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"Hände an den Brüsten": VfB-Fan über Belästigung im Stadion


Anlaufstellen für Betroffene
"Hände an den Brüsten": VfB-Fan über Belästigung im Stadion

Marta Popowska

Aktualisiert am 03.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Eckfahne in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart: Künftig will der VfB Stuttgart Frauen besser vor sexualisierter Gewalt schützen. (Quelle: Tom Weller/dpa/Symbolbild/dpa)

Sexualisierte Gewalt im Fußballstadion ist für viele Frauen alltäglich. Nun führt auch der VfB Stuttgart ein Schutzkonzept ein. Endlich, sagen Betroffene.

Ein Tor, alle springen auf – und plötzlich ist da die Hand an der Brust. Oder man fühlt in der dicht gedrängten Schlange am Getränkestand eine Berührung am Hintern: Bei einem Besuch im Fußballstadion müssen viele Frauen solche Übergriffe seit jeher über sich ergehen lassen.

Um Betroffene besser zu schützen, führt der VfB Stuttgart im September ein Schutzkonzept ein. Für sie soll es unter anderem ein Hilfetelefon an Heimspieltagen geben.

Denn auch bei VfB-Spielen passieren sexualisierte Übergriffe, meist getarnt als flüchtige, versehentlich Berührungen. Ein weiblicher Fan der Stuttgarter berichtet t-online davon, dass dies gern genau dann passiere, wenn etwa im Rahmen von Gesängen alle hüpfen und man sich aneinander festhalte. "Dabei legt man ja den Arm um die Personen neben sich. Leider passiert es nicht selten, dass du die Hände des Gegenübers dann an den Brüsten hast statt an der Schulter", sagt sie, die allerdings lieber anonym bleiben möchte.

Ähnlich sei es, "wenn sich aneinander festgehalten wird beim Hüpfen. Da passiert es leider immer wieder, dass der Mann hinter dir um dich herumgreift und sich an deinen Brüsten festhält." Dinge, die nicht nur sie, sondern auch Frauen in ihrem Umfeld erleben würden. Typisch und fast schon alltäglich seien Situationen wie eine Hand "zufällig" am Po, an den Brüsten, unterm Shirt.

VfB Stuttgart: Hilfetelefon an Heimspieltagen

Viele Bundesligisten wie der BVB aus Dortmund, der SV Werder Bremen oder Borussia Mönchengladbach haben bereits Konzepte und Schutzräume eingerichtet. Jetzt zieht auch der VfB mit einem eigenen Schutzkonzept nach, wie Tobias Kaufmann, Direktor Kommunikation des Bundesligisten, auf Nachfrage von t-online mitteilt. "An Heimspieltagen wird es ein Hilfetelefon geben", erklärt er.

Die Nummer soll auf allen VfB-Kanälen bekannt gemacht werden und Teil der üblichen Spieltaginfos sein. Über die Fanbetreuung und "kompetente Partnerorganisationen" möchte man künftig die Opfer betreuen.

Das Konzept sei bereits vor der Pandemie fertig gewesen. Man gehe mit dem Thema, das bei der Fanbetreuung verortet ist, sensibel um. "In der Praxis wird es unter anderem wegen der Folgen des Stadionumbaus – andere Laufwege und verfügbare Räume – erstmals zum Frankfurt-Spiel umgesetzt", sagt er.

Hemmschwelle bei Betroffenen

"Der weiblichen Fanbeauftragten sind vier Vorfälle innerhalb der letzten vier Jahre bekannt", erklärt der Pressesprecher. Die Täter seien bis auf einen Fall nicht bekannt gewesen. In einem anderen Fall erfolgte eine direkte persönliche Klärung.

Bislang scheint es eine Hemmschwelle gegeben zu haben, die Erlebnisse zu melden. Das hat man auch beim STR-Podcast vor mehr als zwei Jahren festgestellt und sich in der Folge des VfB-Podcasts enttäuscht darüber gezeigt, dass der Verein das Thema zu wenig beachte.

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"Generell sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass es wenige Einzelfälle sind. Es ist in vielen Stadien leider trauriger Alltag. Das ist uns auch in den Gesprächen mit weiblichen Fans nach der Folge schmerzhaft bewusst geworden", sagt Podcaster Sebastian Rose. Doch gerade Männern gelte es, die Augen zu öffnen. "Ihnen zu zeigen, dass nicht alle Fangruppen einen unbeschwerten Nachmittag im Stadion verbringen können, selbst wenn das eigene Team gewinnt. Das Thema muss stärker in den Fokus rücken – auch, um den Druck auf die Clubs zu erhöhen, etwas zu ändern", betont Rose.

Auch als Besucher aufmerksam bleiben

Wichtig sei, dass die Konzepte im Stadion gut sichtbar seien. Spezielle Telefonnummern auf den Damentoiletten, Ordner und Ordnerinnen mit entsprechender Kennzeichnung und sichere Räume im Stadion.

Ein VfB-Fan, der sich bei der t-online-Redaktion gemeldet hat, wünscht sich, dass auch umstehende Personen aufmerksam bleiben. Er habe als Kind einen sexualisierten Übergriff erlebt. "Ich war so zwischen 11 und 13 Jahre alt, als ich zum ersten Mal allein mit Freunden und ohne Erwachsene ins Neckarstadion zu VfB-Spielen durfte. Das war Ende der 90er. Bei einem dieser Besuche stand ich allein am Getränkestand", erzählt er. "In der Schlange merkte ich, wie eine Hand meinen Po berührte. Zunächst dachte ich, dass es sich um ein Versehen gehandelt haben muss. Doch es kamen weitere Berührungen", berichtet der Mann.

Erst später habe er begriffen, dass es sich dabei um einen sexuellen Übergriff gehandelt hat. "Ich war damals zu schüchtern, um mich umzudrehen, und auch beim Gehen habe ich mir den Täter nicht genau angeschaut. Ich wollte nur schnell weg aus dieser Situation und der Umgebung", sagt er.

Angst um die eigenen Töchter

"Ich kann natürlich nicht zu 100 Prozent sagen, dass es ein Mann war, da ich mich ja nicht umgeschaut habe. Jedoch war ein Stadionbesuch damals noch etwas komplett anderes als heute. Die Sitten waren rauer und Frauen waren in der absoluten Unterzahl. Die Situation kam mir wieder verstärkt in Erinnerung, seitdem ich zwei kleine Töchter habe. Ich mache mir als Vater natürlich Sorgen, welche Gefahren auf die beiden lauern. Ich möchte bei heutigen Stadiongängern das Bewusstsein schärfen, dass nicht nur Erwachsene davon betroffen sein können, sondern auch Kinder".

Am Ende jedenfalls hoffen Verein, Fans und Betroffene, dass die Kampagnen auch von den Tätern wahrgenommen werden und diesen deutlich machen, dass ihr Verhalten falsch ist.

Verwendete Quellen
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