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Kieler Umschlag: Kann ein virtueller Mittelaltermarkt funktionieren?


Kieler Umschlag
Kann ein virtueller Mittelaltermarkt funktionieren?

Von Sven Raschke

Aktualisiert am 25.02.2021Lesedauer: 4 Min.
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So sieht der digitale Kieler Umschlag aus: Auch für die Zukunft soll die digitale Version als Erweiterung beibehalten werden.Vergrößern des Bildes
So sieht der digitale Kieler Umschlag aus: Auch für die Zukunft soll die digitale Version als Erweiterung beibehalten werden. (Quelle: Kiel-Marketing/leer)

Der Mittelaltermarkt Kieler Umschlag findet dieses Jahr digital statt. Doch lässt sich ein traditionelles Fest, das so stark von Nähe und Anfassen lebt, virtuell überhaupt gut umsetzen?

Trotz Corona und Lockdown geht der Kieler Umschlag dieses Jahr in die 47. Runde. Allerdings wählen die Veranstalter von Kiel-Marketing dabei den einzig derzeit gangbaren Weg und verlegen das Mittelalter-Fest in den virtuellen Raum. Doch wie sinnvoll ist die Digitalisierung eines so sehr auf Tradition, Kostüme und Begegnung bauendes Fests überhaupt? t-online hat schon einmal vorab einen Blick hinter die Kulissen geworfen und mit Veranstalter und Darstellern darüber gesprochen, was sie sich von der Veranstaltung versprechen.

Ein virtueller 360-Grad-Markt

Statt die Holstenstraße entlang zu schlendern, vorbei an Gauklern, Musikern und Handwerkern, können sich die Besucher dieses Jahr vom 25. bis 28. Februar durch den digital nachgebildeten Marktplatz klicken. Im Zentrum der 360-Grad-Animation steht die Bühne. Hier wird es eine Feuershow geben, Piraten und Seemannsmusik. Märchenerzählungen bieten Unterhaltung für Kinder. Die traditionellen Programmpunkte, wie das Wecken des Mittelalter-Bürgermeisters, sind teils vorher aufgezeichnet, teils gibt es Live-Talkrunden mit Prominenz wie dem Oberbürgermeister Ulf Kämpfer oder dem Stadtpräsidenten Hans-Werner Tovar, den Fogelvreien oder Asmus Bremer.

Für ein Biertasting können sich die Besucher vor den Bildschirmen vorher eine Umschlag-Box mit Bier, mittelalterlichem Brot und Umschlag-Goodies kaufen, entweder beim Welcome-Center am Stresemannplatz oder bei der Lille-Brauerei am Eichkamp. In einer Kochshow werden mittelalterliche Gerichte zum Nachmachen präsentiert.

Einen weiteren Höhepunkt soll eine Tauschbörse bilden. Angelehnt an die ursprüngliche Funktion des Marktes können die Gäste hier Alltagsgegenstände untereinander austauschen. "Das sollen keine kommerziellen Geschichten sein", erklärt Eva Zeiske von Kiel-Marketing. Eher geht es um kleine zwischenmenschliche Gesten: "Ich tausche meinen Schal", oder "Wer möchte einen Schlitten geschenkt haben?"

Dazu kommen virtuelle Stadtführungen, ein virtueller Waffenstand, eine virtuelle Schmiede und Verlinkungen zu vielen virtuellen Informationen rund um Kiel im Mittelalter.

"Das ist ein ganz schöner Kraftakt", sagt Eva Zeiske. "Wir arbeiten mit den Leuten, die seit vielen vielen Jahren dabei sind. Das alles zu produzieren und logistisch zu bewältigen, ist schon sehr aufwendig. Ich glaube, ähnlich aufwendig wie in den vergangenen Jahren."
Die Frage ist nur, ob sich dieser Aufwand auch bezahlt machen wird.

Die Darsteller freuen sich über die neue Möglichkeit

Für Asmus-Bremer-Darsteller Achim Schlufter, der seit 20 Jahren in das Kostüm schlüpft, wird es dieses Jahr zufällig auch noch die letzte Vorstellung sein. "Ich freue mich natürlich drauf. Es ist mal was anderes, was neues. Ich bin mal gespannt, was draus wird", sagt er. In diesen Tagen ist er beim Vorabdreh beim Warleberger Hof und in der St.-Nikolai-Kirche. Zum Fest selbst wird er bei Live-Talkrunden dabei sein und von vergangenen Umschlägen erzählen. "Aber", so Schlufter, "das ist natürlich kein Vergleich mit dem echten Umschlag." Den werde er auf jeden Fall vermissen. "Besonders den Gottesdienst und den Empfang im Rathaus, das Feiern, das Mitmenschliche, überhaupt den ganzen Umschlag. Na, wir werden mal gucken."

Auch Johannes Faget, Obergaukler von Fogelvrei, freut sich trotz der Einschränkungen aufs Fest. "Wir lassen uns durch die Pandemie nicht einschüchtern", sagt er trotzig. "Es kann nicht sein, dass deswegen Asmus Bremer nicht für vier Tage die Stadtherrschaft übernimmt." Der traditionsbewusste "Herold des Marktes" wird die digitalen Veranstaltungen teils moderieren, und er ist wie Achim Schlufter bei den Vorabdrehs dabei. "Als Künstler ist das für mich nach ewig langem Stillstand mal wieder die Möglichkeit, nach draußen zu kommen. Das ganze Jahr konnte man sich nicht sehen. Jetzt kann ich zumindest die anderen Darsteller und die Veranstalter treffen."

Den Umschlag digital umzusetzen, sei schon eine Herausforderung, so Faget. "Im Grunde lebt die Veranstaltung vom Fühlen, Schmecken, Riechen. Normalerweise ist alles voll mit Menschen. Jetzt sind sie zu Hause vor ihren Rechnern." Den Kontakt mit den Menschen wird auch er vermissen. "Aber", sagt Faget, "es soll in den Annalen später nicht stehen: Ein Jahr Umschlag ist ausgefallen wegen Pandemie."

Virtueller Umschlag soll auch in Zukunft fortgesetzt werden

Kiel-Marketing-Sprecherin Zeiske gesteht ein: "Ich glaube, was man im Internet nicht ersetzen kann, ist die Nähe zu den Menschen, das Liebevolle und Gesellige. Die aufwendig kostümierten und geschminkten Piraten oder das Gefolge von Asmus Bremer in den Straßen, Schauspieler, die in Interaktion mit den Besuchern treten." Allerdings, so Zeiske, könne man die Leute zumindest an das Thema heranführen. "Und im Internet können wir besser die geschichtlichen Hintergründe abbilden."

Sie sieht die Online-Veranstaltung nicht als Ersatz für den traditionellen Kieler Umschlag, sondern als eine Erweiterung. Deshalb soll die virtuelle Variante auch nach Corona fortgesetzt werden, ergänzend zum analogen Fest. "Ganz klar, nächstes Jahr wird es eine Hybrid-Veranstaltung", prophezeit Zeiske. "Diese virtuelle Welt ist wirklich liebevoll gemacht. Es steckt so viel Liebe zum Detail drin – das wollen wir weiter nutzen und auch ausbauen."

So könne man zudem den Wirkungskreis erweitern, sowohl bei Anbietern, Händlern und Institutionen als auch bei Besuchern, etwa solchen, die nicht vor Ort sein können. "Es gibt ja ganz viele, die das mittelalterliche Leben gern leben", sagt Zeiske. "Und je mehr sich künftig beteiligen, desto mehr Möglichkeiten wird es geben."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Eva Zeiske, Johannes Faget, Achim Schlufter
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