallee leben die Bewohner seit dem Frühjahr mit den Corona-bedingt strengen Besuchsbeschränkungen. Zwei Heimbewohner erzählen, wie sie die Zeit erleben – und was sie von Weihnachten erwarten.

Wenn Helga Franke an Weihnachten denkt, macht sie sich große Sorgen. Die 89-Jährige wohnt im Domicil Seniorenpflegeheim in der Kirchhofallee. Ihre Angst bezieht sich weniger auf eine Corona-Ansteckung. "Wenn ich das bekommen sollte, bekomme ich das. Weglaufen kann ich eh nicht", sagt sie. Viel mehr fürchtet sie, dass das traditionelle Familientreffen nicht wie sonst jedes Jahr stattfinden könnte.

Mit ihrem Mann, den drei Kindern und den Enkeln wären sie zu acht. Im Domicil wäre ein Treffen also ohnehin nicht möglich, auch wenn für die Feiertage die Besuchsregeln gelockert werden sollen. Ob ein Zusammenkommen bei einem der Enkel klappt, hängt aber auch noch davon ab, ob der Sohn aus Schweden zu Besuch kommen darf. Bisher ist das noch offen. "Es würde mich schon sehr belasten, wenn nicht alle Kinder kommen könnten", sagt Franke. "Wir haben alle Jahre immer zusammen gefeiert. Wenn das dieses Jahr nichts wird, dann wird es sehr, sehr traurig."

Die Corona-bedingt eingeschränkten Besuchsregeln, die, mal mehr, mal weniger streng, seit dem Frühjahr für Menschen in Pflegeheimen gelten, sind für viele von ihnen eine Belastungsprobe. Im Domicil sind zurzeit Dienstags, Donnerstags und Samstags Besuche erlaubt, mit Anmeldung und jeweils auf eine Stunde beschränkt. Zu Weihnachten, vom 24. bis 26. Dezember, fällt die Anmeldungspflicht zwar weg. Trotzdem darf ein Bewohner auch dann nur eine Person zurzeit empfangen.

Von der Aussicht auf Weihnachten abgesehen, kommt Helga Franke aber erstaunlich gut mit der Situation zurecht. Die in Kiel wohnende Tochter kommt hin und wieder für die erlaubte Stunde zu Besuch. Und auch sonst wird es Franke nicht langweilig. "Ich bin ein Mensch, der nicht unter Beschäftigungsnotstand leidet", sagt sie. "Ich mache Kreuzworträtsel, lese viel, bastle, singe." Auch dass ihr 91-jähriger Mann mit ihr im Heim wohnt, macht die Sache leichter. "Und ich bin ein eifriger Telefonierer. Ich habe nämlich noch einen sehr großen Bekanntenkreis."

Tägliche Telefonate müssen Ausflge ersetzen

Helga Franke weiß aber auch, dass es Heimbewohner gibt, die stärker unter den Einschränkungen leiden. Erhard Hedrich ist 86 Jahre alt. "Es geht mir gut. Kein Problem", sagt er zu Anfang des Gesprächs, kommt dann aber schnell darauf zu sprechen, wie er die Autofahrten mit seiner Tochter vermisst. "Die waren immer so wunderschön. Meine Tochter hat mich durch die Landschaft gefahren." Schinkel, Gettorf. Anschließendes Essen im Lieblingsrestaurant. "Aber jetzt nicht mehr", sagt Hedrich. Das Risiko wäre ihm und seiner Tochter zu groß und der Mundschutz während der Autofahrten zu anstrengend. Stattdessen telefonieren die beiden jeden Tag miteinander. Oder sie treffen sich außerhalb des Heims für einen Spaziergang.

Ansonsten meidet Hedrich Kontakte zur Sicherheit so weit wie möglich. Auch seit vor vier Monaten seine Frau gestorben ist. "Ich bin fast nur in meinem Zimmer. Ihre Bilder liegen bei mir auf dem Tisch. Ab und zu mal gehe ich hier in den Garten, eine schmöken. Und gestern hat mich meine Tochter zum ersten Mal hier im Haus besucht. Eine Stunde, mit Maske. Das war schön."

Angehörige sind nicht so einsichtig wie Bewohner

Wie auch Helga Franke hält Erhard Hedrich die Einschränkungen für sinnvoll. Im Radio hat er vom Corona-Ausbruch im Altenzentrum St. Nicolai im Stadtteil Brunswik gehört. 26 Bewohner und zwölf Angestellte hatten sich dort vergangene Woche mit dem Coronavirus infiziert. Eine der Bewohnerinnen ist mittlerweile an den Folgen ihrer Erkrankung gestorben.

Weniger einsichtig als die Bewohner seien häufig die Angehörigen, sagt Yvonne Stock, Leiterin des Domicils in der Kirchhofallee. So sei dem Heim zu Beginn der Pandemie von manchen Besuchern, die abgewiesen werden mussten, Freiheitsberaubung vorgeworfen worden. Inzwischen habe sich die Lage entschärft, der Unmut dem Verständnis gewichen.

Trotzdem, so Stock: "Wenn es Veränderungen gibt und wir das Besucherkonzept anpassen müssen, stößt das immer wieder auf ganz viel Unverständnis – vor allem bei den Angehörigen." Teilweise komme es dann noch immer zu schlimmen Beschimpfungen. "Da sind schon Mitarbeiter an der Rezeption in Tränen ausgebrochen und ich musste sie nach Hause schicken." Einmal habe sie die Polizei rufen und Hausverbot erteilen müssen. "Am Schlimmsten", so Koch, "sind die Leugner."

In die Zukunft blicken die Domicil-Bewohner Erhard Hedrich und Helga Franke ganz unterschiedlich. Letztere hofft, dass mit den kommenden Impfungen alles wieder normaler wird. Bis dahin, sagt sie, "meistere ich es, so gut ich kann und bin eigentlich ein zufriedener Mensch." Hedrich ist pessimistischer. "Dass die Besuche meiner Tochter und die Autofahrten mit ihr wieder wie früher möglich sind, das wäre schön. Aber ich glaube, das wird nichts mehr. Es wird nur noch schlimmer. Es gibt ja gerade wieder einen neuen Höchststand bei den Ansteckungen."

Verwendete Quellen
  • Interviews im Domicil - Seniorenpflegeheim Kirchhofallee
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