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Die letzte Hutmacherin von Karlsruhe


Aussterbender Beruf
Die letzte Hutmacherin von Karlsruhe

Von Ariane Lindemann

11.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Dietlinde Ambos in ihrem Atelier: Für einen Hut braucht sie meistens vier bis fünf Stunden.Vergrößern des Bildes
Dietlinde Ambos in ihrem Atelier: Für einen Hut braucht sie meistens vier bis fünf Stunden. (Quelle: Ariane Lindemann)

Sie fertigt Hüte für die Pferderennen in Baden-Baden und Ascot, für den deutschen Adel und auch auf dem Münchner Oktoberfest sorgen ihre ausgefallenen Hut-Kreationen immer wieder für Aufsehen. Hutmacherin Dietlinde Ambos ist die letzte ihrer Zunft in Karlsruhe.

Während Frauen in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts nie ohne Hut aus dem Haus gingen, fehlt ihnen heute eher der Mut zum Hut. Doch es gibt sie noch, die Frauen, die sich trauen. Bei "Hutlinde" finden sie das passende Modell. Zur Hutmacherei kam Dietlinde Ambos, pensionierte Dozentin für Kunst und Textiles Werken, eher durch Zufall.

Wenn vom berühmten Pferderennen in Ascot die Rede ist, denkt man zugleich an die anmutig-muskulösen Hengste und die aufsehenerregenden Kopfbedeckungen der Damen. Groß wie Wagenräder, üppig dekoriert, schrill und extravagant, wahre Kunstwerke aus Blumen, Bändern, Schleifen, Federn und Tüll. In Ascot sind Hüte noch heute Pflicht. Auf den internationalen Laufstegen ist Hutmode gerade wieder en Vogue und der Strohhut erlebt ein Revival als lässiger Sommertrend.

Viele Anlässe zum Huttragen

"Bei Hochzeiten, auf dem Oktoberfest und zu bestimmten Anlässen sind Hüte nach wie vor sehr gefragt", erzählt Dietlinde Ambos, die letzte Hutmacherin in Karlsruhe. Sie fertigt Kopfbedeckungen für Damen und Herren in allen Farben und Formen. Darunter solche mit floralen Dekoren, spektakulären Aufbauten, auffällig geschmückten Krempen, in Knallfarben und zurückhaltenden Erdtönen. Filmreife Exemplare neben alltagstauglichen, nur leicht verzierten Hüten und Hütchen.

"Zu mir kommen auch Kunden, die ohne besonderen Anlass gerne Hüte tragen, egal, ob sie spazieren gehen oder ins Restaurant". Dietlinde Ambos bringt ihre Hüte überwiegend auf Messen an den Mann oder die Frau. "Wobei die weibliche Kundschaft klar dominiert." Stammkundinnen kommen auch zu ihr ins Atelier. "Ein Hut macht aus jeder grauen Maus eine Lady", davon ist die Hutmacherin überzeugt.

Es braucht nur wenige Sekunden, in denen sie Gesicht und Gesamttypus eines Kunden abscannt. Dann wirft sie einen kurzen Blick auf ihre versammelte Hutmannschaft, lüpft ein Exemplar vom antiken Holzständer, setzt ihn der Dame oder dem Herrn auf den Kopf und mit ziemlicher Sicherheit sitzt dieser nicht nur perfekt, sondern unterstreicht auch die Ausstrahlung des Trägers.

Erfahrene Typ-Beraterin

"Frauen und Männer, die das erste Mal einen Hut bei mir aufsetzen, sind fast immer begeistert. Sie kaufen entweder gleich einen oder lassen sich ein individuelles Exemplar anfertigen. Es gibt allerdings auch viele Kunden, die sich mit dem Hut auf dem Kopf vor dem Spiegel drehen, für ein, zwei Minuten in ein anderes Ich tauchen und ihn dann wieder zurück hängen und sagen: 'Wo soll ich den denn tragen?'"

In ihrer Werkstatt, inmitten hunderter hölzerner Hutformen, zwischen Filz, Leder, Stroh, Schleifen, Bändern und Kisten voller Knöpfe und Dekore wird ein einzelnes Exemplar aufwendig produziert. Die Ideen für das Design entstehen während der Anfertigung ihrer Unikate.

Manche der Hutformen sind mehr als 200 Jahre alt, ebenso wie so mancher in der Werkstatt aufgehängte Hut, der wie aus der Zeit gefallen scheint und dennoch ungetragen wirkt.

"Höchstwahrscheinlich hätte ich mich nie der Hutmacherei verschrieben. Bis vor vielen Jahren in der Karlsruher Altstadt, im ehemaligen 'Dörfle', bei einer Sperrmüllaktion eines alten Hauses, der gesamte Bestand einer alten Hutmacherei zum Vorschein kam. In einer Nacht- und Nebelaktion holten wir alles, was wir retten konnten, ab, ohne zu wissen, was damit passieren soll. Mein Mann hat mich damals für verrückt erklärt."

Handwerk von Grund auf gelernt

38 Jahre lang bildete Dietlinde Ambos am Pädagogischen Fachseminar in Karlsruhe Lehrer in der Fachrichtung Kunst, Kunstgeschichte und Textiles Werken aus. "Irgendwann packte es mich und ich meldete mich zu einem Kurs bei einer Hutdesignerin in Bad Kissingen an." Wenig später lernte sie bei einem Hutmacher im schweizerischen Küssnacht das Hutmacher-Handwerk wie vor 100 Jahren. Es folgten Messebeteiligungen, Modeschauen im In- und Ausland und Vorträge über die Geschichte des Hutes.

"Die Fertigung eines Hutes dauert im Schnitt vier bis fünf Stunden. Manchmal kann es aber auch Tage dauern." Für einen Filzhut wird der Stumpen (Stoffrohling) auf die Hutform gestülpt und mit Dampf behandelt. "Filz dehnt sich nur, wenn er feucht ist", erklärt die Expertin. Danach wird die Hutform mit kleinen Nägeln befestigt, um sie für die weitere Bearbeitung in Form zu halten.

Prominente Kundinnen kaufen bei Karlsruhes letzter Hutmacherin

Nach dem Trocknen kommt die Verzierung mit Bändern. Ihr Markenzeichen: eine kleine schwarze Perle. Kein Hut verlässt die Werkstatt ohne dieses unauffällige Accessoire. Die Stoffe kommen überwiegend aus Antwerpen, Schottland und Irland, Filze aus Polen und für die Hutbänder reist "Hutlinde" regelmäßig nach Norditalien.

Gräfin Gloria von Thurn und Taxis war schon unter den Kundinnen und auch Besucherinnen der Pferderennen in Baden-Baden und Ascot. "Für das Pferderennen können die Hüte nicht groß und spektakulär genug sein. Hier haben die Frauen auch keine Skrupel, weil das zum Rennen dazugehört", sagt sie.

Dass Hüte einmal wieder so groß in Mode kommen wie früher, daran glaubt Dietlinde Ambos nicht. "Das Hutmacher-Handwerk stirbt langsam aus. Heute kommen die meisten Hüte aus Asien. Letzten Endes ist es einfach eine Preisfrage. Für mich ist es trotzdem eine Berufung, die mir großen Spaß macht. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht in der Werkstatt bin." Ein paar Jahre möchte sie das Atelier gerne noch behalten, auf Messen gehen und ihre Stammkundinnen und Stammkunden mit Hüten versorgen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Dietlinde Ambos
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