Massenhafter Raub jüdischer Güter "Arisierungs"-Mahnmal soll an Bremens "besondere Rolle" in der NS-Zeit erinnern

Seit Jahren plant die Stadt, seit Jahren gibt es immer wieder Verzögerungen mit dem Bau des "Arisierungs"-Mahnmals in Bremen. Jetzt kommt Bewegung in die Sache.
Es ist eine dunkle Vergangenheit, die die Stadt Bremen seit Jahrzehnten auf ihren Schultern trägt. Jahrelang beteiligten sich Unternehmen, Behörden und Bürger aus der Hansestadt an der systematischen Ausbeutung des jüdischen Volks während der NS-Zeit.
Besonders hervorgetan im negativen Sinn hatte sich während dieser Zeit das international agierende Logistikunternehmen "Kühne + Nagel". So hatte der Initiator des Mahnmals, der "taz"-Redakteur Henning Bleyl in Kooperation mit Historikern nachgewiesen, dass das Unternehmen systematisch an der "Verwertung" jüdischen Eigentums beteiligt war und so maßgeblich an der Herrschaftssicherung des Naziregimes mitgewirkt hatte.
2016 folgte der Beschluss der bremischen Stadtbürgerschaft, das sogenannte Arisierungs-Mahnmal zu bauen, erst jetzt, sechs Jahre später, beginnen die Arbeiten für das Mahnmal mit dem Namen "Leerstellen und Geschichtslücken" der Architektin Evin Oettingshausen. Es soll am Ufer der Weser direkt an der Wilhelm-Kaisen-Brücke entstehen.
Baukosten erhöhen sich
Während eines Vor-Ort-Termins am Dienstag am geplanten Ort des Mahnmals sagte Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bremen: "Es ist gut und dankenswert, dass die Politik und die Stadtgesellschaft das Erinnern an den massenhaften Raub jüdischer Güter und an die Shoah, den Holocaust, durch dieses Mahnmal verstärken und bewahren will."
Auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) lobte den Entwurf und hob in erster Linie den "geduldigen und konstruktiven Einsatz" der Initiatoren hervor, die sich auch für das Sammeln von Spenden eingesetzt hatten, heißt es in einer Mitteilung des Senats. Mit Hilfe einer Privatinitiative kamen allein Spenden in Höhe von 62.000 Euro zusammen.
Insgesamt, so neuste Berechnungen, soll das Mahnmal knapp 550.000 Euro kosten. Ursprünglich veranschlagt waren 476.000 Euro, doch aufgrund der "angespannten Lage im Bausektor sowie infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine" seien insbesondere die Preise für Baumaterialien stark gestiegen. Das Kulturressort rechnet entsprechend mit Mehrkosten von etwa 72.000 Euro.
Mahnmal soll in fünf Monaten stehen
Etwa im Mai, so die bisherige Planung, soll das Mahnmal fertig sein. Vorausgesetzt sei jedoch, dass es zu keinen wetterbedingten Verzögerungen durch beispielsweise Hochwasser komme. Ursprünglich war ein Baustart für Sommer dieses Jahres geplant.
Architektin Evin Oettingshausen, die das Mahnmal entworfen hat, äußerte sich am Dienstag folgendermaßen: "Der Bau des Mahnmals ist ein guter erster Schritt, um auf die vielschichtigen Dimensionen von NS-Enteignungskontexten hinzuweisen." Sie forderte jedoch, dieses Erinnern noch vielschichtiger zu gestalten und eine "weitere wissenschaftliche und inhaltliche Aufarbeitung, beispielsweise zu den Profiteurinnen und Profiteuren der nationalsozialistischen Beraubung" fortzuführen.
Initiator Henning Bleyl hob indes den Sonderstatus der Hansestadt hervor: "Bremens besondere Rolle hierbei liegt in der europaweiten Logistik der 'Verwertung' jüdischen Eigentums. Auf diese lange ignorierte Rolle fokussiert sich das Mahnmal."
- Eigene Recherchen
- senatspressestelle.bremen.de: Start der Bauarbeiten zum "Arisierungs"-Mahnmal an der Tiefer
- taz.de: "Logistiker der ‚Arisierung‘"