Spektakel aus Feuer und Stahl Größter Flugzeugbrandsimulator der Welt geht an den Start
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In Stuttgart wird der modernste Flugzeugbrandsimulator der Welt in Betrieb genommen. Künftig soll er die Feuerwehren auf den Ernstfall vorbereiten. Im Fall der Fälle zählen jeder Handgriff – und jede Sekunde.
Wer dieser Tage am Stuttgarter Flughafen beim Landeanflug aus dem Fenster sieht, könnte einen Anflug von Panik verspüren. Unweit des Luftfrachtzentrums kämpfen dort Feuerwehrleute in Vollmontur gegen Flammen an, die im Inneren eines stehenden Flugzeugs lodern. Doch was ist hier los? Ist der Tank explodiert? Sind Menschen in Gefahr?
Ein genauerer Blick lohnt sich. Panik ist nicht nötig. Die Flammen sind zwar echt, die Feuerwehrleute auch, doch das Flugzeug nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Flugzeugbrandsimulator, der optisch einer kleinen Passagiermaschine nachempfunden ist. Und zwar nicht irgendein Simulator, sondern die weltweit größte und modernste mobile Anlage.
Flugzeugbrandsimulator in Stuttgart: Bessere Alternative
Davon jedenfalls sind Jochen Schürgers und Jörg Förster überzeugt. Schürgers ist Geschäftsführer von "Fire Go", einer Firma für Brandsimulationstechnik mit Sitz im nordrhein-westfälischen Alsdorf, Förster ist dort Kundendienstleiter. "Wir kennen sehr viele Anlagen, und uns ist keine andere mit diesen Eigenschaften bekannt", sagt Schürgers.
Er muss es wissen, war er doch persönlich am Bau von einer der Vorgängeranlagen beteiligt, der für die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, Fraport, angefertigt wurde. Dieser Simulator wurde bislang zu Übungszwecken auch an die Standorte in Stuttgart, Hannover und Bremen gebracht. Doch die alte Anlage ist in die Jahre gekommen – eine Alternative musste her. Diese Alternative bietet der neue Flugzeugbrandsimulator.
"Nach sieben Minuten sinken die Überlebenschancen dramatisch"
Derzeit werden in Stuttgart zwei Dutzend Feuerwehrausbilder aus den drei Standorten von "Fire Go" im Umgang mit der Anlage geschult – die erste Hälfte in dieser, die zweite in der kommenden Woche. Die Schulung bildet die Grundlage, auf der die Ausbilder dann ihre Feuerwehrleute an den drei Standorten unterweisen. Einmal jährlich müssen die Flughafenfeuerwehren eine Löschübung an einem Simulator durchführen. So sieht es das Gesetz vor.
Regelmäßiges Training ist nötig, denn wenn der seltene Fall eintritt, dass ein Flugzeug brennt, muss jeder Handgriff sitzen. Vor allem muss es schnell gehen: "Nach sieben Minuten sinken die Überlebenschancen der Passagiere bei einem Flugzeugbrand dramatisch", erklärt Jörg Förster.
Die Feuerwehrleute müssen sich genau überlegen, wie sie vorgehen. Oft ist es schwer, den Brandherd in den engen Räumen überhaupt erst zu erreichen. Brennt beispielsweise die Bordküche, müssen die Einsatzkräfte zunächst den Speisewagen von der Wand lösen, um Zugang zum eigentlichen Brandherd zu kommen.
Einsatzkräfte müssen sich blind verstehen
Durch zwei Funkfernbedienungen lassen sich an 28 Stellen im nachgebauten Flugzeug per Knopfdruck Feuer entfachen. Simuliert werden unter anderem brennende Sitze, ein Gepäckfach, die Bordküche, Turbinen und das Cockpit.
Bei einem realen Brand käme ein erschwerender Faktor hinzu: Wenn die Einsatzkräfte das Flugzeug betreten, wäre es bereits voller Rauch. "Dann sieht man die eigene Hand vor Augen nicht", beschreibt Jörg Förster. Umso wichtiger, dass sich die Einsatzkräfte buchstäblich blind verstehen, wenn es darauf ankommt.
Im Rahmen der Schulung lernen die Ausbilder, ein Gefühl für die Funktionsweise des Simulators zu gewinnen. Und dafür, wie sie welche Brände am effektivsten löschen. Ist der Sprühstrahl oder der Vollstrahl die bessere Wahl, wenn es darum geht, schnell einen brennenden Sitz zu löschen?
Ein besonders beklemmendes Szenario ist der sogenannte Flashover. Der Begriff bezeichnet den schlagartigen Übergang von der Entstehung eines Brandes zum Vollbrand. An der Decke des Flugzeugs schwappt innerhalb von Millisekunden eine Feuerwolke entlang, die heiße Luft brennt in den Augen. Routiniert entschärfen die Ausbilder auch diesen Gefahrenherd.
Wärmebildkameras für das Militär
Beim Bau des mit verschiedensten Sensoren ausgestatteten Simulators haben die Fachleute von "Fire Go" auf alle möglichen Details geachtet. So ist selbst die Flugzeugtoilette originalgetreu nachgebildet – auch das ein Novum im Bereich der Flugzeugbrandsimulatoren. Bei den Türen gibt es je eine Variante von Airbus und von Boeing, die sich im Handling empfindlich voneinander entscheiden.
Mehrere Wärmebildkameras im Innenraum zeichnen das Geschehen auf und können nach der Übung zur Analyse verwendet werden. Eigentlich werden die Kameras für das Militär produziert. Für den zivilen Einsatz musste "Fire Go" eigens eine Behördengenehmigung einholen.
Für die Firma mit ihren 13 Angestellten ist der zwei Millionen Euro teure Simulator der bislang größte Auftrag der Firmengeschichte. Sieben Beschäftigte waren knapp zwei Jahre lang mit Planung und Bau der 30 Meter langen Anlage beschäftigt. Als Generalunternehmen beauftragte die Firma Subunternehmen mit dem Stahlbau und dem Einbau der Elektrotechnik.
Übungen finden in den warmen Monaten statt
Ein weiteres Highlight: Das aus mehreren Containern zusammengesetzte Stahl-Bollwerk ist innerhalb von kürzester Zeit – nämlich innerhalb eines Tages – auf- und abgebaut und transportfähig. "Plug and Play" nennt Jochen Schürgers das Prinzip. Dabei werden die Standardmaße für Container eingehalten, Flügel und Triebwerkkonen werden für den Transport eingeklappt.
Nach einigen Wochen in Stuttgart wird der Simulator im Mai nach Hannover transportiert, später im Jahr geht die Reise nach Bremen weiter. Überwintern wird er dann wieder in Stuttgart – die Übungen finden ausschließlich in den warmen Monaten statt.
- Eigene Recherche und Beobachtungen vor Ort