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Gesperrte A45-Brücke Rahmede bei Lüdenscheid: CDU profitierte von Wüsts Plan


Affäre um gesperrte Autobahn
Von Wüsts Plan profitierte vor allem die CDU


Aktualisiert am 24.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst: Sein Verkehrsministerium nahm – anders als behauptet – Einfluss auf Straßen- und Brückenbauprojekte. (Quelle: imago images/Chris Emil Janssen)

Die marode A45-Talbrücke im Sauerland setzt NRW-Ministerpräsident Wüst weiter unter Druck. Warum wurde sie nicht frühzeitig neu gebaut? Hinweise darauf geben interne Dokumente.

Die gesperrte A45 im Sauerland macht Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) weiter zu schaffen. Recherchen von t-online haben zu einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag geführt, der die Rolle des NRW-Landeschefs und ehemaligen Verkehrsministers für die gescheiterte Neubauplanung der nun völlig maroden Talbrücke Rahmede ausloten soll. Jetzt liegen t-online weitere interne Dokumente vor, die Zweifel an der bisherigen Verteidigungslinie seiner Landesregierung nähren.

Offenbar nahm das Verkehrsministerium unter Wüsts Führung – anders als behauptet – Einfluss auf die Priorisierung von Sanierungs- und Neubauprojekten. Und fast ausschließlich solche Projekte, die in Wahlkreisen von CDU-Landtagsabgeordneten lagen, schafften es, nachträglich in den für die Landesregierung prestigeträchtigen Masterplan für Fernstraßen aufgenommen zu werden.

Widersprüche um marode Talbrücke Rahmede

Bevorzugte die CDU-geführte Landesregierung ihre Parteifreunde und leistete damit politische Schützenhilfe? Zulasten einer maroden Brücke ohne Lobby?

Die Lage ist kompliziert: Nachdem die Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid im Dezember 2021 wegen Schäden plötzlich gesperrt werden musste und ihr Neubau sich noch Jahre hinziehen wird, war bekannt geworden, dass das Verkehrsdebakel in der starken Wirtschaftsregion Südwestfalen durchaus zu vermeiden gewesen wäre – denn ein Neubau war seit Langem geplant.

Dass es zu diesem Neubau nicht zeitnah gekommen war, erklärte der damalige Landesverkehrsminister Wüst im Wahlkampf so: "Wann welches Bauwerk saniert wird, ist eine fachliche Entscheidung, die im Übrigen vor meiner Amtszeit getroffen wurde." Er suggerierte damit, die Verantwortung läge bei seinem Vorgänger im Amt – der hatte allerdings tatsächlich den Neubau auf den Weg gebracht, der in Wüsts Amtszeit fallen sollte.

Einfluss der Ministeriumsspitze

t-online machte schließlich öffentlich, dass das Projekt unter Wüst um Jahre verschoben wurde. Grund dafür war ein notwendig gewordenes Planfeststellungsverfahren, für das offenbar die personellen Kapazitäten fehlten. Seitdem mauerte die Landesregierung bei der Aufklärung weitestgehend. Wüst blieb bei seiner Linie: "Priorisierungen von Projekten in einem solch sensiblen Bereich erfolgen aufgrund fachlicher Entscheidungen von Experten, die trifft man nicht politisch", sagte er noch im Dezember dem "Westfälischen Anzeiger".

An den Aussagen bestehen nun aber ernsthafte Zweifel. Aus t-online exklusiv vorliegenden Dokumenten des Verkehrsministeriums geht eindeutig hervor, dass die Politik bei der Priorisierung von Projekten eine Rolle spielte. Die Hausspitze unter Wüst machte Einfluss bei Planfeststellungsverfahren geltend, drang vereinzelt auf beschleunigte Prozesse – und wo Spielraum bestand, profitierten die Wahlkreise von CDU-Abgeordneten. Das nutzte das Verkehrsministerium anschließend zur gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit mit den Parlamentariern.

War die Rahmedetalbrücke also ungünstig gelegen – in einem SPD-Wahlkreis?

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Erste Anhaltspunkte für die bislang bestrittene politische Einflussnahme der Hausspitze hatte ein E-Mail-Wechsel gegeben, über den t-online Anfang des Jahres berichtete. Aus ihm geht hervor, dass sich Wüsts Staatssekretär Hendrik Schulte kurz nach Amtsantritt 2017 explizit nach den Brücken der A45 erkundigte: "Besonders interessiert ihn, wie die Entscheidung über Ertüchtigung oder Neubau getroffen wird und ob und – wenn ja – wie priorisiert wird." Auch bei Planfeststellungsverfahren wollte er mitreden: "Ihm geht es nämlich auch darum zu hinterfragen, ob dem eine Priorisierung zugrunde liegt und ob die Prioritäten dann richtig gesetzt sind."

Intervention zeigt Wirkung

Die neuen Dokumente passen in dieses Bild: Im September 2020 machte Wüsts Staatssekretär seinen Einfluss geltend, indem er per E-Mail an die Abteilungsleitung auf zügige Verfahren nicht für die Rahmedetalbrücke, sondern für das Kreuz Kaiserberg bei Duisburg und die Berliner Brücke an der dortigen A59 drang: "Bitte stellen Sie sicher, dass diese beiden Verfahren unter allen Umständen (auch unter Inanspruchnahme großzügiger Regelungen) noch in diesem Jahr eingeleitet werden."

Seine Intervention zeigte Wirkung: Vier Wochen später wurde das Planfeststellungsverfahren für das Kreuz von der Bezirksregierung in Düsseldorf nach Münster verlagert, wo mehr Kapazitäten zur Verfügung standen, wie aus einer weiteren E-Mail hervorgeht. Die Einzelfallentscheidung des Ministeriums ermöglichte es, das Verfahren zeitnah einzuleiten. Dass Wüst mit dem Vorgang vertraut war, erscheint wahrscheinlich: Eine Liste der Planfeststellungen zeichnete er im selben Jahr mit – und forderte im gleichen Zug einen Zwischenbericht für das kommende Quartal an.

Weitere t-online vorliegende Dokumente belegen: Unter Verkehrsminister Wüst hing es durchaus von der Politik ab, welche Projekte im Straßenbau angegangen wurden und welche nicht. Das geht bereits aus einem internen Bericht für den Minister von Herbst 2017 hervor, der schließlich in den "Masterplan zur Umsetzung des Fernstraßenbedarfsplans" mündete. Das für die damalige schwarz-gelbe Landesregierung prestigeträchtige Programm sollte die insgesamt 217 anstehenden Bau- und Sanierungsmaßnahmen aufeinander abstimmen.

Zwar gelten in dem Bericht 73 der Vorhaben als "Vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung" und sind damit den Weisungen des Bundes folgend fest disponiert. Mehr Spielraum besteht allerdings bei den 108 Maßnahmen des "Vordringlichen Bedarfs", dem auch die Rahmedetalbrücke auf der A45 zugeordnet ist. Die Brücke und etwa zwei Drittel der dort aufgeführten Projekte werden demnach "mit Hochdruck bereits geplant". Die übrigen sollen erst dann begonnen werden, wenn freie Kapazitäten zur Verfügung stehen. Und spätestens da kommt die Politik ins Spiel.

Projekte in CDU-Wahlkreisen

"Durch die nicht erfolgte Terminierung und Zuordnung weiterer Planungsbeginne ist die Möglichkeit gegeben, im Einzelfall auf politische Forderungen flexibel reagieren zu können", heißt es weiter. Und wie sich das ausgestaltete, halten weitere Dokumente fest. Jährlich wurden Projekte nachträglich in den "Masterplan" aufgenommen. Und acht von zehn lagen in Wahlkreisen, für die CDU-Abgeordnete in den Landtag eingezogen waren.* Damit wurde sogar geworben. Wüsts Büroleiter Thomas Dautzenberg orchestrierte die Öffentlichkeitsarbeit.

"Ich bräuchte mal dringend die Namen der Abgeordneten, die von neu aufgenommenen Maßnahmen betroffen sind. Mit denen sollen morgen nach Fraktion Bilder gemacht werden", heißt es im Februar 2019 in einer internen E-Mail der Presseabteilung. Soeben wurde der "Masterplan" überarbeitet. Und weiter dazu: "[Herr] Dautzenberg teilte mir mit, dass Sie die Fototermine mit den Abgeordneten organisieren. Wir bringen dann die Poster in den Landtag, müssten dafür einmal kurz die Übergabe an Sie besprechen."

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Die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums hatte für die CDU-Fraktion nicht nur den Vorteil, dass sie sich um die Poster keine Gedanken machen musste. Beim gemeinsamen Fototermin war auch keine einzige andere Fraktion anwesend. Fünf von sechs lagen in CDU-Wahlkreisen. Dafür hatte der kurze Draht zum Minister gesorgt, woraus die Abgeordneten keinen Hehl machten.

So heißt es beispielhaft in einer Pressemitteilung zu einer Ortsumgehung für Rommerskirchen/Butzheim im Rheinischen: "Die Aufnahme der Arbeiten ist der ausgezeichneten Zusammenarbeit der zuständigen Landtagsabgeordneten Heike Troles mit NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst zu verdanken. Hier konnte die engagierte Parlamentarierin den Minister von der Notwendigkeit und Dringlichkeit dieser Verbindung für die Region und deren herausragender Bedeutung als Querspange für das Rheinische Revier überzeugen."

Eine Fürsprache beim Minister scheint für die Ortsumgehung also Wunder gewirkt zu haben. Bezüglich der Rahmedetalbrücke im Sauerland ergab sich ein solches Wunder nicht. Zwar habe er an fachlichen Besprechungen zur A45 teilgenommen, räumte Wüst im Verkehrsausschuss des Landtags ein. Aber: "Ich kann nicht bestätigen, dass – jetzt aus der Rückschau – dieses Thema bei mir mit akutem Handlungsbedarf problematisiert wurde." Sonst, so kann man es verstehen, hätte er seinen Einfluss womöglich genutzt.

*Update, 24.4.2023, 12.00 Uhr: In einer früheren Version des Artikels hieß es, neun von zehn Projekten hätten in CDU-Wahlkreisen gelegen. Korrekt ist, dass acht von zehn Projekten in CDU-Wahlkreisen lagen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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