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Nach Brandanschlag: "Rechte Tendenzen nehmen in Leipzig wieder zu"


Rassistische Übergriffe
Nach Brandanschlag: "Rechte Tendenzen nehmen in Leipzig wieder zu"

Von t-online, anra

29.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Leipziger Lokalpolitikerin Kokot: "Der Rassismus ist ja nicht aus den Köpfen verschwunden."Vergrößern des BildesLeipziger Lokalpolitikerin Kokot: "Der Rassismus ist ja nicht aus den Köpfen verschwunden." (Quelle: Herzkampf/Martin Neuhof)
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Die Polizei tappt nach dem Brandanschlag auf eine Geflüchteten-Unterkunft weiter im Dunkeln. In Leipzig fühlt man sich an frühere Gewalt erinnert.

Nach einem Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Leipzig liegen den Ermittlern noch keine Hinweise auf die Täter vor. Auch auf einen Zeugenaufruf habe sich bis dato niemand gemeldet, der konkrete Angaben zu der Tat machen könne, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) am Montag.

In der Nacht zum Sonnabend haben Unbekannte mehrere Brandsätze auf die Unterkunft geworfen. Sicherheitskräfte konnten das kleine Feuer schnell löschen, es entstand nur ein geringer Schaden, verletzt wurde niemand.

Leipzig: Parallelen zu Anschlägen in den Neunzigerjahren

Für den Montagabend um 18.45 Uhr hat das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" nahe der Unterkunft in der Liliensteinstraße zu einer Demonstration aufgerufen. Das Motto: "Die Pogrome von morgen verhindern".

Irena Rudolph-Kokot ist eine der Organisatorinnen der Demo, seit vielen Jahren engagiert sie sich zivilgesellschaftlich gegen rechte Umtriebe. Die Lokalpolitikerin ist selbst in Leipzig-Grünau groß geworden, dem Plattenbauviertel, in dem der Anschlag am Wochenende geschah.

Grünau war nach der Wende ein Brennpunkt rechter Gewalt. "Für alle, die in den Neunzigerjahren hier aufgewachsen sind, war der Anschlag vom Wochenende aufrüttelnd", sagt sie. "Ich war den ganzen Tag wütend."

Für Kokot ist der Zusammenhang mit der Gedenkwoche zum Pogrom von Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren deutlich zu erkennen: "Wie in Lichtenhagen vor 30 Jahren wurden auch hier Brandsätze geworfen. Nach all der Berichterstattung in Radio und Fernsehen glaube ich nicht, dass das ein Zufall ist", sagt sie.

Kokot hat die Unterkunft am Montagnachmittag besucht. Sie sagt: "Die Brandsätze wurden so geworfen, dass sie das Haus hätten in Brand stecken können. Man kann nur von Glück reden, dass das Feuer so schnell bemerkt und gelöscht wurde."

Leipzig: Die Unterkunft wurde schon früher von Rechten attackiert

Der Ort des Anschlags in Leipzig-Grünau hat eine einschlägige Geschichte. "Hier in der Liliensteinstraße war schon zu DDR-Zeiten eine Unterkunft für Vertragsarbeiter", erzählt Kokot. Nach der Wende wurde das Gebäude zu einem sogenannten "Asylbewerberheim" umfunktioniert.

Vor genau 31 Jahren, im August 1991, gab es einen Überfall auf die Unterkunft. "Das war nach einem Konzert der Faschoband Störkraft in Leipzig, da haben 70 mit Knüppeln und Steinen bewaffnete Neonazis das Heim angegriffen, auch damals flogen Brandsätze." Attacken habe es auch danach immer wieder gegeben, erinnert sich Kokot.

Das ARD-Magazin "Monitor" sendete damals einen aufrüttelnden Bericht aus Leipzig-Grünau. Neonazis erklären darin, dass sie das Heim brennen sehen wollten und Todesopfer schulterzuckend in Kauf genommen hätten. Ausländer wurden als "Viehzeug" bezeichnet, das "weggeschossen" werden müsse.

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Kokot und ihre Mitstreiter beobachten auch heute wieder eine Zunahme rechter und rassistischer Vorfälle in der Gegend. "Diese rechten Tendenzen nehmen wieder zu", sagt sie. Vieles davon geschehe heute im Fahrwasser beispielsweise von Anti-Corona-Demonstrationen.

Auch wenn die Neunzigerjahre vorbei sind: "Der Rassismus ist aus den Köpfen einiger nicht verschwunden", meint Kokot. "Wir haben uns zu lange ausgeruht, wir müssen das Problem wieder deutlicher kommunizieren", sagt sie. Dazu sei die Demonstration am Montagabend wichtig.

Leipzig: Spezialermittler der Polizei übernehmen den Fall

Auch die Polizei kann einen politischen Hintergrund des Anschlags nicht ausschließen. Darum hat die "Task Force Gewalt" im Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen. Das sächsische Innenministerium kündigte eine verstärkte Bewachung aller Asylbewerberunterkünfte an.

Nach LKA-Angaben waren am Freitag rund 180 Menschen in der Unterkunft gemeldet. Wie viele sich dort zum Zeitpunkt des Brandanschlags aufhielten, ist aber unklar.

Der Leipziger Migrantenbeirat verurteilte die Attacke. Der Angriff sei besonders perfide, da die Brandsätze in der Nacht und an einem Wochenende geworfen wurden – also in einer Situation mit reduzierten Schutzmaßnahmen und enormem Schadenspotenzial für die Bewohner, sagte Francesca Russo, Co-Vorsitzende des Beirates am Montag.

"Hier wurde bewusst die Verletzung von Menschen in Kauf genommen." Der Anschlag mache nochmals deutlich, dass die Menschen in Gemeinschaftsunterkünften einer ständigen Gefahr ausgesetzt seien und besser vor Angriffen geschützt werden müssten.

Sachsens Grüne forderten unter anderem eine rasche Aufklärung der Tat. "Neben schnell handelnden staatlichen Organen braucht es eine wache Zivilgesellschaft, die sich dem Brandanschlag und jeder Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit entschlossen entgegenstellt", sagte die Landesvorsitzende Marie Müser.

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