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Köln: Supermarkt verkauft Zukunftsprodukte – Einkauf mit App und Roboter


Einkaufen mit Roboter
Kölner Supermarkt verkauft Produkte, die es (noch) nicht gibt

Von Florian Eßer

05.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Digitale Begrüßung: Temi der Roboter hilft den Kunden bei der Orientierung und dem Einkauf.Vergrößern des Bildes
Digitale Begrüßung: Temi der Roboter hilft den Kunden bei der Orientierung und dem Einkauf. (Quelle: Florian Eßer)

Im Kölner Supermarkt "Go2Market" wird man nicht nur von einem Roboter begrüßt – der Laden verkauft Produkte, die es auf dem Markt gar nicht gibt.

Seit Juni gibt es in Köln-Braunsfeld den "Go2Market". Das Geschäft auf der Aachener Straße sieht zwar von außen wie ein ganz normaler Supermarkt aus, dient aber nicht dem alltäglichen Einkaufen von Lebensmitteln: Es ist ein Test-Supermarkt, in dem Unternehmen neue Produkte und Verkaufsstrategien erproben können.

Der "Go2Market" auf der Aachener Straße ist kein herkömmlicher Supermarkt. Das merken die Kunden bereits, wenn sie den Laden betreten: "Guten Tag, mein Name ist Temi", grüßt ein kleiner Roboter, bevor er sich selbstständig in Bewegung setzt und die Kunden zu den Einkaufskörben geleitet. So skurril die autonome Einkaufshilfe auch erscheinen mag – das Außergewöhnlichste ist Temi im "Go2Market" nicht. Der Test-Supermarkt in Köln-Braunsfeld wurde für Zwecke der Marktforschung geschaffen.

Essbare Löffel und Smoothies für Hunde

Auf einer Fläche von 400 Quadratmetern werden so neben bereits bekannten Produkten auch solche angeboten, die regulär noch gar nicht auf dem Markt erhältlich sind. Essbare Löffel aus Hartgrieß gehören dabei ebenso zum Sortiment wie Sauerkraut-Chips oder Smoothies für den Hund mit Rind oder Lamm.

Ziel des Go2Marktes ist es, herauszufinden, welche dieser Produkte den Geschmack der Kunden treffen und bei welchen sich eine weitere Vermarktung nicht lohnen würde – so sollen Hersteller akkurater auf ihre Zielgruppen eingehen können: "Wir stellen also eine Art Schnittstelle zwischen den Herstellern und den Konsumenten dar," erklärt Jörg Taubitz, der Deutschlandchef des Unternehmens. "Auf diese Weise können Unternehmen nicht nur Geld sparen, sondern auch die Umwelt schonen. Denn statt direkt in die Massenproduktion zu gehen, können sie bei uns zunächst schauen, ob das Produkt überhaupt ankommt."

Damit diese Art der Marktforschung aber aussagekräftig gelingen kann, unterliegt das Shoppen im Test-Geschäft gewissen Regeln und Beschränkungen.

Nur aktive Mitglieder dürfen einkaufen

Um im "Go2Market" einkaufen zu können, müssen sich die Kunden in einer App registrieren. Ein Algorithmus wählt aus den registrierten Nutzern dann diejenigen heraus, die spezielle Kriterien wie ein bestimmtes Alter oder Geschlecht erfüllen. Auf diese Weise soll der Kundenstamm des Supermarkts einen gesellschaftlichen Querschnitt repräsentieren. Entspricht man den gewünschten Kriterien, kann man ein aktives Mitglied des Marktes werden.

Als solches zahlt man eine monatliche Gebühr von 12,90 bis 16,90 Euro. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder eine Gutschrift von 55 Euro pro Monat, mit der sie im Go2Market shoppen können. Ist das Guthaben aufgebraucht, kann man es aufstocken, indem man an Umfragen zu einzelnen Produkten teilnimmt.

Kein Bargeld, keine Karte: Shoppen nur mit App

Betritt ein aktives Mitglied den Markt, muss es sich über die App im Laden anmelden. So weiß die künstliche Intelligenz stets, welches Alter und Geschlecht die anwesenden Kunden haben und kann beispielsweise die Musik im Laden entsprechenden anpassen: "Wir arbeiten mit einer sogenannten Sound-DNA", erklärt Jörg Taubitz. "So kann die Musik automatisch auf die Zielgruppe abgestimmt werden. Wir wollen den Kunden ein schönes und angenehmes Einkaufserlebnis bescheren."

Eingekauft und bezahlt wird im Go2Market ebenfalls über die App – Bargeld oder Karte sind hier keine gültigen Zahlungsmittel: Mit der App lassen sich die Barcodes der Produkte scannen, die daraufhin im digitalen Warenkorb landen. Von jedem Produkt lässt sich dabei aber nur ein einzelner Artikel erwerben: "Wir wollen ja nicht möglichst viel auf einmal verkaufen, sondern schauen, was am häufigsten gekauft wird", so Taubitz. "Wir wollen, dass sich die Kunden bewusst entscheiden."

Kameras analysieren das Kaufverhalten

Um das Kaufverhalten der Kunden noch besser analysieren zu können, sind im Laden über 60 Kameras angebracht, sechs von ihnen filmen ihre Umgebung in einem 360-Grad-Bereich. Zusätzlich sind Bewegungssensoren in die Regale integriert: "So können wir sehen, vor welchen Regalen die Kunden stehen bleiben, welche Produkte sie sich genauer ansehen und ob sie diese dann letztendlich auch kaufen oder nicht", erklärt Jörg Taubitz.

Wie der 52-Jährige weiter erklärt, werden im Go2Market schließlich nicht nur neue Produkte, sondern auch Aspekte des Ladenbaus getestet: Wie kann die Beleuchtung der Artikel zur Kaufentscheidung beitragen, wie müssen die Produkte präsentiert werden? Dass die Präsentation nicht nur auf visuelle Weise erfolgen kann, zeigt eine sogenannte Sounddusche: Tritt ein Kunde vor das Regal mit den Fliegenfallen, wird ein Lautsprecher aktiviert, der das Summen der Plagegeister wiedergibt. Nette Spielerei oder Kauffaktor? Das soll im Go2Market herausgefunden werden.

"Transparenz und Datenschutz sind uns extrem wichtig"

Wer in dem Test-Supermarkt einkaufen geht, wird also gezielt modernen Verkaufsstrategien ausgesetzt – und weiß, dass er manipuliert wird: "Die Menschen, die bei uns als Mitglieder registriert sind, gehen damit total entspannt um", weiß Jörg Taubitz. Viele würden es schätzen, bestimmen zu können, was Zukunft auf dem Markt hat und was nicht.

Dass sie ein Stück weit zum gläsernen Kunden werden, scheint sie nicht zu stören: "Die Themen Transparenz und Datenschutz sind uns extrem wichtig", erklärt der Deutschlandchef. "Es geht uns nicht um die Einzelpersonen, sondern um die Altersklassen." Andere personenbezogene Daten wie Name etc. würden nicht an die Unternehmen weitergegeben werden. So erfahren die Firmen nicht genau, wer gerade eine Dose Bier und eine Packung Insekten-Pasta gekauft hat – sondern nur, dass es jemand gekauft hat und ob dieser jemand ein alter Mann oder eine junge Frau gewesen ist.

Kölner Filiale bleibt die einzige in Deutschland

Neu ist das Konzept des Go2Marktes jedoch nur in Köln – in Österreich betreibt das Unternehmen bereits seit vier Jahren einen Test-Supermarkt mitten in Wien. Dort haben sich bereits 12.000 potenzielle Kunden in der App registriert, in Köln sind es etwas mehr als die Hälfte. Als Mitglieder zugelassen sind von diesen aber lediglich 2.600. Maximal 3.000 aktive Kunden können an dieser besonderen Art der Marktforschung teilnehmen: "Wir haben gerade sehr viele Leute auf der Warteliste", sagt Taubitz, "weil wir einen soziodemographischen Querschnitt wollen, können wir nicht alle von ihnen zulassen."

Einen weiteren Go2Market wird es in Deutschland indes nicht geben – zumindest in der Bundesrepublik wird die Kölner Filiale so ein Unikum bleiben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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