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Intensivkoordinator: Patienten könnten auf Liste sterben


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Intensivkoordinator: Patienten könnten auf Liste sterben

Von dpa
01.12.2021Lesedauer: 3 Min.
IntensivstationVergrößern des BildesEine Pflegekraft steht auf einer Intensivstation in einem Zimmer und bedient eine Herz-Lungen-Maschine. (Quelle: Fabian Strauch/dpa/Symbolbild/dpa-bilder)
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Die Situation auf den Thüringer Intensivstationen bleibt sehr angespannt, auch wenn die düstere Prognose von 300 Betten mit Covid-Patienten zunächst nicht eingetreten ist. Planbare Operationen von Patienten etwa mit Krebs- oder Herzklappen-Erkrankungen müssten aufgeschoben werden, sagte der Thüringer Intensivkoordinator Michael Bauer am Mittwoch. "Für die bedeutet das unter Umständen den Tod auf der Warteliste oder eine wesentlich schlechtere Prognose." Einige seien bereits gestorben.

"In dem Moment, wo ich als Arzt priorisiere und sage, jemand muss auf die Warteliste, mache ich natürlich eine milde Form einer Triage", sagte er weiter. Meistens gehe das gut, aber nicht immer. Es sei bei Krebs auch die Frage, wie viele Menschen dadurch aus einem noch heilbaren Stadium in ein Stadium kommen, wo sie etliche Lebensjahre einbüßten. "Wir kommen jetzt schon in Bereiche, in denen wir Medizin machen, die wir eigentlich nicht machen wollen." Das nähmen die Leute in Kauf, die die Realität hartnäckig leugneten, sagte er mit Blick auf den großen Anteil ungeimpfter Corona-Patienten auf den Intensivstationen.

"Wenn Menschen auf Wartelisten sterben, die nicht an Covid-19 leiden, trägt die Politik dafür Verantwortung", kritisierte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Bund und Länder müssten endlich klare Leitlinien setzen, wie Patienten gegebenenfalls zu priorisieren seien. Nur Land- und Bundestage seien legitimiert, für Lebensentscheidungen Kriterien festzulegen und das dürfe nicht auf Ärzte abgewälzt werden.

"Für mich ist der Begriff "verschiebbare Operationen" der grausamste Begriff, der von der Politik in der Pandemie gewählt wurde", sagte Brysch weiter. Wenn man wisse, dass es dabei auch um Herzklappenversorgungen gehe, müsse doch jedem klar sein, was er damit anrichte. Derzeit arbeiteten 75 Prozent der deutschen Krankenhäuser mit dem Begriff - Tendenz steigend.

In Thüringen waren laut Bauer am Mittwoch 217 Corona-Patienten auf den Intensivstationen, in den Tagen zuvor war die Zahl um die 200 gependelt. Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) hatte Mitte November noch vor bis zu 300 Corona-Intensivpatienten bis Ende November gewarnt, wenn sich die Infektionszahlen weiter so entwickeln und keine neuen Maßnahmen hinzukommen. Das sei aus einer Prognose hervorgegangen, hatte sie damals gesagt. Laut Divi-Intensivregister hatte der Höchststand im April 2021 bei 233 gelegen.

Woran es liegt, dass sich die Zahlen anscheinend eingepegelt haben, sei schwer zu sagen, hieß es von einer Sprecherin des Gesundheitsministeriums. "Wir glauben nicht, dass es jetzt schon an den Maßnahmen liegt, die letzte Woche umgesetzt wurden." Vergangene Woche wurden in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in Thüringen Einschränkungen und Schließungen beschlossen und umgesetzt. Bis sich solche Maßnahmen auf die Infektionszahlen auswirkten, dauere es in der Regel bis zu zwei Wochen. Bis sich das dann in den Krankenhauszahlen zeige, dauere es nochmal eine Zeit.

"Der Anstieg ist abgebremst, aber wir sind weit entfernt von einem stabilen System", sagte Intensivmediziner Bauer. In den letzten drei Wochen habe es jeweils 120 bis 130 wöchentliche Neuaufnahmen gegeben. "Davon werden etwa 40 Prozent versterben oder sind verstorben." Bis Jahresende gehe er ganz fest davon aus, dass 250 bis 300 Corona-Patienten auf den Intensivstationen liegen. Vor allem im Bereich Süd-West-Thüringen sei die Situation "bedrohlich".

Auch am Universitätsklinikum Jena, wo Bauer die Klinik für Intensivmedizin leitet, seien seit Wochen keine Betten mehr frei. Aktuell werde der "beste Patient", egal ob mit oder ohne Covid-19, von der Station verlegt, wenn etwa ein Unfallopfer komme und ein neues Bett gebraucht werde. Aus der Situation werde man nur mit mehr Impfungen und Kontaktbeschränkungen kommen. Auch in den kommenden Wochen werde man zusätzlich Verlegungen in andere Bundesländer machen müssen. Zuletzt seien insgesamt zehn Patienten über das sogenannte Kleeblatt-System nach Norddeutschland verlegt worden. Doch Bauer mahnte: "Wir können unser Problem nicht wegfliegen, wir müssen unser Problem selbst lösen."

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