Schwieriger Posten 5.783 Euro brutto: Leipzig sucht Klo-Beauftragten
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leipzig sucht einen Toilettenbeauftragten, der ein Netz öffentlicher WCs aufbauen soll. Doch es könnte ein Posten auf dem heißen Stuhl werden.
Die Ausscheidung von Stoffwechselendprodukten ist ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen. Es sucht von selbst nach Befriedigung. Und wenn es drückt, dann mit Macht. Die Stadt Leipzig hat nun eine Stelle für einen städtischen Toilettenbeauftragten ausgeschrieben. Er oder sie soll sich zukünftig hauptberuflich um die öffentlichen Klos der Stadt kümmern.
Denn was tun, wenn es drängt, man aber gerade nicht zu Hause ist? Wer unterwegs mal muss, kann tapfer anhalten – oder eine öffentliche Toilette aufsuchen. Wenn er denn eine findet. Und wenn nicht, jeder kennt das Gefühl, dann droht höchste Not.
Öffentliche Toiletten: "Leipzig stinkt furchtbar ab"
Also ist es nur logisch, dass sich die öffentliche Hand des Problems annimmt. Eine Stadt braucht also eine gute WC-Infrastruktur, wenn sie verhindern will, dass die Menschen ihre dringendsten Bedürfnisse in Häuserecken oder Büschen befriedigen.
Doch in Leipzig gibt es kaum noch öffentliche Toiletten. Und die wenigen, die es gibt, sind auch noch besonders eklig: So landete Leipzig beim Klo-Ranking des Portals "kurz-mal-weg.de" auf dem letzten Platz – bundesweit. Presseecho: "Leipzig stinkt bei Klo-Ranking furchtbar ab"
Es drückt also. Darum hat die Stadt nach einem jahrelangen politischen Prozess beschlossen: Es braucht einen Klo-Beauftragten, einen WC-Koordinator, einen Menschen, der sich des drängenden Problems professionell annimmt. Das Ziel: eine richtig tolle Öffentliche-Toiletten-Infrastruktur.
Aktuell läuft das Auswahlverfahren für den Posten. Ob schon ein Kandidat oder eine Kandidatin erwählt wurde, möchte die Stadtleitung unter Oberbürgermeister Burkhard Jung auf Nachfrage von t-online nicht mitteilen.
Nur so viel: Bewerbungsgespräche laufen bereits. Gesucht wird, laut Stadt, ein "Bauingenieur oder Stadtplaner als Koordinator zur Umsetzung des Konzepts Öffentliche Toiletten der Stadt Leipzig" im Ordnungsdezernat. Chef dort ist Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke).
Die Stelle ist in der Besoldungsklasse E11 ausgeschrieben, das bedeutet ein Bruttogehalt zwischen 3.834,29 und 5.783,68 Euro im Monat inklusive Sonderleistungen. Ob der neue Klo-Beauftragte damit allerdings ein gutes Geschäft macht, muss sich erst noch zeigen.
Leipzig: Stadt ließ Vertrag mit WC-Betreiber auslaufen
Die Debatte um mehr öffentliche Toiletten in Leipzig ist lang und wird verbissen geführt. Ursprünglich brachte der Seniorenbeirat der Stadt das Bedürfnis nach mehr WC-Anlangen schon vor vier Jahren in den Stadtrat. Dort wurde im Oktober 2018 beschlossen, dass Leipzig ein neues Toilettenkonzept und mehr öffentliche Klos bekommen soll.
Allerdings ließ die Stadt gleichzeitig den Vertrag mit dem Außenwerbeunternehmen JCDecaux, dem Betreiber der damals 17 Toiletten im öffentlichen Raum, auslaufen. Konsequenz: Die Firma baute alle Klos ab.
Der Auftrag wurde, im Paket mit der Bewirtschaftung von Wartehäuschen, an ein anderes Werbeschildunternehmen vergeben: die RBL Media aus Nordrhein-Westfalen.
Firmen wie RBL oder JCDecaux verdienen ihr Geld hauptsächlich mit den Werbeflächen, die sie an sogenannte Stadtmöbel wie Bushaltestellen oder öffentliche WCs anbringen und vermarkten. Der Betrieb von Toiletten ist nicht ihr Kerngeschäft.
Mit RBL wurde der Aufbau von 20 Toiletten in Leipzig vereinbart. Jedoch nahm die Firma seit 2019 erst sieben in Betrieb. Der Rest steht noch in Planung.
Das Stadtplanungsamt sehe sogar Bedarf für mindestens 31 öffentliche Toiletten, schreibt die "Leipziger Volkszeitung", die auch weiß, dass das Toiletten-Konzept intern im Rathaus längst vorliegen soll.
Allerdings, so wird berichtet, wolle keiner der Bürgermeister zuständig sein für die durchaus delikaten Angelegenheiten rund um die öffentlichen Bedürfnisanstalten. Baubürgermeister und Ordnungsbürgermeister würden sich die Verantwortung gegenseitig zuschieben.
Öffentliche Toiletten in Leipzig: Ein lokalpolitisches Minenfeld
Tatsächlich steckt in dem Thema politischer Zündstoff, der jederzeit explodieren kann. Den versammelten Seniorenbeirat der Stadt, unterstützt von CDU und der Linken, will man nicht zum Feind haben – zumindest nicht, wenn es um den Toilettengang geht.
Ein Toilettenbeauftragter, der keine schnellen Erfolge vorweist, könnte leicht zerrieben werden in einem (im übertragenen Sinne!) Shitstorm der Leipziger Senioren, angeführt von CDU-Stadtrat Konrad Riedel und Linken-Lautsprecher Volker Külow.
CDU-Mann Riedel gibt per Lokalpresse jetzt schon ordentlich Druck auf die Backen. In der "LVZ" fragte er bezüglich der Umsetzung des vom Seniorenbeirat geforderten Toilettenkonzeptes: "Werden die Antragsteller die Erfüllung noch erleben?"
Das Thema ist ein Minenfeld, der Posten des Toilettenbeauftragten könnte schnell zum Platz auf dem heißen Stuhl werden. So gesehen ist vielleicht auch das üppige Salär angemessen.
Der neue WC-Koordinator soll sein Geschäft allerdings erstmal in Ruhe verrichten können – wenn er denn am Drücker ist: Interviews mit dem oder der neuen Beauftragten innerhalb der ersten hundert Arbeitstage lehnt Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal ab, teilte er auf Anfrage von t-online mit. Es gibt eben Dinge, die sollte man ganz in Ruhe angehen – wenn man denn kann.
- Gespräche mit der Pressestelle der Stadt Leipzig
- LVZ: Bericht vom 21. Juni 2022 (kostenpflichtig)