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Dortmund: Wie schlimm ist die Nordstadt wirklich? – "Traue mich nicht raus"


Doku über Dortmund
Hat "Stern TV" bei den No-go-Areas übertrieben?


Aktualisiert am 07.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Polizisten in der Nordstadt (Archivbild): Das Viertel gilt schon lange als Brennpunkt. (Quelle: imago stock&people)

Die Nordstadt gilt als Problemviertel und No-go-Area: Offener Drogenkonsum, Gewalt und Verwahrlosung stehen an der Tagesordnung. Doch wie sieht es wirklich aus?

Wie kaum eine andere Gegend in Deutschland steht die Nordstadt in Dortmund für Kriminalität, Gewalt und Dreck. Erst kürzlich zeichnete eine "Stern TV"-Dokumentation wieder ein düsteres Bild des Stadtteils. Gewalt, Dreck und Streitereien unter den Anwohnenden stünden laut der Doku in der Nordstadt an der Tagesordnung. Ein Anwohner traue sich abends nicht mal mehr vor die Tür.

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Auch aufseiten der Stadt Dortmund heißt es, die Nordstadt sei trotz vielfältiger Anstrengungen von einer hohen Arbeitslosigkeit sowie einem hohen Armuts- und niedrigen Bildungsniveau gekennzeichnet. Demnach sei die Arbeitslosenquote rund doppelt so hoch wie im städtischen Gesamtdurchschnitt. Eine trübe Bilanz.

Doch zahlreiche Anwohnende der Nordstadt halten dem Bild der Doku etwas entgegen. Auf der Instagram-Seite "Dortmundermemes" ist die Meinung in den Kommentaren einhellig: So ist die Nordstadt nicht. "Ich liebe die Nordstadt. Hier gibt es so viel Freizeit und Kulturangebot und überall nette Menschen." Viele sprechen davon, dass die Dokumentation die Situation in der Nordstadt übertrieben darstelle.

Günstige Mieten und Raum zum Gestalten

Der Stadtteil macht Probleme, das ist den Anwohnenden in der Kommentarspalte klar, etwa auch Jörg Stüdemann, dem Kulturdezernenten der Stadt Dortmund. Wie er im Podcast "Faţadă / Fassade" erklärt, hätten von den 59.000 Einwohnern des Viertels lediglich 12.000 einen deutschen Pass – viele blieben nur kurz und siedelten dann in einen anderen Stadtteil über. Das Viertel sei im ständigen Wandel.

In der "Stern TV"-Doku heißt es, es gebe insgesamt 23.000 Sozialwohnungen in dem Viertel, von denen viele leer stünden. Grund dafür sind laut Stüdemann Hausspekulanten. Diese kauften die Häuser günstig ein, kümmerten sich dann aber nicht darum. "Wir haben in der Nordstadt 140 Problemhäuser in einem desolaten Zustand gehabt", sagt Stüdemann. Seit 2014 kaufe die Stadt nach Möglichkeit die Häuser – sofern sie zu einem marktüblichen Preis gehandelt werden. Viele seien bereits saniert worden und wieder bewohnbar, wie es weiter hieß.

Die Stadt überlässt die Nordstadt sich selbst

Damit versuche die Stadt, das größte zusammenhängende Gründerzeitviertel Nordrhein-Westfalens zu erhalten. Die günstigen Mieten, die Nähe zur Innenstadt und die zahlreichen kulturellen Angebote ziehen mittlerweile auch zahlreiche Studierende in das Viertel. So auch Belissa, die fürs Studium mit 18 Jahren in die Nordstadt zog.

Belissa arbeitet seit mittlerweile fünf Jahren im "Grünen Salon", einem Café mitten auf dem Nordmarkt. Den kleinen Bungalow mit den vielen Pflanzen würde man eher in einem der Szeneviertel wie dem Kreuzviertel und nicht mitten auf dem Nordmarkt vermuten. Genauso wie das dortige Publikum. Junge hippe Menschen treffen sich dort auf einen Flat White oder zum veganen Brunch.

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Sie fühlt sich wohl in der Nordstadt und hatte auch noch nie Angst, wie sie t-online im Gespräch erzählt. In der "Stern TV"-Doku erzählt ein Protagonist, er traue sich abends nicht mehr vor die Tür. Für Belissa ein unbekanntes Problem – wenn sie abends nach der Schicht nach Hause gehe, sei noch nie etwas vorgefallen.

Doch auch sie sieht die Probleme im Viertel. Den Drogenkonsum und Dreck. Doch laut Belissa seien nicht die Leute an den Zuständen in der Nordstadt schuld: "Die Nordstadt wird sich selbst überlassen, deswegen ist es wichtig, dass es so was wie den 'Grünen Salon' hier gibt." Die Stadt müsse sich mehr um die Menschen im Viertel kümmern und mehr investieren.

Drogenkonsum neben dem Spielplatz

Wer den Blick über den Park und insbesondere an seine Ränder schweifen lässt, sieht sofort, was Belissa meint. Die Mülleimer quellen über oder der Müll wird an Ort und Stelle fallen gelassen. An den Rändern des Parks finden sich Menschentrauben, bei denen mindestens die Hälfte der Leute offensichtlich Drogen konsumiert. Wenige Meter weiter steht ein Polizeiwagen, unternommen wird nichts. Ein normaler Wochentag am Nordmarkt.

Hin und wieder rennen Kinder durch den Park, spielen auf dem Spielplatz, an dem jedes zweite Spielgerät auseinanderzufallen droht. Auf den Bänken warten ihre Mütter. Frauen mit ausschweifenden und bunten Röcken, übergroßen Ohrringen und häufig einem leichten Tuch über dem Haar – augenscheinliche Roma.

Zahlreiche Roma seien seit der EU-Erweiterung aus Rumänien und Bulgarien nach Dortmund gekommen, wie Stüdemann im Podcast erzählt. Viele seien ohne Papiere in die Nordstadt gezogen und waren somit abhängig von Wohnraum, der auch ohne Bürokratie bezogen werden konnte. "Das Hauptdilemma ist, dass keine vernünftigen Verträge gemacht wurden", erzählt er. So hätten Vermieter nicht nur horrende Mieten verlangen können, sondern ihre Mieter auch auf Gutdünken aus den Wohnungen werfen können.

"Wenn sie die Leute aus den Wohnungen haben wollten, dann ließen die Vermieter die Möbel aus den Fenstern der Leute schmeißen", so Stüdemann. Mittlerweile werde versucht, Roma durch zahlreiche Initiativen wie das Roma-Kulturfestival "Djelem Djelem" in die Stadt zu integrieren und Vorurteile in der Bevölkerung gegen die Minderheit abzubauen. Laut einer Studie des Bundes will jeder dritte Deutsche keine Roma als Nachbarn haben.

Die Nordstadt hat noch immer zahlreiche Probleme. Das bestreiten weder Anwohnende noch die Stadt Dortmund. Doch ob die Zustände in der Stadt wirklich so katastrophal sind, wie der "Stern" sie in seiner Dokumentation zeichnet, bleibt fraglich.

Verwendete Quellen
  • dortmund.de: "Die Nordstadt"
  • Podcast "Faţadă / Fassade": Folge 1 "Holen wir uns die Stadt zurück", mit Kulturdezernent Jörg Stüdemann
  • Telefonat mit Belissa, Mitarbeiterin des "Grünen Salons"
  • Eigene Beobachtungen
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