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Schlachthof-Skandal um systematisches Tierleid: Polizei zieht erschreckende Bilanz


Schlachthof-Skandal
Steckten Veterinäre mit den Betrügern unter einer Decke?

Von t-online, stk

Aktualisiert am 20.06.2023Lesedauer: 3 Min.
Tote Tiere auf der Ladefläche eines Lasters (Symbolfoto): Einige Schlachthöfe stehen im Verdacht, auch tote Tiere verarbeitet zu haben. Es wird wegen gewerbsmäßigen Betrug weiter ermittelt.Vergrößern des BildesTote Tiere auf der Ladefläche eines Lasters (Symbolfoto): Einige Schlachthöfe stehen im Verdacht, auch tote Tiere verarbeitet zu haben. Es wird wegen gewerbsmäßigen Betrug weiter ermittelt. (Quelle: IMAGO/Marius Schwarz)
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Aktivisten legen systematisches Tierleid in Deutschland offen, jetzt zieht die Polizei nach und veröffentlicht eine erschreckende Bilanz.

Mehrere Jahre dauerte die Auswertung, zahlreiche Prozesse wurden geführt, Verantwortliche verurteilt: Im Tierschutz-Skandal rund um Osnabrück und Oldenburg hat die Polizei jetzt eine Bilanz zur systematischen Quälerei von Rindern und Schweinen veröffentlicht. Das Fazit der Ermittler liest sich wie aus einem Horrorfilm.

Im Oktober 2018 waren die Beamten auf mögliche Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in verschiedenen Schlachthöfen aufmerksam gemacht worden. Tierschützer hatten den Ermittlern insgesamt über 4.000 Videosequenzen zugespielt. Manche davon waren nur wenige Minuten lang, andere hingegen Stunden. Was die Aufnahmen jedoch einte, waren die grausamen Methoden, mit denen die Tiere gequält wurden. Die Polizei spricht von "eindeutig erheblichen Schmerzen und Leiden im Sinne des Tierschutzgesetzes", welches den Tieren zugefügt worden war.

Bereits tote Tiere zu Fleisch verarbeitet?

Konkret übergaben die Aktivisten der Polizei Videomaterial aus Schlachthöfen in Oldenburg und aus einem Betrieb in Bad Iburg bei Osnabrück. Dabei wurde deutlich, "dass wiederholt besonders schutzbedürftige Tiere unter Einsatz von mechanischen Hilfsmitteln, hier vornehmlich einer Seilwinde, bei vollem Bewusstsein von den Transportfahrzeugen geschleift wurden". Die Vierbeiner waren demnach entweder krank, verletzt oder festliegend, also nicht mehr in der Lage, selbstständig aufzustehen.

Der Schlachthof in Bad Iburg existierte zum Zeitpunkt der Videosichtungen bereits seit 40 Jahren. Das Unternehmen verkaufte nach Informationen der Polizei an verschiedenste Discounter und Restaurants sowie Fleischereien. Aber auch Fleischgroßhändler im In- und Ausland gehörten offenbar zum Kundenstamm des Betriebs.

Veterinäre schauten offenbar weg

Dass in solchen Firmen alles mit rechten Dingen zugeht, dafür sind in Deutschland Veterinärmediziner verantwortlich. Doch wie eine Verhandlung gegen Verantwortliche des Schlachthofs zeigte, hätten mindestens zwei amtlich beauftragte Tiermediziner gar keine Kontrollen durchgeführt. Diese seien jedoch "zwingend erforderlich" gewesen, gerade weil die Tiere für die Fleischproduktion verwendet worden waren, so Jannis Gervelmeyer, Sprecher der Polizeiinspektion Osnabrück.

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Wie die Ermittlungen weiter ergaben, hatten die Verantwortlichen im Schlachtbetrieb verbotenerweise auch bereits tote angelieferte Tiere zu Steaks und Wurst verarbeitet. Das hätte verhindert werden müssen, so Sprecher Gervelmeyer. Doch die Veterinäre taten nichts – schrieben laut den Gerichtsprotokollen jedoch Rechnungen für nie erbrachte Leistungen.

Zwar wurden die betreffenden Tiermediziner von einem Gericht in allen Vorwürfen gegen das Tierschutzgesetz freigesprochen, allerdings stehe nun der Vorwurf des Betrugs im Raum. Denn: Die Veterinäre sollen ihrem Arbeitgeber, dem Landkreis Osnabrück, Rechnungen für die angeblichen Untersuchungen eingereicht haben. Die Leistungen, also Untersuchungen an Tieren, hätten sie aber wie geschildert nie erbracht.

Geldstrafen oft gering

Auch gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Betriebs werde wegen Betrugs ermittelt. Die Anklagebehörde geht sogar davon aus, dass der Mann "gewerbsmäßig" handelte, also Straftaten über einen längeren Zeitraum und mit dem Ziel durchführte, damit Gewinn zu erzielen. Das Fleisch, das er später an Restaurants und Großhändler verkauft hatte, hätte so nie in Umlauf kommen dürfen, sagte Sprecher Gervelmeyer. Das sei dem Mann auch bewusst gewesen. Das Produkt stammte zum Teil von bereits toten Tieren, zum anderen waren die Tiere nie untersucht worden, bevor sie verarbeitet wurden.

Verantwortliches des Schlachthofes räumten zwar ein, dass die toten Tiere in das Gebäudeinnere transportiert, dort aber nie verarbeitet worden waren. Laut Polizei konnte ihr "letztendlicher Verbleib nicht abschließend aufgeklärt werden".

Im Rahmen des Ermittlungskomplexes, an deren Aufarbeitung fünf geschulte Beamte beteiligt waren, wurden letztlich 445 Strafverfahren eingeleitet. Gegen 67 Beschuldigte starteten die Behörden Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. In 44 Fällen kam es zu rechtskräftigen Verurteilungen. Insgesamt verhängten Gerichte Geldstrafen in Höhe von über 140.000 Euro. Bei 44 Verurteilungen ergibt sich somit eine Durchschnittsstrafe von etwa 3.180 pro Urteil.

Verwendete Quellen
  • tierschutz-skandale.de: Fälle aus Oldenburg und Bad Iburg
  • presseportal.de: Mitteilung der Polizeiinspektion Osnabrück vom 19. Juni 2023
  • dejure.org: § 263, Betrug
  • Eigene Recherche
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