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Testament: So funktioniert Vererben an gemeinnützige Organisationen


Gemeinnützig vererben
"Jetzt kann ich mich wieder aufs Leben konzentrieren"

  • Christine Holthoff
InterviewVon Christine Holthoff

26.07.2025 - 08:01 UhrLesedauer: 5 Min.
Älteres Paar wandert: Wer seinen Nachlass geregelt hat, hat den Kopf frei.Vergrößern des Bildes
Älteres Paar wandert: Wer seinen Nachlass geregelt hat, hat den Kopf frei. (Quelle: andreswd/getty-images-bilder)
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Immer mehr Deutsche bedenken gemeinnützige Organisationen im Testament. Warum? Eine Expertin erklärt die Motive – und was man beachten sollte.

Jahr für Jahr werden in Deutschland Milliarden vererbt – ein großer Teil geht dabei nicht an Verwandte, sondern an gemeinnützige Organisationen. Was motiviert Menschen dazu, ihr Vermögen der Gesellschaft zugutekommen zu lassen? Und wie spricht man mit Angehörigen über eine Entscheidung, die oft mehr ist als nur eine Geldfrage?

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Ein Gespräch mit Barbara Françoise Gruner, Vorständin der SOS-Kinderdörfer weltweit, über stille Spender, emotionale Vermächtnisse – und die Kraft eines klaren Testaments.

t-online: Frau Gruner, die Deutschen vererben so viel wie nie. Merken Sie davon etwas bei den SOS-Kinderdörfern?

Barbara Françoise Gruner: Ja, tatsächlich spüren wir das schon länger. Erbschaften und Testamentsspenden sind heute eine zunehmend wichtige Quelle, um unsere Arbeit zu finanzieren. Mittlerweile stammt rund ein Drittel unserer Spendeneinnahmen aus Nachlässen, Testamentsspenden und Vermächtnissen. Es sind dabei weniger die großen Vermögen, die uns übertragen werden. Häufig sind es ganz normale Menschen, die ihr Lebenserspartes, das Häuschen oder andere Werte gemeinnützig weitergeben.

Woran liegt es, dass immer mehr Menschen dazu bereit sind, einen Teil ihres Vermögens gemeinnützig zu vererben?

Anders als früher sind Testament, Nachlass und Tod heute keine Tabuthemen mehr. Über viele Jahre hatte das einen gewissen Beigeschmack – man sprach nicht gern über das eigene Ende. Heute verändert sich das. In einer Forsa-Umfrage, die wir Anfang des Jahres in Auftrag gegeben hatten, zeigte sich deutlich: Immer mehr Menschen entscheiden sich ganz gezielt für ein gemeinnütziges Vermächtnis. 46 Prozent der Bundesbürger, bei den Jüngeren sogar 54 Prozent, können sich demnach eine Testamentsspende vorstellen. Das ist ein kultureller Wandel, den wir deutlich spüren.

Zur Person

Barbara Françoise Gruner ist seit 1. Januar 2023 im Vorstand des SOS-Kinderdörfer weltweit Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V. und leitet unter anderem den Bereich Fundraising und Mittelbeschaffung. Sie ist Expertin für internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sowie für Fundraising im Kontext von Non-Profit-Organisationen und Sozialunternehmen.

Liegt das steigende Spendenaufkommen nicht auch daran, dass es heute schlicht mehr ältere Menschen in Deutschland gibt als früher?

Auch das spielt eine große Rolle. Wir erleben gerade das Nachlassverhalten der geburtenstarken Jahrgänge – der Babyboomer, aber auch der sogenannten Wiederaufbaugeneration. Viele dieser Menschen treten ins Rentenalter ein oder beschäftigen sich mit dem eigenen Nachlass. Die Anzahl der Todesfälle steigt – und damit auch die Zahl derer, die überhaupt etwas zu vererben haben. Ich bin sicher: Das wird noch die nächsten 15 Jahre ein relevantes Phänomen bleiben, bevor die geburtenschwächeren Generationen folgen.

Was bewegt Menschen dazu, einen Teil ihres Vermögens gemeinnützig zu vererben?

Für viele ist es eine zutiefst persönliche Entscheidung – oft mit biografischem Bezug. Manchmal geht es darum, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Häufig aber auch um Werte und Erlebnisse, die ein Leben geprägt haben: Jemand, der als Flüchtlingskind aus Schlesien nach Deutschland kam, möchte zum Beispiel Kinder unterstützen, die heute auf der Flucht sind. Solche Entscheidungen sind oft sehr durchdacht. Und sie zeigen: Ein Testament ist mehr als eine Formalie – es ist das letzte Geschenk.

Gibt es Begegnungen oder Geschichten, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Oh ja, viele. Eine Frau erzählte uns, dass sie ihr Leben lang gern gereist ist. Sie stellt sich vor, wie sie später – im Himmel auf ihrer Wolke – eine Schulklasse im Senegal beobachtet, die mit ihrer Hilfe lernen kann. Manchmal ist es auch gar nicht der finanzielle Nachlass, der uns bewegt, sondern der emotionale Wert bestimmter Gegenstände. In einer Wohnung fanden unsere Mitarbeiter etwa eine gepresste Blume – ein Geschenk vom Ehemann, der nie aus dem Krieg zurückkam. Die konnten wir dann der Schwester der Verstorbenen übergeben. In solchen Momenten merkt man, wie viel Vertrauen uns entgegengebracht wird – und wie viel Verantwortung das bedeutet.

Das heißt, wenn Menschen Ihnen ihren Nachlass vermachen, lösen Sie auch schon mal ganze Wohnungen für sie auf?

Das kann passieren, ja. Wenn wir Erbe sind, übernehmen wir viele der Aufgaben, um die sich sonst die Angehörigen kümmern müssten. Vom Kündigen aller Verträge bis dahin, den Schmuck aus dem Bankschließfach zu holen.

Viele Menschen zögern, einen Teil ihres Vermögens einem gemeinnützigen Zweck zukommen zu lassen, weil sie Ärger mit Angehörigen fürchten. Wie erfüllt man sich diesen Wunsch, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen?

Tatsächlich ist das ein großes Thema. Wichtig ist vor allem, frühzeitig miteinander zu sprechen – und sich beraten zu lassen. Wir haben eigene Juristinnen und Juristen im Haus, die genau dafür da sind: für Informationen, für rechtliche Beratung, aber auch für Gespräche mit Angehörigen. Oft erleben wir, dass Menschen mit ihren Kindern gemeinsam zu uns kommen. Und wenn es gut läuft, wird aus dem Erbe dann ein gemeinsames Familienprojekt, das sogar verbindend wirken kann.

Könnten auch steuerliche Argumente Erben überzeugen, einen Teil abzugeben?

Auf jeden Fall. Wenn Erben über den Freibetrag bei der Erbschaftsteuer kommen, kann gemeinnütziges Vererben helfen, die steuerliche Belastung zu senken. Viele erben dann lieber einen Teil gar nicht, als hohe Steuersätze zahlen zu müssen.

Kann man bei Testamentsspenden etwas falsch machen?

Ja – und deshalb ist Präzision so wichtig. Man sollte klar formulieren, ob jemand als Erbe eingesetzt wird oder ob es ein Vermächtnis ist. Auch die Rechtsform der Organisation sollte stimmen – etwa Verein oder Stiftung. Wir bieten einen kostenlosen Testaments-Check an, bei dem unsere Nachlassjuristen prüfen, ob alles korrekt formuliert ist. Das kann viel Ärger ersparen. Und natürlich kann man das Testament beim Notar oder Amtsgericht sicher hinterlegen.

Was entgegnen Sie denen, die sagen: mein Geld, meine Entscheidung – Punkt?

Im Prinzip stimmt das: Jeder entscheidet für sich. Aber ein Testament ist mehr als nur Geldverteilung. Es zeigt, was einem im Leben wichtig war. Und gerade, weil es freiwillig ist, hat das gemeinnützige Vererben eine so starke Wirkung. Viele Menschen wissen gar nicht, wie viel Vermögen sie besitzen. Ein Häuschen, das sich im Wert verfünffacht hat – plötzlich ist das ein halbes Vermögen. Wer dann einen Teil davon abgibt, trifft eine Entscheidung, die weit über das eigene Leben hinaus wirkt.

Ist es aus Ihrer Sicht ein Zeichen von Verantwortung, wenn Menschen mit größerem Vermögen bewusst einen Teil abgeben?

Ich finde schon. Natürlich bleibt es eine persönliche Entscheidung. Aber wenn Menschen freiwillig teilen, ist das für mich ein starkes Zeichen von Mitgefühl und Verantwortung.

Angenommen, Sie hätten eine größere Summe zu vererben: Was würden Sie damit tun?

Ich glaube, ich würde das genauso machen: Ich würde einem Thema, das mich mein Leben lang begleitet hat, etwas zugutekommen lassen. Aber egal, wie man sich entscheidet – es überhaupt zu tun, ist an sich schon ein gutes Gefühl. Viele sagen uns, dass sie nach dieser Entscheidung regelrecht erleichtert sind. Das Testament ist geschrieben, die Ordner sortiert – jetzt kann ich mich wieder aufs Leben konzentrieren.

Frau Gruner, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Barbara Françoise Gruner, Vorständin der SOS-Kindedörfer weltweit
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